Ich stehe ja generell total auf Inseln. Man kommt an, hat ein paar Stunden und kann dann eigentlich schon sagen, dass man, wenn schon nicht alles, dann doch wenigstens von allem ein bisschen was gesehen hat. Aber auch mit ein paar Grad wärmer und ein bisschen weniger Wind wäre das hier bei weitem keine Karibik und keine Südsee…aber man kann halt nicht alles haben.
Erstaunlicherweise konnten wir trotz weiterhin extremem Wind und ordentlichen Sturmböen unsere Häfen seit letzter Reise genauso anlaufen wie geplant. Die Schwesternschiffe in der Region hatten da
teilweise nicht ganz so viel Glück und konnten kaum einen Hafen so erreichen wie gedacht. Ist natürlich blöd für die Gäste, die sich auf manche Ziele natürlich viel mehr freuen als auf andere und
üblicherweise bekommen die Scouts am Schalter dann zu hören „Aber ich habe die Reise doch nur wegen x gebucht!“ Völlig hirnrissig in meinen Augen. Wenn ich in meinem Leben nichts sehen möchte
außer Madeira – wieso mache ich dann eine Kreuzfahrt mit 8 Häfen, wovon nicht mal ein ganzer Tag Madeira ist? Wenn man einen guten Kapitän hat, sagt der in seiner Durchsage wenigstens dazu, dass
weder das Rezeptions- noch das Ausflugsteam irgendwas für die Umroutung können. Aber beschweren kann man sich schließlich immer über irgendwas.
Neuerdings machen sich Leute zum Beispiel vermehrt Gedanken zu unserem Check-In-Vorgang. Der wurde im letzten Jahr extrem vereinfacht, geht jetzt super schnell und unkompliziert und alle sind
generell sehr glücklich damit. Wir müssen für den Check-In ein Foto vom Ausweis machen und dann noch ein Foto vom Gast, damit unsere Security auch weiß, wer da eigentlich von Bord und vor allem
zurück an Bord geht. Wir können den Gästen versichern, dass ihre Fotos natürlich nach der Reise vom Server gelöscht werden. Aber schriftlich haben wir das nirgends. Großes Manko, wenn wir dann
mal plötzlich aufgefordert werden, das schriftlich zu zeigen. Im Endeffekt ist dann aber doch immer jeder einsichtig, spätestens wenn wir sagen „Wir müssen kein Foto von Ihnen machen, aber dann
dürfen Sie eben nicht an Bord kommen“ – und plötzlich werden sie ganz zahm und tun genau was man will.
Auf der Kanaren-Route haben wir aber so allgemein echt freundliche Gäste. Dass letzte Reise La Palma ausgefallen ist, war gar nicht so ein riesiges Drama wie erwartet und unsere kurzfristig aus dem Ärmel geschüttelten Ersatzausflüge für Teneriffa, wo wir dann einfach früher waren, wurden extrem gut gebucht. Die haben wir am liebsten, pflegeleichte Gäste. Und die Crew ist auch sehr pflegeleicht. Dafür, dass ich so ganz spontan hier angekommen bin und von Anfang an klar war, dass ich nur zwei Reisen bleibe, wurde ich sehr herzlich willkommen geheißen, von meinem Team genauso wie von allen anderen Abteilungen. Je öfter man an Bord geht, desto mehr Leute kennt man ja auch. Einer der Gastgeber verfolgt mich jetzt aufs dritte Schiff in Folge und kommt immer kurz bevor ich gehe. So langsam entwickelt sich der Job zu so was wie Alltag. Ist fast so wie nach dem Wochenende zurück ins Büro zu kommen, wo man weiß, wer am Schreibtisch nebenan sitzt und wen man mit großer Wahrscheinlichkeit in der Kantine treffen wird, wenn es mal Burger oder Schnitzel gibt.
Die Route ist ganz nett, aber mir irgendwie wie immer etwas zu europäisch. Blöd, wenn alle immer Deutsch können, da rostet das Englisch und Spanisch ja voll ein! Aber hübsch ist es hier und die
Inseln haben auch alle ihr kleines bisschen Typisches, auch wenn sie alle irgendwie kanarisch sind. Es ist Winter auf den Kanaren und das haben wir diese Reise extrem zu spüren bekommen. Neben
dem krassen Wind gab es auch noch dauernd Regen. In La Gomera hat der Sturm sogar Schnee von den Hängen runter in den Hafen gepustet, obwohl wir da 11 Grad hatten. Verrückt – sagen auch die
Einheimischen. Die freuen sich aber anders als wir sehr über Regen, denn wer weiß, wann der nächste kommt.
