Endlich zurück in einer Sprache, die ich besser kenne als Portugiesisch – und dann ist Spanien ja auch noch so schön! Die blu fährt nur einen spanischen Festlandhafen an, der Rest sind alles Inseln der Kanaren, die ja eigentlich sehr viel näher am afrikanischen Kontinent liegen als am europäischen. Aber bin ich dann jetzt in Europa oder in Afrika?
Europäisch wirken tut es jedenfalls auf den meisten unserer Inseln. Da ich Sevilla vor ein paar Jahren erst unsicher gemacht hab, durfte ich in unserer Hafenstadt Cádiz bleiben. Als Hafen ist Cádiz richtig toll, von der Pier kommt man fußläufig in die Stadt und das ist für Gäste und Crew natürlich gleichermaßen vorteilhaft. Für uns ergibt sich auf dieser Route tatsächlich nicht allzu oft die Gelegenheit, privat rauszugehen. Die Tage sind alle recht ähnlich: ab morgens Ausflug bis zum frühen Nachmittag, dann ein-zwei Stündchen frei und abends Schalter. So richtig bin ich in die Routine der blu und der Kanaren-Route noch nicht reingekommen, irgendwie ist hier alles anders. Ganz besonders auffällig: es beschwert sich einfach keiner. Wo wir im Mittelmeer jeden Abend nach den Rom-Ausflügen immer die Türen eingerannt bekamen wegen blöden Reiseleitern und schlechtem Essen und defekten Booten und versprochener, aber nicht vorhandener Aussicht, und zu langer Schlange am Petersdom, da kommt hier ab und an mal einer und sagt „Mensch, das war ja schön, was sie uns da empfohlen hatten!“ Verrückt, echt. Bringt mich total aus dem Konzept, dass ich keine Beschwerdegespräche am Schalter führen muss. Die Gäste scheinen insgesamt erheblich ausgeglichener zu sein auf den Kanaren als im westlichen Mittelmeer. Oder vielleicht liegt es dran, dass nach Weihnachten der Vorweihnachtsstress nachgelassen hat? Oder dass es bei einem Durchschnittsalter von 60 Jahren für die meisten an Bord nicht das erste Mal auf den Kanaren ist und sie wissen auf was sie sich einlassen?
Wer weiß, jedenfalls ist das Wetter auch nur geringfügig besser als auf der Perla. Es stürmt unglaublich doll und wir schätzen uns sehr glücklich wenn es mal richtig Sonne hat. In Cádiz war so ein glücklicher Tag, es ging eine leichte Brise und die Sonne strahlte mit den Gästen nur so um die Wette. Cádiz ist so eine typische andalusische Stadt, genau wie ich sie erwartet hatte. Aber ganz besonders wurde der Tag dann doch noch, denn es ging in eine echt originale Flamencobar, wo ganz typisch ein gutaussehender junger Latino Gitarre spielte und ein alter dicker Spanier sang, während drei Grazien den Flamenco tanzten. Das ist ganz schön laut, wenn man direkt neben den hölzernen Bühnenbrettern sitzt, damit hatte ich gar nicht gerechnet. Flamenco ist eigentlich ein bisschen ähnlich wie Stepptanz, da wird ganz viel gestampft und geklatscht und geklackert. Für meinen Geschmack schauen die aber immer zu streng beim Tanzen, die gucken immer so grimmig in die Gegend, wobei das vermutlich eher leidenschaftlich als böse sein soll…naja.
Um keinen allzu großen Kulturschock zu bekommen nach Lissabon und Cádiz ging es danach ganz schnell nach Fuerteventura zum Strand. Natürlich Wind und kalt und Regen, aber hier ist halt trotzdem
auch irgendwie Januar und das geht schon irgendwie klar so. Corralejo ist so ein typischer Ort, in dem ich vermutlich nie freiwillig Urlaub machen würde – überall Touristen und die Strände voll
mit Strandbars und Windsurf-Schulen und gefühlt spricht jeder Deutsch. Aber nebenan sind die „Dunas de Corralejo“, die riesige Wanderdünen, da fühlt man sich ein bisschen wie in der richtigen
Wüste, nur ist der Sand hauptsächlich von zerriebenen Muscheln und kommt gar nicht per Wind aus der Sahara, obwohl die so nah ist. Nur Strand ist ja nicht so meins, vor allem nicht in Uniform und
mit meinem unförmigen Rucksack und so vielen AIDA-Gästen in der Nähe, die einen erkennen.
