Ein paar Stunden frei machen und in privater Kleidung unterwegs sein war ja schon immer etwas besonderes hier an Bord. Wenn es aber nicht Polo und kurze Hose sind, die man ablegt, sondern der schicke AIDA-Kugelschreiber aus der Brusttasche und die Streifen von der Schulter, ist es gleich ein noch viel besondereres Erlebnis. Wie Chef Frank versprochen hatte, durfte ich in seiner letzten Woche einen Tag sozusagen frei machen und weil in Helsinki die Radtour so super schön sein soll, war die Entscheidung recht schnell getroffen.
Abschalten kann man nirgends besser als als Schlussmann bei einer AIDA-Radtour. Ab und an ein Handzeichen nach vorne zu Anführer Micha und ein Extrablick auf die Gäste dazwischen, wenn es mal über Schienen oder Bordsteinkanten geht, aber ansonsten war es ein hervorragender fast-schon-Urlaub-Tag. Da ich in Helsinki auch als Scout noch nie einen Ausflug gemacht hatte, gab es sogar noch einiges neues zu sehen. Über der Innenstadt thront der Helsinkier Dom, der sowas wie der Mittelpunkt der Stadt ist und von dem aus man alles Innerstädtische fußläufig erreichen kann. Die meisten AIDA-Gäste fragen uns immer nur nach der Felsenkirche, die eines der Highlights ist und für viele die eine Sehenswürdigkeit, die man mit Finnland verbindet. Wir kamen mit unserer 19-köpfigen Radtruppe auch dran vorbei und ich muss schon sagen: ziemlich unspektakulär das Teil! Von innen mag sie ein bisschen imposanter sein, aber wenn man nur von außen schaut, ist es halt ein betonierter Eingang, der aussieht wie zu einer Bahnhofsunterführung. Sehr viel cooler ist die Lage Helsinkis: als Hauptstadt echt empfehlenswert – und das sage ich als Großstadt-Hasserin. Eine riesige Bucht liegt direkt unterhalb des Senatsplatzes, deren Ufer mit Marktständen gesäumt sind, wo man sündhaft teuer frisches Obst kaufen kann. Sündhaft teuer übrigens nicht, weil es so spezielles frisches Obst ist, sondern weil in Finnland einfach alles sündhaft teuer ist – oder jedenfalls so wirkt für unser deutsches Verständnis von Geldwert.
Vielleicht ist es ja doch ganz gut, dass ich nicht mehr so oft rauskomme, so muss ich wenigstens nicht so viel ausgeben und kann ordentlich sparen. Aber ein Rentier-Kebab, der auf der Zunge
zerging, musste dann doch sein, wo man schonmal in der Markthalle unterwegs ist, wo die Stände vor leckeren Sachen nur so überquellen. Auch sehr schön übrigens, dass praktisch jeder Englisch
versteht und redet, was einen Urlaub in Finnland dann doch gleich noch attraktiver macht.
Zurück zu den Fahrrädern und weiter durch die Umgebung Helsinkis ging es bei strahlendem Sonnenschein und Temperaturen, die man sich irgendwie gar nicht so richtig vorstellen kann, wenn man an
Finnland denkt. Aber auch hier ist es in den letzten Jahren wohl sehr viel wärmer als üblich. Wenn es doch mal kalt wird, sind die Finnen bestens ausgerüstet mit ihren privaten Saunen, die es im
Überfluss gibt. Es heißt, dass auf etwas mehr als 5 Millionen Finnen etwa 2 Millionen Saunen kommen. Wer keinen Platz hat für die eigene Sauna, oder viel Miete in der Innenstadt zahlt und sich
eine eigene nicht leisten kann oder will, auch für den ist gesorgt, denn entlang von Helsinkis Küsten reihen sich die Saunaboote, bei denen man sich stundenweise einmieten kann und im Boot
saunieren kann, danach hüpft Otto Normal-Finne einfach von Bord in die Bucht und ist wieder schön abgekühlt, bevor es in die neue Runde geht.
Die Finnen sind sehr kreativ, was ihre Saunakultur angeht. So gibt es im großen Riesenrad in der Innenstadt zwei Gondeln, die eigentlich eine Sauna sind und die man für sündhaft viel Geld für
eine oder mehrere Riesenrad-Umdrehungen mieten kann.
Raus aus der Hauptstadt ist man sofort in der Natur und ich muss schon sagen: wenn es hier schon so toll aussieht, wie atemberaubend muss dann erst die richtige Wildnis Finnlands sein?! Richtig
tolle Küstenstraßen entlang der richtig schicken Häuser, deren Besitzer sich bestimmt gleich zwei eigene Saunen leisten können.
