Mainely American

Wenn man von New York ablegt um Richtung Norden zu schippern, wirkt alles danach wie die reinste Provinz. Man muss sich plötzlich gar nicht mehr den Nacken verrenken um die höchsten Häuser zu sehen und nicht mehr fürchten von einer Stretchlimo überrollt zu werden jedes Mal wenn man eine Straße überquert. Den größten Teil der Küste nördlich von New York nimmt der Bundesstaat Maine ein und die größte Stadt Portland wirkte wie ein Dorf verglichen mit Manhattan.

Portland Head Lighthouse
Portland Head Lighthouse

Die mehr als 5.500 Kilometer Küstenlinie könnte man schön vom Schiff aus sehen, denn weit weg ist sie nie auf dem Weg nach Kanada. Blöd nur, dass wir das schlechte Wetter aus New York im Gepäck hatten und so wurde es nichts mit sonnigen Tagen in der Natur nach dem vielen städtischen Grau. Portland selbst war sowieso nicht wirklich spektakulär, wobei ich ja ein großer Verfechter der Ansicht bin, dass fast jeder Ort beim richtigen Wetter wenigstens ein bisschen schön sein kann. Mit dem Bus eine Stadt anschauen ist eh eine komische Erfindung, aber ab einem bestimmten Alter der Gäste ist das eben das, was hauptsächlich gebucht wird. Wenigstens ging es noch ein bisschen raus ans Wasser und dort zum Portland Head Leuchtturm, der ganz idyllisch auf einer kleinen Felszunge sitzt und auf den Atlantik raus schaut. Seit Ende des 18. Jahrhunderts gibt es hier ein Signalfeuer und damit ist es der älteste Leuchtturm des ganzen Bundesstaates. Die gesamte Ostküste des Kontinents war mal sehr gefährlich zu navigieren wegen vielen Felsinselchen, die sehr dicht unter der Wasseroberfläche aufhören und nur bei Niedrigwasser zu sehen sind. Direkt vor dem Portland Head Light liegt also gleich der nächste Leuchtturm mitten im Wasser und man fragt sich, was er eigentlich signalisieren soll, weil man die Felsbrocken drunter nicht immer sieht.

Kennebunkport
Kennebunkport

Das wirkliche Highlight des Ausflugs war die Fahrt nach Kennebunkport, auch wenn das einer der wohl bescheuertsten Ortnamen überhaupt sein muss. Immer wenn mein Reiseleiter „Kennebunkport“ gesagt hat, habe ich übersetzt mit „der Ort“. Früher wurden hier Schiffe gebaut und über den gleichnamigen Fluss aufs Meer und entlang der Küste transportiert. Heute sieht man nur noch Reste der alten Docks entlang der Brücke, die mitten durch den Ort führt und früher aufgeklappt werden konnte, dann aber irgendwann befestigt wurde um für die Touristen angenehmer zu überqueren zu sein. Der Ort ist sehr exklusiv und schick, was man schon auf dem Weg dorthin sieht. Man fährt über diese typischen Straßen, die mir in den Sinn kommen wenn ich an die USA denke und die man üblicherweise in den Kleinstadt-Fernsehserien sieht. Jedes Haus steht einzeln mit großem Garten außenrum und überall war es jetzt schon schön halloweenig geschmückt. Die Hirsche und wilden Truthähne stehen am Straßenrand und begucken jeden Bus, der noch mehr Leute in das kleine Örtchen karrt.

George Bush Senior (rechts neben der großen Eiche hinter dem kleinen weißen Mast, er hat fürs Foto einfach nicht stillgehalten)
George Bush Senior (rechts neben der großen Eiche hinter dem kleinen weißen Mast, er hat fürs Foto einfach nicht stillgehalten)

Es wohnen nur ein paar tausend Menschen in Kennebunk, was in vier verschiedene Stadtteile geteilt wird, einer edler als der nächste. Als Ferienwohnsitz nutzen besonders viele diese Ecke, es scheint als Aushängeschild genutzt zu werden, wenn man sagen kann, dass man sein Ferienhäuschen hier hat. Das dachte sich auch die Familie Bush vor über 100 Jahren und seitdem kommen beide Präsidenten Bush mit allen Angehörigen hierher zur Sommerfrische. Der Sommersitz besteht aus drei verschiedenen Häusern, die auf einer Art Landzunge stehen, die in die Fluten ragt. Sehr idyllisch und erstaunlicherweise ohne hohen Zaun außenrum. Wir haben am Straßenrand gehalten (rein darf man natürlich nicht) und dann spaziert da George Bush Senior im Garten rum und unterhält sich angeregt mit seinem Besuch. Verrückt, zwei Präsidenten in einer Woche live gesehen! Vielleicht war der Besucher ja auch jemand besonderes, wer weiß…

