Chefin Sandra hat was tolles organisiert für uns. Erst waren wir zum Wochenmeeting einberufen worden in die Kabine 8139, was uns schonmal alle sehr verwirrt hat. Aber Sandra meinte, wir sollten auch mal wissen, wie unsere Gäste eigentlich so wohnen an Bord. Und dann ging es tatsächlich noch weiter den Deck-8-Gang entlang in eine Junior Suite. Die haben da ein Bad mit Wanne und einen separaten Wohnbereich und einen Balkon, der allein doppelt so groß ist wie unsere Crewkabinen.
Da wurde dann Meeting gemacht, auch mal was neues. Sandra ist wirklich sehr bedacht, immer mal ein bisschen Pepp in den Arbeitsalltag zu bringen. Manchmal muss sie dafür aber auch gar nichts tun und was spannendes passiert von ganz allein. So geschehen zum Beispiel letzte Woche. Wir hatten wieder mal hunderte von Spaniern an Bord. Ich weiß auch nicht, wo die plötzlich herkommen, aber AIDA haut unsere Mittelmeerreise grade so ultragünstig raus, dass es für Leute aus Barcelona oder Palma natürlich sehr praktisch ist, mit uns zu verreisen. Es scheint dabei auch keinen zu interessieren, dass wir keinerlei Schiffskommunikation auf Spanisch haben; wir haben ja nicht mal unsere Tageszeitung mit allen Öffnungszeiten und dem Tagesprogramm auf Englisch. Keine Ahnung, wie die zurecht kommen, aber ein paar finden sich an Bord halt doch, die wie ich ein paar Jahre Spanisch gelernt haben und genug können um ihnen zu verklickern, dass wir keine Kapelle an Bord haben (Überraschung: die Deutschen sind nicht so offen katholisch wie die Spanier) und dass die Kabinen nun mal um eine Zeit gereinigt werden, die leider mit der üblichen Siesta-Zeit der Spanier kollidiert.
Jedenfalls reisten die meisten der 640 Spanier (bei insgesamt 3.100 Gästen an Bord sind das über 20%!) in ihren Großfamilien mit bis zu 24 Familienmitgliedern, teilweise zu fünft auf einer Kabine. Und so kam es, wie es kommen musste: Magendarm und zwar so richtig. Wenn so ein Virus erstmal da ist, ist es schwer, ihn wieder von Bord zu bekommen. Sobald sich 2 Prozent der Schiffsbelegung infiziert haben und das auch im Hospital berichten, haben wir verstärkte Hygienevorschriften, zum Beispiel darf die Crew dann nicht mehr in den Gäste-Sportbereich und nicht mehr die öffentlichen Toiletten an Bord benutzen. Wenn es mehr als 3 Prozent sind, sagen wir „Wir fahren rot“ und dann steht eine sogenannte „Super Sanitation“ an, bei der das gesamte Schiff gereinigt wird. Auf der Prima und der Luna hatte ich auch je einmal das Vergnügen und dieses Mal wurde ich sogar eingeteilt für die Flughafen-Aufgaben. Der Shop Manager und ich wurden also ausgestattet mit großen Plastikcontainern voll sehr sauber riechender Flüssigkeit, die wir uns über die Schulter spannen durften und dann à la Ghostbusters die Busse am Flughafen desinfizieren durften. Grandios langweilige Arbeit, aber wenn man den Shop Manager dabei hat, der grade seinen Süßigkeitenvorrat ausgemistet hat, gibt es schlimmeres.
Das Wochenende war also richtig anstrengend: die neuen Gäste kamen natürlich schon schlecht gelaunt an Bord, weil ihr Check-in erst zwei Stunden verspätet losgehen konnte und alle Bücher aus der
Ausleihbibliothek vernichtet werden mussten und da jetzt gähnende Leere herrscht. Weil so viel für den Anreisetag in Palma noch organisiert werden musste, ist das Wochenmeeting für uns dann
natürlich ausgefallen, weil anderes einfach wichtiger war. Schade – wir hatten uns schon auf die nächste Sandra-Überraschung gefreut gehabt. Meeting und das damit verbundene Team-Wichteln wurde
also auf den nächsten Tag verschoben.