Dann doch lieber die kulturellen Ausflüge auf den anderen Inseln. La Palma konnten wir gar nicht anlaufen, weil es so extrem gestürmt hat, dass wir aus dem Hafen von La Gomera nicht rauskamen und
sogar über Nacht liegen blieben. Obwohl unser Kapitän kein begabter Redner ist und seine Durchsagen sich immer anhören, wie aus einem Märchenbuch vorgelesen, konnte er unsere Gäste schnell und
effizient davon überzeugen, dass die Umroutung nicht Schuld der Scouts oder der Rezeption ist, sodass die Stimmung an Bord verhältnismäßig ungetrübt blieb.
Es gibt schöneres als La Gomera als Overnight-Hafen, aber eine Kreuzfahrt ist kein Wunschkonzert. San Sebastián ist zwar der Hauptort der Insel, aber hat nicht wirklich was zu bieten und die
Ausflüge gehen entsprechend weiter ins Inselinnere. Es ist super grün auf La Gomera und sehr bergig. Außer Bergen und Tälern gibt es eigentlich nicht wirklich was. Die meisten Berghänge, an denen
man auf den Haarnadel-Serpentinen vorbeikommt, lassen noch die alten Terrassenfelder erahnen, die früher überall angelegt wurden. Da es sehr feucht ist in den höheren Lagen, gab es perfekte
Bedingungen für den Getreideanbau und das ging nun mal nur auf flachem Boden, also wurden überall diese Felder direkt am Hang angelegt. Die Bewirtschaftung war aber so aufwendig und ermüdend,
dass jeder sofort die Chance ergriff, im Tourismus sein Geld zu verdienen, wenn sie sich ihm bot.
Die kleinen Dörfer, die man im Hinterland noch findet, sind natürlich auch sehr abhängig vom Aussehen der Landschaft: es ist überall so steil, dass die Häuser eher über- als nebeneinander gebaut
wurden und teilweise nur mit schmalen Fußwegen und Treppen erreichbar sind. Dabei stabilisieren sich die Häuser gegenseitig, um nicht am Hang abzurutschen. Straßen gibt es nur ganz sporadisch
neben den großen, die die Insel durch die Mitte queren.
Neben den brachliegenden Terrassenfeldern sieht man überall Palmen stehen. Datteln werden aber nur ganz wenig geerntet, der größere Wirtschaftszweig ist der sogenannte Palm-Honig. Sobald eine
Palme ausgewachsen ist, kann monatelang der Palmsaft gewonnen werden, indem man die unteren Palmwedel abschlägt, eine Art Trichter in den Stamm haut und den Saft einfach laufen lässt. Drunter
hängt ein Eimerchen, das den Saft auffängt und solange man vor Sonnenuntergang den Trichter rauszieht, kann man am nächsten Tag einfach weiter machen. Das geht über fünf Monate oder so und
täglich kommen da mehrere Liter Palmsaft raus, die dann eingedickt werden und eine Konsistenz bekommen, die Honig am ähnlichsten ist. Wenn die fünf Monate oder so rum sind, muss man die Palme
wieder in Frieden lassen und acht Jahre später kann man dieselbe Palme wieder bewirtschaften. Wer sich nicht dran hält und eine Palme dadurch nachhaltig schädigt oder sogar tötet, muss mit einer
horrenden Geldstrafe rechnen.
Wo keine Palmen oder Terrassenfelder sind, hat La Gomera wie auch die Nachbarinsel La Palma ganz viel Lorbeerwald, aber dazu die Tage mehr.
Der zweite große Stolz der Gomeros gilt „El Silbo“, das ist die Sprache der Einheimischen, oder war es zumindest, bis sie vor vielen Jahren so gut wie ausgestorben ist. Da die Felder an den Hängen so weit auseinander waren und die Bauern sich so kaum von einem Tal ins nächste unterhalten konnten, entwickelte sich El Silbo aus Pfeiflauten, die sehr viel lauter und weiter zu hören sind als jeder menschliche Ruf oder Schrei. Dann wich die Landwirtschaft dem Tourismus und niemand brauchte die Pfeifsprache mehr. Aber heute ist El Silbo wieder ein Pflichtfach in den Schulen und die jungen Generationen sprechen bzw. pfeifen alle fließend. Fragt mal Youtube und hört euch das an, richtig beeindruckend. Wenn man genau aufpasst, kann man sogar was verstehen, denn es sind nicht nur Pfeiflaute, sondern eigentlich normale Wörter der gesprochenen Sprache, die in Pfiffen ausgedrückt werden, man hört also Vokale raus und harte Konsonanten, und El Silbo kann in jeder gesprochenen Sprache gepfiffen werden. Uns wurde beim Ausflug „Happy Birthday“ vorgesungen und diverse deutsche Namen auf El Silbo gesagt. Faszinierend, wirklich!
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