Mann, war ich entspannt und platt, als wir nach fünfeinhalb Stunden zurück im Hafen waren. Das mag aber auch daran gelegen haben, dass ich bei der sogenannten Relax-Tour mit dabei war, also mit
Motor am Rad, der beim Treten hilft. Nicht, dass es wirklich bergig wäre im Süden Finnlands, aber die kleinen Anstiege, die auf dem Heimweg auch noch mit Gegenwind bewältigt werden wollten, waren
schon sehr viel angenehmer mit ein bisschen Motorkraft hinter den Pedalen.
Den nächsten Ausflug gab es gleich ein paar Tage später, auch wenn er eher unfreiwillig und ungeplant war. Wir lagen in Tallinn und fühlten uns fast wie in der Karibik an einer Pier, an deren
gegenüberliegenden Seite ein fast ebenso großes Schiff lag – fast wie damals in St Maarten, wo man zwischen den Ozeanriesen hindurch die Pier entlang musste und alles wimmelte nur so vor
Touristen. Nur war es diesmal kein Schiff von Disney oder Royal Caribbean, sondern die direkte Konkurrenz: die MeinSchiff4 lag gegenüber. Eher zufällig lief ich Tamara in die Hände, die auf der
Transreise nach New York noch auf der diva mit mir Scout war, inzwischen aber zur Konkurrenz gewechselt hat und jetzt in unglaublich unschöner Uniform in weiß, alt-orange und hellblau mit
hellbeiger Strickjacke die Ausflüge betreut. Dann doch lieber unsere popeligen Poloshirts…
Ein kurzes Pläuschchen auf der Pier, dann wollte ich eigentlich wieder zurück an Bord, aber Tamara überredete den Security, mich mit reinzulassen, also bekam ich eine private Führung über die
MeinSchiff4.
Schickes Schiffchen, in der Tat, aber eben doch ein ganz anderer Stil als unsere AIDAprima. TUI macht auf ganz elegant mit dunklem Holz, maritimen Tönen und dunklen unaufgeregten Teppichen. Es
gibt ein riesiges Theater mit Parkett und Empore – aber irgendwie halt nicht so cool wie unser offenes Theatrium, wo man kommen und gehen kann wie man mag und mitkriegt, was so abgeht, auch wenn
man sich nicht aktiv für einen Abend im Theater entscheidet. Es gibt eine Art Lounge ganz hinten im Schiff, wo man an verschiedenen Bars oder auf einem Außendeck sitzen und Aussicht genießen
kann, es gibt sogar eine Chocolaterie, in der die eigenen MeinSchiff-Pralinen hergestellt werden. Alle Bars und Restaurants sind inklusive, daher ist die gesamte Reise meist teurer als bei uns,
dafür zahlt man aber weniger extra.
Tamara nahm mich sogar mit in den Crewbereich – das wäre bei uns ja gar nicht erlaubt gewesen – und der gefällt mir tatsächlich gar nicht. Unsere Hauptstraße Nagasaki Road macht alles so schön
übersichtlich, während auf der MeinSchiff4 alles irgendwie durcheinander ist. Es gibt Crewbereiche vorne und Crewbereiche hinten, die aber scheinbar nur über ein höheres Deck miteinander
verbunden sind, es gibt ganz hässliche graue Türen und alles sieht irgendwie aus, wie man es sich auf einem Frachter vorstellt. Wo bei uns alles bunt und voll mit Bildern, Weltkarten und
Crewfotos hängt, ist dort irgendwie alles ein bisschen trist. Die Crewbar sieht komplett tot aus wenn man vorbeiläuft und die Raucher sitzen sich auf zwei Bänken in einem Glaskasten gegenüber,
fast wie im Bahnhofs-Wartehäuschen.
Also habe ich mich doch wieder verabschiedet und nicht spontan die Reederei gewechselt. Die Securitys waren ganz verwirrt, als sie mich aus dem Konkurrenz-Dampfer stapfen sahen – und vermutlich
auch, dass ich überhaupt rüber durfte. In Offiziersuniform, aber mit AIDA-Namensschild und Sonnenbrille, sehr un-TUI-haft, aber auch wenn ich ein paar schiefe Blicke an Bord zugeworfen bekommen
habe, keiner hat was gesagt oder mich wieder heim geschickt.
