Odyssee nach Südost

Vor inzwischen mehr als 12 Jahren hat es genauso angefangen: mit dem Flug von Frankfurt nach Kuala Lumpur. Damals war das der erste Flug, den ich alleine ohne Mama und Papa angetreten habe. Mann, war das aufregend! Seitdem leide ich an chronischem Fernweh – und heute bin ich wieder hier, von Frankfurt nach Kuala Lumpur.

Pattaya Beach, Thailand
Pattaya Beach, Thailand

Und obwohl doch alles so wirkte, als hätte ich es schonmal gesehen, war die Reise doch schon ein kleines Highlight. Zwei Flüge à sechseinhalb Stunden sind für mich Vielflieger nicht die Welt, aber der Spaß hat ja auch erst nach der Landung so richtig angefangen. Wobei, eigentlich ging die Odyssee zur AIDAbella ja schon mit dem Abstieg von der Perla los. Für meinen Einsatz in Südostasien benötige ich ein Business-Visum für Indien. Die haben da ganz spezielle Regelungen in Indien und sind damit eins von sehr wenigen Ländern dieser Welt, wo wir nicht einfach so von Bord gehen und draußen arbeiten dürfen. Der erste Antrag fürs Visum ging direkt nach meinem Urlaub im Orient raus, dazu muss dann der Reisepass eingeschickt werden nach München zur Visumsstelle, denn das Visum ist kein einfacher Stempel, sondern muss reingeklebt werden und das ist offenbar nicht am Flughafen möglich. Wenn man so viel unterwegs ist wie ich, fällt einem das auch tatsächlich ein bisschen schwer, den Brief mit dem Pass drinnen bei der Post abzugeben, da fehlt irgendwie ein kleines Stückchen von einem selbst, wenn der Pass plötzlich weg ist.

na Mensch...fühlt man sich ja fast wie zu Hause!
na Mensch...fühlt man sich ja fast wie zu Hause!

Diese Behörde in München braucht allerhand Unterlagen, damit sie ein Business-Visum ausstellen können. Unter anderem ein Empfehlungsschreiben von AIDA und eins von der indischen Firma. Dass ich auch in Indien weiter für eine deutsche Firma arbeite, die aber keinen Sitz in Indien hat, stellte ein riesiges Problem dar und die ganze Angelegenheit zog sich endlos hin. Zwischendurch hatte ich dann noch einen Fehler gemacht und ausversehen online einen Antrag für ein Touristenvisum ausgefüllt, was mir dann auch noch abgelehnt wurde, dann brauchten sie ein super-hochaufgelöstes Foto in einem ganz komischen Format, damit es aufs Visum gedruckt werden kann, … alles nicht so einfach.
Ich hatte mich seelisch schon drauf eingestellt, in den drei Häfen Indiens das Schiff nicht verlassen zu dürfen, da kam doch tatsächlich mit ganzen drei Tagen Puffer mein Reisepass ins Haus geschneit…puh, Glück gehabt. (Das Foto übrigens so verpixelt eingedruckt, dass es so ziemlich jede europäische Brillenträgerin in meinem Alter darstellen könnte.)

nachts kann man den Geckos beim Motten-Jagen zuschauen
nachts kann man den Geckos beim Motten-Jagen zuschauen

Dann war ich also so weit, aufsteigen zu dürfen. Der Zug nach Frankfurt war so voll, dass sie per Lautsprecherdurchsage allen Fahrgästen einen 30€-Gutschein anboten, die freiwillig aussteigen und sich eine andere Verbindung suchen wollten. Der Zug war so schwer, dass er nicht losfahren durfte. Sachen gibt’s.
Der Flug nach Muscat ging super fix rum – die bei Oman Air haben ganz neue Boeings, die statt Rollos an den Fenstern kleine Knöpfe haben, mit denen man die Verdunkelung der Scheibe in fünf Stufen regeln kann. Ziemlich grandios – man kann rausschauen ohne von der Sonne geblendet zu werden, tolle Erfindung! Dazu noch einen leeren Platz neben mir für garantiert genug Beinfreiheit, ein Traum! Und genauso ging es dann auch weiter bis Kuala Lumpur, mit leerem Platz neben mir. Und bei so einem umfangreichen Entertainment-Programm und der für Araber so typischen guten Versorgung mit Kräckern und viel Schnickschnack war an Schlafen ja absolut nicht zu denken.

