Wenn zu allen Seiten Wüste ist

Wüste ist ja nicht gleich Wüste. Auf den traditionellen Wüsten-Safaris geht es mit den Jeeps in die Sandwüste raus, da ist nur ganz spärlich mal ein Strauch zu finden und sonst nichts außer Sand. In Spitzbergen besteht der Großteil der Landfläche auch aus Wüste, aber eben einer aus Schutt und Geröll. Und irgendwo dazwischen lässt sich das Ödland des Omans einordnen.

nur entlang der Wasserläufe findet sich ein bisschen Vegetation
nur entlang der Wasserläufe findet sich ein bisschen Vegetation

 

Weder riesige Sanddünen noch ewige Flächen Geröll, sondern dieses seltsame Mittelding aus wogenden Hügeln mit ausgetrockneten Flussbetten dazwischen, kein Baum oder Strauch weit und breit – das ist das omanische Hinterland. Nur direkt am Wasser findet man ein bisschen Grün, aber da es lange nicht geregnet hat, sind die Flüsse ausgetrocknet, von den Quellen in den Bergen kommt nur so wenig Wasser nach, dass das meiste verdunstet ist bis es im Tal ankommt. Interessanterweise wird es deswegen auch grüner, je weiter man in die Berge kommt. In den Höhenlagen ist noch so viel Wasser von den Quellen an der Oberfläche, dass es noch eine recht große Fläche bewässert bekommt. Wenn ich grün sage, meine ich aber natürlich nicht grün, wie wir es von unseren heimischen Laubwäldern kennen. Nein, hier heißt grün eigentlich nur „nicht sandfarben“, wobei alles was grün ist, im ewigen sandigen Wind sowieso auch bald sandfarben ist. Grün heißt, dass der sandige Boden festgehalten wird von sogenannten „Shrubs“, niedrigen Sträuchern und Krautgewächsen und vielleicht zwischendurch mal ein Busch oder ein windgepeitschter dünner Baum.

Kamel auf der Jebel Samhan Hochebene
Kamel auf der Jebel Samhan Hochebene

Für die einheimischen Ziegen und Kühe ist das ausreichend und die Hirten und Viehbauern füttern nur einmal morgens und lassen dann die Tore offen, damit sich alle über den Tag selbst versorgen können. Dazu kommen die Kamele, die genauso sind wie die Vegetation: sie überleben auch elendig lange Trockenperioden und sind genauso gefärbt wie alles hier: sandfarben. Alle Kamele und Ziegen und Rinder gehören jemandem, ziehen aber teilweise mehrere Tage alleine durch die Gegend und sind dadurch leicht verwildert. Wie man sein Kamel wieder findet, wenn es vielleicht schon seit einer Woche mit bis zu 60 km/h durch die Hochebenen unterwegs ist, bleibt mir ein Rätsel. Aber so haben wir wenigstens auch was davon, denn die domestizierten Kamele sind unglaublich menschenfreundlich und sehr neugierig. Beim Picknick am ausgetrockneten Fluss (Wadi genannt) muss man immer um sich schauen, damit einem nicht plötzlich von hinten über die Schulter das Fladenbrot aus der Hand geklaut wird. Die Kamele hier sind übrigens Dromedare, also einhöckrig, und keine Trampeltiere mit zwei Höckern. Kamele sind sie trotzdem – wie man so schön sagt: alle Dromedare sind Kamele aber nicht alle Kamele sind Dromedare.

sie waren soo vorsichtig und sanft!
sie waren soo vorsichtig und sanft!

Wenn man so einem fast zweieinhalb Meter hohen Kamel direkt gegenübersteht, kann das im ersten Moment schon ein bisschen beängstigend sein. Unsere Gäste waren nach dem ersten Aufspringen-und-Fotos-machen auch gar nicht mehr so begeistert, als die lieben Tierchen da unseren Picknickplatz stürmten. Also mussten meine Kollegin vom Fototeam und ich erstmal eine Runde kuscheln gehen, damit unsere Gäste uns glaubten, dass die wirklich wohlerzogen sind. Wenn man nicht aufpasst, schnappen sie sich dein Käppi vom Kopf oder schlabbern dir die Sonnenbrille an, aber ganz ehrlich, das machen Babys auch – und die finden wir ja auch alle niedlich.
Ich finde Kamele grandios. Was genau sich die Natur beim Design gedacht hat, weiß ich nicht, aber man hat immerhin immer was zu lachen wenn man eins rennen sieht. Und wenn sie dann direkt vor deiner Nase stehen und mit der Zunge versuchen, sich die Reste deines Fladenbrotes aus den Backenzähnen zu knubbeln und dabei die Oberlippe in der Mitte aufklappt, das ist schon richtig witzig. Die Lippen sind wie bei Pferden ganz weich und sanft und sie tasten ganz vorsichtig um deine Hand herum bevor sie wirklich zubeißen. Die Nasenlöcher sind fast komplett zugeklappt zum Schutz vor Wind und Sand und fangen die ausgeatmete Luft wieder auf um die Flüssigkeit nicht zu verlieren. Aber was sie so richtig sympathisch macht, sind die langen langen Wimpern, mit denen sie so treudoof in die Gegend schauen.