Dann doch lieber der kurzfristige Schiffsbesuch bei unserer kleinen Schwester AIDAcara, die letztens in Kiel nebenan am Ostseekai lag, und auf der uns mein ehemaliger Kollege und Chef Daniel über
das kleinste und älteste Schiff der Flotte führte. Nein, ich denke, es ist doch ganz gut, dass ich meine Weltreisepläne als Scout abgesagt habe und stattdessen weiter als Tour Manager auf den
großen Schiffen unterwegs sein werde. Geplant ist übrigens als nächstes die Kanaren-Route im Winter mit unserer jüngsten Schwester AIDAnova, wer also Urlaubspläne schmiedet…wieso nicht mal bei
mir vorbeischauen?
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Anne (Samstag, 10 August 2019 16:22)
War auch gerade auf der Ostsee unterwegs mit der DIVA,. eine bewusst reduzierte Reise in 7 Tagen mit 4 Stationen. Helsinki hat mir super gut gefallen, haben den Hop-on-Hop-off-Bus genutzt, der alles prima erreichbar machte und uns in allerletzter Minute aber pünktlich zum Schiff zurück brachte. Uns hat die Felsenkirche sehr gut gefallen, innen hat sie eine ganz eigene Stimmung. Liebe Besonders toll ist das Lakritz-Eis, von dem es in Helsinki sogar 3 verschiedene Sorten gibt, von denen ich aber leider nur 2 geschafft habe.
Liebe Grüße, Anne
Joachim Schwend (Sonntag, 11 August 2019 12:20)
Liebe Tanja,
dank dir auch für diesen Beitrag. In Helsinki war ich mal vor ganz langer Zeit, 100 jahre oder so. Erst mit den Pfadfindern und dann noch mal, um im Landesinnern bei einem Bauern zu arbeiten.
Schöne Stadt, und fast nie wird es dunkel.
Aber ich muss schon sagen, du fährst E-Bike und findest das auch noch gut!
Das ist ja enttäuschend. Das E-Bike ist die Vorstufe vorm Rollator! Du solltest bei deinem nächsten Ausflug darauf bestehen, ein ordentliches Fahrrad, am besten ein Mountainbike zu bekommen.
Finnland kann ich auch empfehlen, ganz viel Natur, wenig Menschen, auch viele Saunen, stimmt schon, obwohl das nichts für mich ist. Schwitzen kann ich besser auf dem Fahrrad, da sehe ich auch was. In die Sauna kannste ja nicht mal ein Buch mitnehmen.
Die Sprache ist eine Herausforderung, üksi, kaksi, kolme, maitoa, kiitos ... das wars dann auch schon. Nicht so richtig das Vokabular, um an einer Diskussion teilzunehmen. Dann doch lieber Englisch.
Damals, also vor 100 Jahren, konnten auch viele Finnen Deutsch.
Lieber Gruß, mal zur Abwechslung aus Bayern, wo ich zum Holz machen gelandet bin.
Wenn deine Mutter noch bei dir ist, grüße sie bitte von mir.
Joachim
Birgit (Sonntag, 11 August 2019 14:45)
Hallo Tanja,
das war doch mal spannend, von einem Insider einen Vergleich der Reedereien zu lesen. Sonst hört man ja nur die Bewertung der Gäste, die sich ja füe eine Seite entschieden haben und an der anderen kein gutes Haar lassen.
Auch wenn du natürlich ebenfalls für deine eigene Reederei plädierst (was ja auch so sein sollte), ging es mal nicht um kostenlose Cocktails usw.
Und ja, die Kanarenreise im Winter würde ich gerne mit meiner Mutter anpeilen, die ja ihre wegen meinem Vater damals absagen musste. Das wäre dann zu ihrem 80. ein traumhaftes Geschenk. Also sollten wir uns mal zum planen zusammensetzen, wie wärs?
Weiterhin noch eine schöne Zeit für dich an Bord und liebe Grüße
Birgit
Michael aus Fulda (Sonntag, 11 August 2019 17:35)
Die Musik von Jean Sibelius höre ich nicht so gern, weil sie bei mir keine emotionale Resonanz auslöst.
Aus Neugier habe ich seinen Namen bei Google eingegeben und fand dort den Hinweis auf das folgende sechsminütige Video, in dem seine Musik erklärt wird.
Klassik in drei Minuten: Jean Sibelius' Sinfonien 6 & 7
https://www.youtube.com/watch?v=m8PNqMGgbM8
Bei YouTube gibt es weitere Videos dieser Reihe, die das Verständnis klassischer Musik fördern sollen.
Bettina (Sonntag, 11 August 2019 19:05)
Na, du! � Machst Lust auf Helsinki �
Wann sehen wir dich mal wieder at home ?