In La Palma war der Regen aber ganz cool, denn damit kamen auch die Regenbögen und so viele wie an dem einen Tag habe ich das ganze letzte Jahr nicht gesehen. Oben im Nationalpark angekommen war
der Regen dann aber nicht mehr ganz so toll, denn für drei Wochen habe ich es als übertrieben angesehen, meine dicken wasserdichten Wanderschuhe mitzunehmen. Pech. Jetzt sehen meine blauen Treter
halt dunkelbraun aus und ich hinterlasse braune Krümel wenn ich auftrete. Da lobe ich mir doch den „Horizontalen Regen“, den es hier üblicherweise gibt. Durch die Passatwinde, die über die Region
ziehen, kommt warme Luft, die sich über dem Atlantik mit Feuchtigkeit anreichert, dann an die Berge der Inseln stößt und aufsteigt. Da kalte Luft nicht so viel Feuchtigkeit speichern kann,
kondensiert das Wasser und durch die spezielle Vegetation bleiben die Tropfen an den Bäumen und Büschen hängen, tropfen zu Boden und fließen am Boden die Hänge runter. Der Großteil des
Trinkwassers kommt daher und regnen tut es sehr selten. Auf der anderen Inselseite fällt die Luft dann wieder ins Tal, heizt sich dabei auf und bringt die üblichen warmen und trockenen
Passatwinde und das gute Wetter. Blöd, dass die Häfen scheinbar überall auf der nassen Seite liegen.
Durchgepustet und sauber bin ich jetzt jedenfalls und die erwartete Erkältung ist (noch) nicht in Sicht. Bei den Gästen allerdings schon und dauernd kommen Leute an den Schalter und drücken uns ein Attest vom Bordhospital in die Hand. Kein Wunder, wenn man sich unsere Gäste auf Ausflug anschaut. Bei 8 Grad in Lissabon laufen sie da in kurzen Ärmeln, Dreiviertelhosen und Birkenstocks rum. Anscheinend dachte der Großteil der Gästeschaft, dass auf den Kanaren Hochsommer-, oder mindestens doch schönes Frühlingswetter herrscht, wenn sie im tiefsten Winter herkommen. Zugegeben, ein paar Grad wärmer hatte ich es auch erwartet, aber ich bin wenigstens mit Handschuhen, Schal und Stirnband unterwegs und irgendwie auf Regen und Wind eingestellt.
Zurück zu den Wanderungen durch die matschige und klebrige Landschaft der Inseln, die aber gerade nach dem ganzen Regen so unglaublich üppig grün leuchtet. Wenn man zwischen verschiedenen Höhenlagen wechselt, sieht man extreme Unterschiede in der Vegetation. Durch das spezielle Klima gibt es hier Wald, den man so überhaupt nicht vom Festland kennt. Was bei uns als Heidekraut großflächig die Böden im Norden bedeckt, wächst auf den Kanaren auf Bäumen und macht ein ganz tolles Licht unten auf den Lichtungen, alles sieht irgendwie flauschig aus. Dann dazu das viele Moos, das durch den horizontalen Regen nur so sprießt, unglaublich schön anzusehen. Und wenn man weiter in die niedrigeren Höhen kommt, werden die Baumheiden abgelöst vom allgegenwärtigen Lorbeerwald, der in seiner Ausbreitung hier einzigartig ist. Es gibt verschiedene Arten Lorbeer, die für mich als Laien alle gleich aussehen, aber doch ziemlich große Unterschiede haben. Einer zum Beispiel ist hoch giftig, wenn er in die falschen Hände gerät, aber macht sehr glücklich, wenn er in den richtigen Dosen eingenommen wird. Das weiß auch die lokale Tierwelt und „berauscht“ sich regelmäßig am Giftlorbeer. Man findet oft mal tote Ratten am Straßenrand, die meist aber nicht von Autos mitgenommen wurden, sondern einfach Drogentote sind. Mein gomerischer Reiseleiter sagte dazu ganz trocken: „Das ist bei uns Menschen ja nicht anders. Wenn wir betrunken sind, denken wir auch, wir könnten alles schaffen. Unsere Ratten klettern im Rausch dann halt auf Bäume und denken, sie sind Fledermäuse.“
Wenn sich der Wald mal lichtet und man die spektakulären Hänge runterschauen kann, fallen besonders die Agaven auf. Eigentlich ziemlich unspektakuläre Pflanzen zum Anschauen, wie so fleischige
Palmen eben, aber wenn sie blühen wird der Blütenstand bis zu vier Meter hoch! Und eine andere Art, die sogenannte Schwanenhalsagave, sieht man auch, deren Blütenstände auch gigantisch lang
werden und wie schlappe Antennen in die Gegend zeigen. Richtig blühen tun die nur für ein paar Tage alle paar Jahre, das muss was ganz spektakuläres sein, wenn man das mal zu sehen bekommt.
Dazwischen die typischen kleinen Bergdörfer, die zwar noch existieren, aber immer mehr schrumpfen oder ganz verschwinden, weil alle in die Städte ziehen. Aber hübsch aussehen tun sie. In La Palma
gibt es zum Beispiel einen kleinen Ort nicht weit von der Hauptstadt Santa Cruz, wo noch ganze 16 Leute leben, die alle in irgendeiner Weise bei der kleinen Kirche angestellt sind, die als
Heiligtum der Insel gilt.