Völlig übermüdet landete ich um 07:55 Uhr Ortszeit in der malaysischen Hauptstadt und dann wurde es spaßig.
08:10 Uhr: Ich verlasse den Flieger. Ich folge den gelben Schildern Richtung Gepäckausgabe. Plötzlich gibt es keine Schilder mehr. Stattdessen einen gelben Pfeil auf dem Boden in Richtung des Schnellzuges. Oookay…
08:16 Uhr: Der Schnellzug hält tatsächlich bei den Gepäckbändern. Vorher aber: Zollabfertigung.
08:20 Uhr: An den 18 Immigration-Schaltern stehen Gäste von sieben gerade gelandeten Flügen in der Schlange. Ein Schild steht am Eingang zur Schlange: „Wir bemühen uns, ab hier in etwa 50 Minuten für Sie da zu sein.“ Oh Gott.
09:00 Uhr: Der Mann am Immigration-Schalter versteht „Cruise Ship“ nicht. In Malaysia darf man nur einreisen, wenn man ein Rückflugticket vorzeigen kann. Kann ich nicht. Er hat noch nie gehört, dass er jemanden einreisen lassen darf, der sich als Seefahrer ausweisen kann. „Wait here“ sagt er.
09:06 Uhr: Der Mann kommt zum Immigration-Schalter zurück und fragt „Ship?“. Ich sage „Yes, Ship.“ Er nimmt meine Fingerabdrücke und sagt „Okay, go.“

09:10 Uhr: Unser Gepäck ist schon komplett entladen. Innerhalb von fünf Minuten habe ich meine beiden Taschen und mache mich auf den Weg Richtung Ausgang.
09:12 Uhr: Auf der anderen Seite der Tür stehen viele, viele Menschen mit vielen, vielen Schildern. Keins der Schilder trägt ein AIDA-Logo oder meinen Namen.
09:22 Uhr: Jamar spricht mich an. Er ist Hafenmitarbeiter und möchte mir helfen. Er ruft bei der Notfall-Nummer der Agentur an. Keiner nimmt ab. Ich rufe bei der Notfall-Nummer von AIDA an. „Kein Anschluss unter dieser Nummer.“
09:28 Uhr: Jamar sagt, ich soll zurück durch das Tor Richtung Gepäckausgabe, da würde vielleicht jemand für mich stehen. Ich frage die Security-Frau am Tor. Nein, ich darf nicht rückwärts durch die Immigration. „Wait here“ sagt sie.
09:30 Uhr: Der sechste Anruf bei AIDA geht endlich durch. „Tanja! Die suchen dich schon!“ Aha. Wo denn?
09:34 Uhr: Mein Fahrer findet mich. „Are you AIDA?“ fragt er. Ich nicke. „Wait here“ sagt er.
09:42 Uhr: Mein Fahrer ist wieder da. Er sagt, ich soll zurück durch das Tor Richtung Gepäckausgabe. Die Security-Frau sagt nein.
09:45 Uhr: Mein Fahrer diskutiert mit der Security. Sie winkt mich durch. Mein Fahrer sagt „Wait at immigration.“