Dann kam der Abend in Palma und wir waren alle so platt nach in meinem Fall mehr als 14 Stunden ohne größere Pause arbeiten und dann noch der Seenotrettungsübung, dass das Meeting auf den
nächsten Tag verschoben wurde.
Morgens am sonntäglichen Seetag dann die Schocknachricht: Umrouting in meiner letzten Woche an Bord! Das Wetter sah auf den Karten der Brücke gar nicht toll aus und so gab es eine
Infoveranstaltung des Herrn Kapitäns auf der Bühne, bei der wir auch zuhören konnten. Eine riesige Sturmfront schwamm da vor der Hafeneinfahrt von Civitavecchia, sodass wir wohl kaum reingekommen
wären. Alternative: Livorno und Civitavecchia tauschen. In Livorno wären wir zwar in den Hafen gekommen aber am Abend vermutlich nicht mehr rausgekommen und dann hätte Civi mit dem
Hauptreisegrund Rom ausfallen müssen. Also hat der Oberste beschlossen: erst Marseille von Sonntag auf Montag overnight, dann Civi von Dienstag auf Mittwoch overnight, kein Livorno, planmäßig am
Freitag in Barcelona.
Pech für die Gäste, die „die Reise nur wegen Florenz gebucht haben“ – aber Glück für uns: overnight in Civitavecchia, wo zwar der Hafen absolut nicht spannend ist, aber es richtig gute Pizza
gibt. Geburtstagsdinner gab es dann also mit dem gesamten Team in einer kleinen feinen Pizzeria an der Hafenpromenade im strömenden Regen.
Also wenigstens in meiner letzten Woche nochmal ein bisschen was spannendes passiert, damit ich wenigstens ein bisschen was zu erzählen hab, wenn ich nach Hause komme. Das Wetter wird zunehmend schlechter. Ich hab mir natürlich während der drei Stunden Stadtspaziergang und Weihnachtsmarkt-Bummel in Aix-en-Provence am Montag eine dicke fette Erkältung eingefangen; kein Wunder, die Crew-Schirme werden wie unsere bestellten Jacken erst im Januar geliefert.
Aber zurück zu Sandra und ihren Überraschungsmeetings: vor zwei Wochen gab es statt dem Wochenmeeting eine kleine Team-Führung durch unsere Provision, das ist sozusagen unsere Proviantabteilung
und unser Lager im Bauch des Schiffes. Ziemlich toll, weil ich da in anderthalb Jahren bei AIDA tatsächlich noch nie war, außer um mal ein paar Packen Wasser fürs Büro abzuholen. Erster
Proviantmeister Peter sammelte uns ein und erklärte uns alles über das, was da unten so abgeht.
Wir haben 18 Lagerräume auf Deck 1, 2 und 3 verteilt. Die sind verschieden groß und verschieden ausgestattet, denn da wird alles aufbewahrt, was unsere Kleinstadt namens Schiff so verbraucht, und
Klopapier hat natürlich andere Lagerbedürfnisse als ein Salatkopf. Es gibt ein Lager nur für Wurzelgemüse, eins für Blattgemüse, eins für Milchprodukte, eins für Getränke, eins für Spirituosen
und Tabak, eins für Trockenprodukte, eins nur für den Bäckereibedarf, … Die ganzen Lager werden von einem sechsköpfigen Team und zwei Proviantmeistern betreut, das ist schon ziemlich
beeindruckend, was bei denen den ganzen Tag so durch die Hände geht. Ich persönlich hätte ja erwartet, dass es mehr Mitarbeiter da im Keller gibt, wenn man bedenkt, dass wir einen Feuerwehrmann
haben, der den ganzen Tag nichts anderes tut, als das Schiff von oben nach unten und von vorne nach hinten abzulaufen und alle Feuerlöscher schüttelt, damit das Pulver nicht zusammenpappt. Der
tut nichts anderes!
Naja egal. Kommen wir zum spaßigen Teil: Zahlen.