Acadia Nationalpark
Acadia Nationalpark

Trotz des wirklich komischen Namens ist Kennebunkport richtig richtig schön. Zum Urlaubmachen würde ich persönlich nicht unbedingt her kommen, aber ein paar Stunden länger hätte ich locker hier verbringen können. Das Ortszentrum ist voll von kleinen Geschäften, die Deko und Kleinkram verkaufen, es gibt an jeder Ecke ein Hummerrestaurant, denn auch Maine ist Heimat der Hummerfischerei.
Die meisten Hummer kommen allerdings noch weiter aus dem Norden und da durften wir live zuschauen, als grade zufällig eins der Hummerboote vom Fang zurückkehrte. Bar Harbor heißt der Hafen, in dem wir auf Reede lagen, weil die Pier mit zwei anlegenden Tenderbooten schon absolut an der Kapazitätsgrenze ist. Auch hier sah der Ort richtig putzig aus, aber durch diversen behördlichen Krimskrams blieben uns nur sechs Stunden an Land, die wir Scouts natürlich hauptsächlich damit verbrachten, unsere dreieinhalb tausend Gäste irgendwie sortiert an Land zu bringen. Es blieb mir also leider keine Zeit nach meinem Ausflug noch Bar Harbor anzuschauen, stattdessen fuhr ich quer durch den Acadia Nationalpark, der sicherlich bei schönem Wetter auch richtig hübsch ist, aber so grau in grau war er halt wie alles andere…grau.

riesiger Adlerhorst
riesiger Adlerhorst

Mit einem kleinen Ausflugsboot ging es dann aber raus durch die Bucht, unter anderem vorbei am riesigen Horst eines Seeadlers. Die bauen ihr Nest möglichst hoch über der Umgebung, so zum Beispiel auf einer kleinen Felsinsel, die durch einen ganz schmalen Streifen Wasser vom Festland getrennt ist und so von Füchsen und anderen Räubern nicht erreicht werden kann. Ein Mann, der auf einer der größeren Inseln seine Villa hat, hatte Angst, dass sie ihm auf dem Schornstein ein Nest bauen. Die Seeadler stehen hier unter Schutz und damit kannst du auch nichts machen, wenn sie dort bauen sollten. Also stellte er einen riesigen Fahnenmast in seinen Garten mit einer runden Platte oben und siehe da, kein halbes später hatte er eine Adlerfamilie im Garten. Sein Nachbar tat es ihm nach, aber weil es nichts mehr besonderes war, so einen tollen hohen Aussichtspunkt zu haben, blieb die zweite Adlerfamilie lieber doch auf dem Schornstein und er plagt sich jetzt mit einem Nest auf seinem Haus rum.

Seehundkolonie
Seehundkolonie

Noch mehr Wildlife sieht man auf dem Weg zu den Cranberry Isles, denn es gibt weiter kleine Felsinseln, die Heimat einer riesigen Seehundkolonie sind. Egal wie das Wetter ist, die liegen halt in der Gegend rum und schauen aus diesen riesigen Kugelaugen jeden Besucher an, der die Kamera zückt. Ich freue mich immer ganz besonders über wilde Tiere, denn dann ist der Ausflugstag gerettet, egal was noch kommen mag. Egal, was passiert, solange man sagen kann „Aber wenigstens haben wir Seehunde gesehen“ ist alles in Butter. Auf der größten der Cranberry Isles, Great Cranberry Island, angekommen, gab es dann endlich den Hummerfang ganz nah zu erleben. Von den 40 Bewohnern leben praktisch alle mehr oder weniger vom Hummerfang. Während die Männer rausfahren, schmeißen die Frauen alles, was an Land anfällt. In der Touristensaison gibt es ein paar Fremdenzimmer, die vermietet werden, ein kleines Museum, eine Schule, eine Kirche, ein Kiosk und ein Postamt. Im Postamt sitzt Liz, die aufpasst, dass jeder nur seine eigene Post aus der Postbox holt, denn Briefkästen gibt es hier keine. Zweimal in der Woche kommt ein Boot von Bar Harbor und bringt eine große Kiste mit Post, die Liz dann in die Boxen sortiert. Weil so wenig los ist in ihrem Postamt, backt sie Wagenladungen an Lebkuchen, den sie dann in einen Korb in ihr Postamt legt und jeder, der mag, darf sich ein Stückchen nehmen und einen Dollar liegen lassen. Weil wir im Boot fleißig Werbung dafür gemacht haben, bin ich mir ziemlich sicher, dass alle 50 Bootsinsassen ein Stückchen geholt haben, also auch ein ganz netter Nebenverdienst.

 

 

Zurück durch den Acadia Nationalpark und wir hofften, wenigstens jetzt das Wetter hier lassen zu können, aber auch Kanada erwartete uns nicht wirklich mit Sonnenschein.

 

 

 

 


Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Melanie (Dienstag, 05 Februar 2019 11:55)

    Und jedes Haus hat eine USA-Flagge. Einfach JEDES Haus... Das fasziniert mich immer wieder. Wir Deutsche können daher bestimmt vieles, was in den USA so abgeht und aus der tiefen Verwurzelung im Patriotismus kommt, einfach nicht nachvollziehen. Für uns sinds dann die verrückten Amis mit ihren Macken.

    Und nochwas: "...wobei ich ja ein großer Verfechter der Ansicht bin, dass fast jeder Ort beim richtigen Wetter wenigstens ein bisschen schön sein kann." Wirklich?? Die Betonung muss auf dem "fast" liegen. Ich hätte da so ein paar Orte im Kopf die dein Weltbild auf den Kopf stellen würden... :-D