Nach so viel Aufregung, um überhaupt erst in die USA einreisen zu dürfen (als Gast wäre mir das echt zu stressig, sich im Urlaub mit sowas rumschlagen zu müssen), war die Einreise nach Kanada fast schon lachhaft. Für den Rückflug aus Montreal habe ich vergessen, den kleinen Beutel mit Flüssigkeiten aus dem Handgepäck zu holen, hat bei der Sicherheitskontrolle aber keinen gestört – „wir sehen ja auf dem Bildschirm, dass alles im Beutel ist“. Sehr entspannt und allein deswegen kann ich einen Urlaub hier nur empfehlen.
Die kanadische Ostküste ist ebenso sehenswert wie der US-amerikanische Osten, aber doch ganz anders. Weil wir doch recht weit nördlich waren, gab es schon die ersten Vorboten des Indian Summers zu sehen, wo sich die Wälder für den Herbst so unglaublich bunt färben. Besonders spektakulär werden die Blätter, wenn es im September und Oktober noch recht warm ist, es aber schon einmal Frost gab. Man weiß scheinbar nicht so richtig, woher der Begriff „Indian Summer“ wirklich kommt, und es gibt ganz viele verschiedene Ideen und Geschichten. Eine schöne Legende ist mir aber besonders im Gedächtnis geblieben, denn ich die mystischen Geschichten sind meist so viel bunter und netter als die harten wissenschaftlichen Fakten. Es heißt in einer indianischen Legende, dass jeden Herbst zwei Jäger auserkoren werden, die sich auf die Jagd nach dem Großen Bären machen. Der ist eine Sagengestalt und rennt vor den Jägern davon, bis er im Himmel angelangt ist. Da sieht man ihn noch heute im Sternenbild, direkt dahinter sind drei einzelne Sterne, das sind die beiden Jäger und ihr Hund. Die Jäger verfolgen ihn weiter und erlegen ihn. Sein Blut fällt in dicken Tropfen vom Himmel auf die Erde und färbt die Blätter rot.
Mein Reiseleiter hat außerdem erzählt, dass er „Indian Summer“ nur noch bei ausländischen Gruppen benutzt, denn in Europa kennt man dieses Phänomen vor allem unter diesem Namen. Doch in den USA
und Kanada nennt man die Indianer seit einigen Jahren nicht mehr „Indianer“, sondern „Ureiwohner“ oder „Native Americans“ wegen der Debatte über Diskriminierung und so weiter. Deswegen ist
„Indian Summer“ entsprechend auch ein diskriminierender Name und es wird zur Zeit drüber diskutiert, ob man das noch sagen darf. Die Amis sagen daher eher „Foliage“, was ich eigentlich nur als
Blätter allgemein kenne und was bei weitem nicht so elegant klingt.
Egal, wie es heißt, es muss unglaublich hübsch anzuschauen sein. Die ersten bunten Bäume haben wir auch schon gesehen, aber durch den sehr langen und warmen Frühherbst war der Großteil der Wälder
noch nicht so weit. Anscheinend gibt es im deutschen Laubwald weniger als 50 verschiedene Baumarten, während es allein in den Neuengland-Staaten an der nördlichen Ostküste der USA mehr als 800
gibt. Kein Wunder, dass im Herbst so viele verschiedene Blattfärbungen zu sehen sind.
Weil es noch nicht soo viel bunte Natur zu sehen gab, ging es für mich hauptsächlich durch die Städte. Montreal hat mich nicht wirklich vom Hocker gehauen, was aber auch mal wieder am sehr grauen
Wetter gelegen haben mag. Grau und Großstadt ist halt für mich nicht die ideale Kombination. Eine tolle Sehenswürdigkeit hat Montreal (wird übrigens eigentlich französisch ausgesprochen) aber
doch: die Notre-Dame-Basilika, die fälschlicherweise immer als Kathedrale bezeichnet wird, weil sie so riesig ist. Von außen ist es halt einfach eine typisch gotische Kirche mit protziger Fassade
und riesigem Eingangsportal, wenn man aber reinschaut, fällt jedem erstmal die Kinnlade runter. Der Innenraum ist unglaublich, und das kommt von mir, die in ihrem schon wirklich viele Kirchen
angeschaut hat. Ich glaube tatsächlich, das könnte die schönste sein, die ich je gesehen habe. Das Hauptschiff und die beiden Seitenschiffe der Basilika ist komplett in ganz dunklen Farben
ausgekleidet, viel dunkles Holz und ganz viel dunkles Blau an den Wänden. Die Decke ist auch dunkelblau und über und über mit goldenen Sternen verziert. Wenn ihr mal bei Wikipedia schaut, da
gibt’s ein tolles Bild, was viel besser ist als meins, denn im Dunkeln ist meine Kamera ja bekanntlich nicht die beste.