Unser Schiff fährt in sieben Tagen eine komplette Runde von Palma nach Palma. Alle zwei Wochen kommt ein neues „Loading“ an Bord, also eine riesige Lieferung in üblicherweise 12 LKWs, die unsere
Provision wieder aufstockt. Der Proviantmeister muss alle vier Wochen Ware bestellen, also sehr weit im Voraus kalkulieren und dabei genau überlegen, welche Art von Gästen an Bord sind, wie viele
Kinder, wie viele ältere Leute und in welche Zielgebiete es geht. Zum Beispiel brauchen wir in der Karibik sehr viel mehr Weißwein als Rotwein und im Norden erheblich mehr Rotwein. Konkreter
gesagt: auf unserer Mittelmeerroute ohne Schulferien und mit recht wenigen Kindern an Bord verbrauchen wir 800 Liter Rotwein. Pro Tag.
In unseren 12 Restaurants an Bord und unserer Crewmesse brauchen wir pro Reise dreieinhalb Tonnen Kartoffeln, zweieinhalb Tonnen Zwiebeln, 200 Kilo Salami, je 450 Kilo rote, gelbe und grüne
Paprika, 300 Kilo Äpfel und je 120 Kilo von unseren acht Sorten Blattsalat.
Wir essen 600 Liter Vanilleeis pro Reise und je 150 Liter der anderen Eissorten.
Dazu kommen 900 Portionen Softeis pro Tag. Außer in den Ferien, da sind es 1.600 Portionen pro Tag.
Wir trinken 600 Liter Milch pro Tag, 20 Flaschen Bacardi Rum pro Tag, 500 Liter Wasser pro Sorte pro Tag, 1.200 Liter Bier pro Tag, ohne das Bier aus dem Brauhaus mitzurechnen.
Wir essen knapp zwei Tonnen Pommes mit 200 Kilo Ketchup pro Reise. Außer in den Ferien, da sind es dreieinhalb Tonnen Pommes und 100 Kilo Ketchup mehr.
Unsere Bäckerei verbackt pro Reise 600 Kilo Weizenmehl und unzählige Säcke fertige Brotbackmischungen.
Wir essen zweieinhalb Tonnen Reis pro Reise, davon anderthalb Tonnen nur im Crewbereich (950 Crewmitglieder), man rechnet pro Crewmitglied etwa 200g Reis pro Tag, und die meisten Europäer unter
der Crew essen höchstens zwei Mal in der Woche Reis...
Und die krasseste Zahl: Wir brauchen 42.000 Eier in sieben Tagen und da sind die anderthalb Tonnen Vollei nicht mitgerechnet, aus denen das Rührei gemacht wird.
Während 18.000 Gäste weltweit auf allen AIDA-Schiffen am Abend die Show auf der großen Bühne anschauen, wäscht allein die Perla am Wechseltag in Palma 55.000 Stück Wäsche. Im Müll landen jede
Woche etwa 500 Liter Küchenfett, die aufwendigst verdünnt, gereinigt und entsorgt werden müssen. Am Tag produzieren wir zwei Tonnen Speiseabfälle und fünf Tonnen Recyclingmaterial. Um unseren
Kussmund auszubessern, reicht kein Eimer mit Farbe; man sagt, dass für die gesamte Außenhaut der Queen Mary II insgesamt 35.000 Liter Farbe vermalt wurden.
Ihr seht also: wir sind eine eigene kleine Stadt, die da auf den Weltmeeren rumschippert. Schon irgendwie beeindruckend und beängstigend zugleich. Aber hey, immerhin bekommen wir unser eigenes
Essen gekocht und nicht nur die Reste der Gäste aufgetischt (wie erstaunlich viele Gäste das immer noch denken…)
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Sonja Widmaier (Donnerstag, 14 Dezember 2017 07:03)
Das sind unvorstellbare Mengen!!!! Wahnsinn!!
Melanie (Mittwoch, 20 Dezember 2017 13:09)
Schließe mich dem Kommentar von Sonja an: Wahnsinn!! Kann mir 42.000 Eier noch nicht mal vorstellen...