Ziegenherde auf der Suche nach mehr Grün
Ziegenherde auf der Suche nach mehr Grün

Wer übrigens mal rechnen will: es gibt im Internet einen Kamelrechner, der ausrechnet, wie viele Kamele man wert ist. Das kann mal wichtig sein, denn auch heute noch sind Kamele ein Statussymbol und wenn man vorhat, ins Arabische zu heiraten, kriegen die Eltern eventuell eine beträchtlich große Herde Kamele geschenkt, dafür, dass sie ihre Tochter weggeben. (Übrigens, liebe Eltern, in unserem Fall wären es immerhin 78.) Rennen müssen die Kamele hier nicht, dafür werden sie ja in den Emiraten gerne trainiert; im Oman sind es ganz traditionell Nutz- und Lasttiere. Kamelwolle lässt sich prima als Decken und Zeltverkleidungen vernähen und Kamelmilch macht sich unter anderem sehr gut in Kamelmilchschokolade.

Blick vom Jebel Samhan auf die von Wadis durchzogene Ebene
Blick vom Jebel Samhan auf die von Wadis durchzogene Ebene

Arg viel mehr spannendes gab es tatsächlich nicht zu sehen im Oman, aber die Landschaft ist natürlich trotzdem ziemlich beeindruckend. Sobald es ein paar Tropfen regnet, füllen sich die Wadis und die Landschaft explodiert in Grün. Aber zu der momentanen Trockenzeit sieht man vor allem sehr viele verschiedene Braun- und Sandtöne im Tal. Die Wadis formen, wenn sie denn Wasser führen, die Landschaft und so gibt es sogar so etwas wie Fjorde an den Küsten und die Tiefebene wird über riesige Flächen hinweg durchzogen von den trockenen Flussbetten. Ich kann es mir ausmalen, wie es zur Regenzeit hier aussehen wird, denn wenn man weiter ins Gebirge kommt und eine der Süßwasserquellen erreicht, sieht man doch einen klitzekleinen Flecken dieses satten Grüns direkt am Ufer. Also heißt es mal wieder: muss wohl nochmal wiederkommen.

"Schatzkammer", aber eigentlich ein Königsgrab, in Petra
"Schatzkammer", aber eigentlich ein Königsgrab, in Petra

Nochmal hinkommen muss ich wohl auch nach Jordanien, denn anderthalb Tage reicht wie immer nicht mal, um wenigstens einmal schön an der Oberfläche zu kratzen. Aber es war ein glückliches Scout-Team, das sich zum arabischen Kaffee traf in der Wüste von Wadi Moussa, denn Chef Tobi schickte uns alle, die es noch nie gesehen hatten, nach Petra. Wer es nicht kennt: Petra ist eine uralte Stadt in der Wüste, die vermutlich im vierten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung eine sehr wichtige Handelsmetropole am Knotenpunkt der Karawanenrouten zwischen Ägypten und Syrien und zwischen Mittelmeer und Oman. Die Tempel und Gebäude wurden größtenteils direkt aus dem Fels gehauen, von oben nach unten, also war das eine extreme architektonische Leistung. Ganz berühmt ist ein Grabtempel direkt in der Fassade eines schroffen Felsens, der nur zugänglich ist durch den „Siq“, eine schmale Schlucht, die von Hand in den Berg gehauen wurde. Damit bei plötzlichen Regenfällen die Stadt nicht überschwemmt und das Wasser sinnvoll genutzt werden konnte, wurden am Rand der Schlucht Wasserrinnen aus dem Stein gehauen, die das Wasser kontrolliert in die Stadt leiteten.