Selbst die Orte, die nicht so richtig in den Bergen versteckt sind, haben so steile Wege, dass es extrem schwierig ist, dort was zu bauen. Man baut einfach an und erweitert; neue Baugenehmigungen
gibt es üblicherweise nicht, man darf auf den bereits bebauten Grundstücken einfach weiterbauen. Dafür wird dann das genommen, was man eben so hat. Schweres Gerät kommt da nicht hoch, also muss
jede Dachschindel einzeln die schmalen Wege und Stiegen hochgeschleppt werden. Viele der Häuser werden entsprechend nicht mit Backsteinen und Schindeln erweitert, sondern mit Kunststoff- und
verputzten Sperrholzplatten und Wellblechdächern. Das hat dann gar nichts mit Armut zu tun, sondern sieht für den Fremden nur so aus. Strom und Wasser haben inzwischen fast alle, aber man sieht
immer noch Häuser, die ihr Klohäuschen im Garten am Hang haben, wo man keine Wasserspülung braucht, sondern die Schwerkraft ihren Job macht.
Besonders auf Madeira hat man dann zwischen den Häusern und Höfen überall Bananenplantagen stehen, die bewirtschaften die privaten Haushalte dort und ein paar Bananenstauden zu haben, ist sehr
lukrativ, weil die bei dem perfekten Klima oft und viele Früchte tragen. Dadurch wird auch viel gekreuzt, eine Banananas habe ich aber immer noch gefunden. Dafür war ich aber mit Chef Daniel in
der Markthalle in Funchal nachdem ich mich nach der dritten verregneten Wanderung trocken gelegt hatte, und ein netter Marktmann hat mich alle seiner Maracujas probieren lassen. Die sehen dann
zwar von außen aus wie normale Maracujas in leicht anderer Färbung, sind von der Konsistenz genauso so glitschig mit den schwarzen Samen drinnen, wie man sie kennt, aber haben einen definitiven
Beigeschmack von Ananas oder Apfel oder Zitrone oder Erdbeere oder sogar Tomate. Seltsam, aber witzig.
Nach so vielen Wanderungen durfte ich auch noch einen ganz gemütlichen Ausflug machen, nämlich am Abend unserer Übernachtung in Funchal eine nächtliche Rundfahrt über Madeira. Der Hafen von
Funchal ist tagsüber schon toll von oben anzuschauen, aber nachts ist das nochmal beeindruckender, wenn alles so schön beleuchtet ist. Im Fischerörtchen Câmara de Lobos fängt sowieso das Leben
erst richtig an, wenn es dunkel wird. Jetzt so kurz vor Fasching geht auch hier die Karnevalssaison los. Unser Reiseleiter lief mit uns eine ganz runtergekommene Straße lang und brachte uns in
einen Nebeneingang der Markthalle dort, wo die Karnevalsleute ihre Choreografie übten, und wo in den hinteren Räumen alles voller Klebepistolen und Federn war, weil dort der Kopfschmuck für die
Kostüme fertig gemacht wurden. Ich glaube, zum Karnevalsumzug sollte man unbedingt mal nach Madeira kommen.
Madeira ist definitiv einen extra Urlaub wert. Mit dem Schiff hat man ja meist höchstens 24 Stunden, wenn man mal über Nacht liegt, aber ein tolles hat es, wenn man mit einem Kussmund-Schiff in den Hafen von Funchal einläuft. Wann immer ein Schiff unserer Flotte in Funchal ankommt, steht ein Mann im roten AIDA-Poloshirt an der Pier und winkt mit einem riesigen selbstgemalten Schild, auf dem „Willkommen AIDA“ steht. Er heißt Inacio und gilt als der größte AIDA-Fan der Welt. Er wird regelmäßig auf die Schiffe eingeladen und stellt sich hinter die Bar und mixt Poncha, das typische Getränk Madeiras, für unsere Gäste. Danach sind alle betrunken und stolpern nur so durch die Gegend und Inacio hat Zeit seinen Rausch auszuschlafen, bis wir am nächsten Abend auslaufen, wo er wieder an der Pier steht und zum Abschied winkt. Die Hafensecurity kennt ihn schon, unsere Crew kennt ihn und viele begrüßen ihn direkt ausgelassen, weil sie schon so oft in Madeira eingelaufen sind. Er ist mit schätzungsweise 80% der Flotte bei Facebook befreundet. Viele unserer Gäste waren schon öfters in Madeira als die Crew und kennen ihn natürlich auch. Wenn man auf der Pier steht und einfach beobachtet, ist es schon richtig witzig, wie alle strahlen und ihm um den Hals fallen, weil sie endlich wieder von seinem selbstgebastelten Schild begrüßt werden. Und oben auf der Kaimauer wandert der Security währenddessen auf und ab mit seinem Jagdfalken, um die Möwen vom Zupupsen der Pier abzuhalten und schüttelt nur den Kopf…
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Sonja (Samstag, 10 Februar 2018 16:35)
Die Nachtaufnahmen sind der Knaller! Toll!