09:52 Uhr: Es ist nicht vorgesehen, rückwärts durch den Ausgang zu gehen. Ich verlaufe mich auf dem Weg zur Immigration. Ein netter Zollbeamter sagt mir, dass ich nicht rückwärts durch die Immigration darf. Ich nicke und gehe weiter. Rückwärts.
09:55 Uhr: An der Immigration wartet mein Fahrer. Die Immigration-Leute schauen mich böse an und sagen mir, dass ich nicht rückwärts durch die Immigration darf. Mein Fahrer diskutiert. Sie winken mich durch. Meinen Gepäckwagen muss ich stehen lassen. Gepäckwagen dürfen nicht rückwärts durch die Immigration.
10:03 Uhr: Mein Fahrer führt mich zu einem zweiten Immigration-Schalter, den ich beim Gelbe-Schilder-Folgen übersehen habe. Der Schalter ist hinter einer Säule versteckt und ganz klein beschriftet mit „Immigration for transfer to board ship“. Aha. „Wait here“ sagt mein Fahrer.
10:08 Uhr: Mein Pass wird mir abgenommen und gegen meinen Seefahrerausweis geprüft. „Wait here“ sagt der Zollbeamte am Schalter.
10:18 Uhr: Ich bekomme meine Unterlagen zurück und gebe meine Fingerabdrücke ab. Mein Fahrer geht mit mir zum Haupt-Immigration-Schalter zurück. Die Immigration-Leute sagen mir, ich wäre schonmal dagewesen. Ich kann nicht doppelt durch die Immigration. „Wait here“ sagt mein Fahrer und diskutiert.
10:30 Uhr: Ich darf meine Fingerabdrücke abgeben und werde durchgewunken. Mein Gepäckwagen wartet schon auf mich.
10:40 Uhr: Mein Fahrer geht mit mir zum Auto. Wir fahren los. Ein Parkdeck tiefer bleibt er stehen, er hat vergessen zu bezahlen. „Wait here“ sagt er.
10:45 Uhr: Wir fahren los. Am Ausgang des Parkhauses bleibt er stehen, er hat vergessen, aufs Klo zu gehen. „Wait here“ sagt er.
11:00 Uhr: Wir fahren los. Elf Kilometer vom Flughafen bleibt er stehen, er hat vergessen zu tanken. „Wait here“ sagt er.

11:50 Uhr: Wir sind am Hafen von Port Kelang angekommen. Am Hafentor will der Security-Mann eine Sicherheitskontrolle machen. Mein Fahrer sagt „Ship“. Der Security fragt „Ship?“. Mein Fahrer sagt „Yes, ship.“ „Wait here“ sagt der Security.
11:52 Uhr: Der Security ist wieder da und winkt uns durch. Tolle Sicherheitskontrolle.
11:57 Uhr: Im Hafengebäude müssen wir zur Immigration. Mein Pass wird mir abgenommen und gegen meinen Seefahrerausweis geprüft. „Wait here“ sagt der Zollbeamte am Schalter.
12:12 Uhr: Ich bekomme meine Unterlagen zurück und gebe meine Fingerabdrücke ab.
12:20 Uhr: Die Schiffs-Security wartet schon auf uns, aber grade sind alle beim Mittagessen und einer muss mich an Bord begleiten. „Wait here“ sagt die Security.
12:25 Uhr: Endlich an Bord. Ich muss an der Crew-Rezeption meine Unterlagen abgeben. Vierzehn neue Crewmitglieder vor mir auch.
12:57 Uhr: Die Crew-Rezeptionistin schaut durch meinen Pass. „Ein Visum hättest du nicht gebraucht für Indien“ sagt sie.

 

 

 


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Kommentare: 4
  • #1

    Tepita (Dienstag, 27 Februar 2018 13:56)

    Grand. Absolutely grand! ����
    Wait here, Tanja. �

  • #2

    Anne (Dienstag, 27 Februar 2018 16:25)

    Wow, was hatte Dein Fahrer Glück, dass Du so müde warst und nicht selbst versucht hast, die Probleme zu lösen, das hätte das Chaos erst so richtig perfekt gemacht :-). "Wait here" ist das neue Wort der Woche.
    Viel Spaß in Asien, Anne

  • #3

    Sonja (Mittwoch, 28 Februar 2018 19:11)

    Ich hoffe, du musstest nicht dringend auf Toilette... Was für ein DRAMA.. Yes, Drama, Baby. Das Leben schreibt die besten Geschichten, ausdenken kann man sich das nicht.
    DANKE und Freude und Sonne und einiges mehr auf deiner Reise,
    Sonja

  • #4

    Flo (Mittwoch, 28 Februar 2018 22:13)

    Geniale Geschichte. Gut, dass du drüber lachen kannst und nicht daran verzweifelt bist.
    Ich hoffe, der Rest der Reise bietet Material für viele weitere tolle Geschichten..