Wohnhöhlen in Petra
Wohnhöhlen in Petra

Ziemlich beeindruckend, das mal zu sehen, aber nächstes Mal komme ich früh morgens, wenn nicht noch 672 AIDA-Gäste mit dabei sind. Durch Petra läuft man zu Fuß, aber wenn man nicht mehr kann oder will, gibt es auch zweirädrige Kutschen, die ultraschnell durch die enge Schlucht rasen, sodass man alle paar Minuten aus dem Weg hüpfen muss. Nebenher rennen Männer mit ihren Eseln und kleine Jungs, die Steine für ein Dinar verkaufen. Alles ist unglaublich laut und hektisch und in meinen Augen büßt so ein faszinierender Ort doch sehr viel seiner Magie ein, wenn man dauernd angesprochen wird, ob man nicht eine Kutsche braucht, oder ein Foto mit dem Kamel machen möchte, oder dringend einen Ehemann sucht.
Ein bisschen besser wurde es, als wir erstmal die sogenannte „Schatzkammer“ hinter uns gelassen hatten, wo die meisten hin wollen, und hinter der Schlucht weiterschlappten in die offenere Landschaft, wo auf allen Seiten aus den Felsen irgendwas cooles gebaut wurde. Da sind Stufengiebel zu sehen und Treppen und Wohnhöhlen und Gräber, sehr imposant und für mich eigentlich noch viel beeindruckender als die Schatzkammer, die man dauernd irgendwo auf Postkarten sieht.

Sandsturm überm Roten Meer
Sandsturm überm Roten Meer

Jordanien galt für einen Großteil der Crew als „letzter schöner Sonnentag“, denn mit der Passage des Suez-Kanals erwarten wir einen spürbaren Temperaturunterschied, wenn es danach ins Mittelmeer geht. Im Oman war das Wetter noch sonnig und schön, aber auf der dreitägigen Überfahrt nach Aqaba merkten wir schon deutlich, dass sich die Gefilde ändern. Quer durchs Rote Meer ging es und einen halben Seetag verbrachten wir im Sandsturm. Das Crewdeck wurde gesperrt, die Gäste wurden vom Pooldeck verscheucht und die ersten Beschwerden gingen nach zwanzig Minuten ein, dass man schon nicht das Pooldeck benutzen dürfe und nun sei auch noch der Balkon voll Sand – ob nicht mal jemand saubermachen kommen könne? Ach ja, unsere Gäste sind schon witzig manchmal.
Ich fands grandios – die Bugkamera zeigte noch unser Fähnchen am Bug vorne und sonst nur, was wir an Land schon dauernd sahen: Sand. Der Blick aus unserem Bullauge bestätigte, was alle ahnten: der Horizont war einfach nicht mehr da und die Welt würde bald untergehen. Wir haben trotzdem überlebt und wer kann schon von sich behaupten, während eines Sandsturms auf dem Roten Meer unterwegs gewesen zu sein?

Die Kollegen meinen, er will knurren. Ich meine, er sagt "Cheese".
Die Kollegen meinen, er will knurren. Ich meine, er sagt "Cheese".

Dann der Schock nach dem Anlegen in Aqaba: die Brücke gab den Wetterbericht für Petra am nächsten Tag heraus und wir waren nicht begeistert. Es sollte 6 bis 12 Grad in der Felsenstadt haben. Chefin Claudi sprintete sofort los zum Schneider und besorgte und dicke Jacken in den uralten Farben der Scout-Uniformen: Orange und – Überraschung! – Sandfarben. Dazu gab es die schicken Fliesjacken aus dem Shop, am Morgen von Petra statteten wir uns alle aus mit Zwiebelkleidung vom Allerfeinsten, nur um dann in Petra schier einzugehen vor Hitze. Bei 24 Grad schnauften wir uns zu den ersten Toiletten, um endlich alle unnötigen Lagen abzulegen und schleppten uns daraufhin natürlich halb zu Tode an unseren Rucksäcken voller Klamotten. Aber so hatten wir jedenfalls noch einen richtig tollen warmen Tag in der Wüste, bevor wir bald endlich wieder ein bisschen mehr Grün sehen, aber so besonders wie Petra kann die griechische Architektur eigentlich nicht mehr werden. Naja, wie immer im Leben hat halt alles immer seine positiven und seine nicht so positiven Seiten. Ich freu mich trotzdem, vor allem auf den Suez-Kanal, der war ja irgendwie nochmal so ein kleines Highlight dieser Reise für mich. Wir sind jetzt auf dem Weg da hin, vermutlich werden wir erst spät heute abend am Sammelplatz ankommen, wo wir uns melden um dann am frühen Morgen in einen nordgehenden Konvoi eingereiht werden.

 

Noch haben wir übrigens nichts von Piraten mitbekommen, außer dem einen Kamelführer in Petra, der mit langen Haaren und dunkelrotem Arabertuch auf dem Dötz und Ohrring und dunkel gekohlten Augen haargenau aussah wie Captain Jack Sparrow im Fluch der Karibik … und der als einer der wenigen Kamelführer dort nicht um meine Hand angehalten hat. Schade ;)

 

 

 


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