Obwohl ich in Montreal von einer kleinen Franko-Kanadierin mit ganz niedlichem französischem Akzent übersetzt habe, ist mir von Montreal nicht wirklich irgendwas in Erinnerung geblieben. Das
mache ich auch nicht wieder: am Abreisetag noch einen Ausflug machen ist richtig anstrengend. Chefin Annika hat mir freigestellt, ob ich vor meinem Transfer zum Flughafen noch einen kurzen
Ausflug machen möchte, und wenn man schon mal da ist, muss das ja auch sein. Aber dann wurde es doch ein bisschen stressig mit umziehen und umpacken.
Viel entspannter und auch so viel schöner war es am vorletzten Hafen meines Einsatzes: Québec City. Was in den USA die Bundesstaaten sind, sind in Kanada Provinzen. Die größte davon ist Québec und macht einen Großteil des kanadischen Ostens aus. Größte Stadt ist natürlich nicht Québec City, sondern Montreal. Aber umso schöner ist es im kleinen Nachbarn, denn Québec City ist so richtig französisch. Würde man nicht wissen, dass man in Kanada ist, man würde denken, man schlendere durch die Straßen einer Kleinstadt in der Provence. Ein riesigen schlossartiges Hotel überschaut den Hafen und den Sankt-Lorenz-Strom, das Château Frontenac, was aber nie ein Schloss war, sondern schon immer ein Hotel. Es gilt als meistfotografiertes Hotel der Welt, dabei ist das wirklich schöne eher außenrum. Die Innenstadt teilt sich in die Unterstadt am Wasser und die Oberstadt auf einer 80 Meter hohen Klippe mitten in der Stadt. Dazwischen fährt eine kleine Standseilbahn, die ungefähr drei Minuten braucht aber viele lästige Stufen spart. Ober- und Unterstadt haben gleichermaßen die kleinen süßen Gässchen, wie man sie aus Frankreich kennt. Die schönste Fußgängerzone Nordamerikas gibt es hier zum Beispiel auch und an jeder Ecke riecht es nach frischen Pancakes mit Ahornsirup.
Urlaub in Kanada ist also definitiv weiterhin auf der Liste meiner Places-to-See. Um zurück zu kommen auf die so extrem entspannten Kanadier: am Flughafen hatte ich recht viel Zeit und wurde für die Sicherheitskontrolle in eine Schlange gestellt, wo es ewig gar nicht voran ging. Die Erklärung folgte aber promt: „Bitte haben Sie Geduld. Officers in Training“ – immer zu zweit standen die angehenden Sicherheitsbeamten an ihren Arbeitsstationen und beratschlagten sich gegenseitig während sie unglaublich freundlich lächelten und nicht so aussahen, als würden sie mir gleich an die Gurgel gehen weil ich meine Uhr nicht abgenommen hatte. So eine entspannte Kontrolle hatte ich selten und allein deswegen muss man Kanada wohl nochmal mit einem Besuch beehren.
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Michael aus Fulda (Mittwoch, 24 Oktober 2018 21:55)
Um von New York nach Montreal zu gelangen, kann man auch den Hudson flussaufwärts fahren. Im 19. Jahrhundert gab es dort die Künstlerkolonie „Hudson River School“ und Dein Foto der Wasserfälle von Montmorency, Québec, ähnelt dem Gemälde „Boonton Falls, New Jersey“, 1883, von Asher Brown Durand:
https://news.psu.edu/story/480583/2017/09/05/arts-and-entertainment/hudson-river-school-artist-highlighted-exhibition