Wenn überall meterweise Schnee draufliegt, werden unweigerlich alle Geräusche ein bisschen gedämpft. Da der Winter sich dem Ende zuneigt und die Sonne wärmer strahlt, schmilzt öfters mal die oberste Schicht Schnee, dann schneit es wieder drauf, und so weiter – also knackt und knurpselt der Schnee besonders schön, weil so viel kleine Eisteilchen drin sind. Laufen im Schnee hat so etwas extrem meditatives irgendwie, wenn man nichts hört außer seinen eigenen Schritten.
Wer nicht laufen will oder kann, hat seit jeher auf Schlitten gesetzt, um von A nach B zu kommen. Und weil man üblicherweise auch nicht ziehen will, wenn man lauffaul ist, lässt man sich ziehen. Wobei ich im Zoo in Ähtäri mit Rita einen Laufschlitten ausprobieren konnte, das war auch richtig spaßig. Ihr könnt mal googeln nach „finnischer Laufschlitten“, da sieht man gut wie das funktioniert. Julia und ich entschieden uns aber dafür, lieber gezogen zu werden, und wenn man dann auch noch süße Tierchen dazu mischt, hat man eigentlich alle Zutaten für einen gelungenen Schneeausflug. Unser Hotel stattete uns mit dick gefütterten Overalls aus, dazu gab es Sturmhauben, Lederfäustlinge mit Fleece-Inlet, dicke Socken und gigantische Schneestiefel (in meinem Fall zwei Größen über meiner regulären Schuhgröße, damit die ganzen Socken reinpassen). Gleich um die Ecke vom Hotel liegt die Olosvuoma-Huskystation, wo 350 Hunde darauf warten, an den Schlitten gespannt zu werden. Ich bin schon mal Hundeschlitten gefahren auf Spitzbergen, damals allerdings im Sommer und auf Rädern statt Kufen, weil kein Schnee mehr lag. Also war es doch etwas besonderes. Die Hunde wissen genau, wo sie hinmüssen, nämlich immer dem Ober-Musher hinterher. Das war in unserem Fall eine rotgelockte junge Frau, die mit ihrem Schlitten vorweg fuhr und die Route vorgab. Bremsen muss man aber trotzdem selbst, denn wenn die Hunde nicht gebremst werden, rasen sie einfach so lange weiter bis sie aus der Puste sind.
Der Schlitten hat einen Passagiersitz vorne, da sitzt man ganz entspannt und freut sich, wenn es mal ein bisschen achterbahnig wird sobald es über Unebenheiten im Boden geht. Wenn man der Schlittenführer ist, sieht das ganze schon ganz anders aus. Wir waren ganz froh, dass wir uns nur ums Bremsen kümmern und nicht auch noch Anweisungen rufen oder Richtungen vorgeben mussten. Den Bremsen ist wirklich schon schwer genug. Man muss praktisch permanent einen Fuß auf der Bremse haben, das ist ein metallener Zahn in der Mitte zwischen den beiden Kufen. Man steht also entweder mit dem linken Fuß auf der linken Kufe und mit dem rechten Fuß auf der Bremse, oder andersrum. Nur wenn die Hunde auf großer weiter Flur rennen, kann man die Bremse mal Bremse sein lassen und auch ein bisschen entspannen. So ein Sechserpack aufgeregter Hunde mit einem Fuß zu bremsen, ist gar nicht mal so leicht. Vor allem wenn man komplett zum Stillstand kommt, die Hunde losbellen und unbedingt wieder loswollen, muss man sich mit seinem gesamten Gewicht und beiden Füßen auf die Bremse stellen, damit es nicht einfach wieder ungewollt weiter geht.
Huskys sind so perfekt für diesen Job ausgerüstet, dass sie bei Durst einfach am Wegesrand in den Schnee beißen, und sogar ihr Geschäft können sie beim Rennen erledigen. Jedenfalls die meisten.
Einmal sind wir fast in unsere Musherin gerumst, weil ich so schnell nicht bremsen konnte wie sie anhielt. Sie sagte dann aber nur „no problem, just a spontaneous poop stop“, da war es wohl einem
zu unbequem im Laufen zu poopen.
Wenn man anhält und die Hunde haben noch genug Power, dann rasten sie total aus, bellen sich die Seele aus dem Leib und versuchen, ihren Schlitten sofort wieder in Bewegung zu setzen. Als wir
nach 15 Kilometern zurück an der Station waren, schienen sie dann alle platt und sehr entspannt und bereit für Knuddeleinheiten. Die Mitarbeiter machten sie los vom Schlitten und dann liefen sie
alle ganz von selbst zurück zu ihren Hütten. Nur einer, der darf draußen rumlaufen, er ist bekannt als der Kuschelhund, weil er so gerne gekrault wird und so freundlich ist, dass er sich ganz
fest gegen die Beine der Besucher drückt, bis die ihm die Ohren kraulen.
Die meisten haben beim Wort Husky den typischen Haushund in grau und weiß vor Augen. Wenn man auf so einer Station ist, gibt es aber wirklich alles an Farben und Formen. Einer sah aus wie ein
schlanker Wüstenhund in beige, ein anderer ganz weiß und flauschig wie ein Eisbär, der nächste pechschwarz von Schnauze bis Schwanzspitze, und dazwischen gibt es auch alles. Besonders
faszinierend war der Mama-Hund in schwarz-braun gemustert mit ihren beiden 4-Wochen-alten Welpen: der eine dunkelbraun, die andere sandfarben wie ein Golden Retriever.
An das Schlittenfahren könnte man sich echt gewöhnen. Ich verstehe absolut, dass das schon vor langer langer Zeit eine sinnvolle Art zu reisen war. Huskys können pro Tag 200 Kilometer zurücklegen
und ziehen als Gespann einen Schlitten mit bis zu 25 Stundenkilometern.
Weil das Schlittenfahren so schön war, machten wir es gleich nochmal. Diesmal noch ein bisschen weniger aufregend, aber mindestens genauso schön. Auf der Torassieppi-Farm gab es statt sechs
Hunden ein Rentier vor den Schlitten gespannt, keiner musste bremsen, sondern wir konnten uns beide ganze entspannt im Schlitten zurücklehnen mit Rentierfell im Rücken und dicker Decke über den
Beinen. Rentiere sind eher träge und stur, aber wenn sie im Konvoi unterwegs sind, klappt es mit der Richtungs- und Geschwindigkeitsvorgabe ganz gut. Der Schlitten hinter uns hatte ein besonders
nettes schmusiges Rentier – obwohl uns gesagt wurde, sie wollen nicht gern angefasst werden –, der kam immer ganz nah an uns ran und hat uns ins Ohr gepustet und gemampft und gerülpst.
Rentierschlitten ist sehr viel gemütlicher als Huskyschlitten, auch wenn die Geschwindigkeit ähnlich schnell sein kann. Da sie Herdentiere sind, bleiben sie stehen wenn der Vordermann stehen
bleibt, und rennen los wenn der Vordermann losrennt. Traben können sie auch, also hat man nicht immer ein gehetztes Tier vor sich wie bei den Hunden, die alles geben um so schnell wie möglich
unterwegs zu sein.
Rentiere fressen auch diverse Pilze und uns wurde erzählt, dass sie auch hochgiftige Pilze verdauen können durch ein Mehrkammer-Magensystem, ähnlich dem von Kühen. Weil Menschen schon immer gerne
high waren, hat man früher den Rentieren die giftigen Pilze gefüttert, dann den Urin aufgefangen und getrunken. Darin war der Pilz-Wirkstoff nur noch so konzentriert, dass er zwar eine
drogenähnliche Wirkung auf den Körper hatte, aber für den Menschen nicht mehr giftig war.
Aber ich glaube, Flechten mögen sie lieber als olle Pilze, denn die Freude war ihnen richtig anzusehen. Und wenn man mit der flachen Hand gefüttert hat, konnte man sogar mal ganz unauffällig von
unten am Kinn kraulen. Rentiere haben eine ganz flauschige Schnauze und zwar nicht nur von außen, sondern auch von innen. Die Rentiernasen können Luft bis zu einer Kälte von minus 40 Grad beim
Einatmen auf plus 38 Grad erwärmen und mit Feuchtigkeit anreichern. Rückwärts geht es genauso schnell, die warme Luft abzukühlen und die Feuchtigkeit zu entziehen, bevor man wertvolle Körperwärme
und Wasser dadurch verliert. Deswegen sieht man Rentieratem auch üblicherweise nicht so wie Menschenatem in kalter Luft.
Und noch ein paar spannende Fakten gibt es über diese faszinierenden Tiere. Zum Beispiel haben sie wie alle Paarhufer zwei Zehen, können die dank einer Membran dazwischen aber ganz weit
auseinander spreizen bei jedem Schritt, sodass sie eine besonders große Fläche unter sich haben und so weniger doll in den Schnee einsinken, also eine Art natürliche Schneeschuhe. Und als einzige
Hirschart tragen bei den Rentieren alle ein Geweih, Männlein, Weiblein und auch Jungtiere. Jedes Jahr wird das Geweih abgeworfen und dann wächst ein neues. Weibchen behalten ihre Geweihe etwas
länger als Männchen, sodass sie sich und ihr Neugeborenes verteidigen können, bis das alt genug ist für seine eigenen ersten Hörnchen. Wer das größte Geweih hat, ist der Stärkste und damit an der
Spitze der Herde. Die Größe des Geweihs kann aber jedes Jahr ein bisschen variieren. Weil Rentiergeweihe einfach so auftauchen und von alleine nachwachsen, ist es ein perfekter umweltschonender
Rohstoff und in Lappland wird viel damit gemacht. Ganze Kronleuchter aus Geweihen hängen zum Beispiel in Restaurants, oder Kerzenständer, Kugelschreiber, Besteck, Schmuck, …
Ich jedenfalls bin absolut verliebt in die süßen Fellnasen mit den Quadratlatschen!
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