Im kleinsten Land der Welt

Wer hätte das gedacht: Zehn mal Rom in siebzehn Wochen und ich habe es tatsächlich einmal in den Petersdom geschafft! Der letzte Wunsch auf unserer Ausflugsliste und endlich hat es noch geklappt. Auf die Kuppel wäre ich ja sehr gerne noch gegangen, aber den Ausflug konnten wir nicht mehr anbieten, nachdem auch dort wie überall zum Ende der Sommersaison hin angefangen wird zu bauen und zu renovieren. Aber man braucht ja schließlich auch noch einen Grund, nochmal wieder zu kommen.

Abendstimmung am Forum Romanum
Abendstimmung am Forum Romanum

Wenn man in den Petersdom rein und nicht extra bezahlen will, muss man viel Zeit mitbringen. Die Schlange zieht sich manchmal komplett um den Petersplatz herum, einmal hab ich sie sogar anderthalb Mal rum gesehen, das entsprecht dann etwa anderthalb Kilometern oder so. Wenn man allerdings über die Sixtinische Kapelle in den Dom kommt, umgeht man die Schlange auf dem Petersplatz, und in die Sixtinische Kapelle kommt man am sinnvollsten durch die Vatikanischen Museen. Allein da könnte man vermutlich eine ganze Woche zubringen ohne sich zu langweilen. Aber wir haben ja schließlich nur einen Tag und müssen uns entsprechend ein bisschen spurten um so viel wie möglich in unseren kurzen Aufenthalt zu packen.

was, wenn ich euch sage, dass die Decke ein ganz einfaches Gewölbe ist? Kein Stuck, alles nur gemalt!
was, wenn ich euch sage, dass die Decke ein ganz einfaches Gewölbe ist? Kein Stuck, alles nur gemalt!

Ich habe nur einen winzigen Teil der Vatikanischen Museen gesehen. Da gibt es unzählige Galerien, denn schließlich beinhaltet die Sammlung Exponate aus über mehreren Jahrhunderthen päpstlicher Geschichte. Wenn so viele Ausstellungsstücke zur Verfügung stehen, kann man auch entsprechend viele spezialisierte Galerien füllen. So gibt es zum Beispiel eine Galerie nur für Wandteppiche, die ist richtig beeindruckend. Heutzutage wäre das schon eine Herausforderung, ein Haus zu finden mit einer Wand groß genug für so ein Teil. Wie das möglich ist, in so einer Größe so genau die Farben und Übergänge zu treffen, ist mir in der Tat ein Rätsel und vor allem: wo hatten die Platz um sowas zu weben? Dann gibt es eine Galerie nur für die Überbleibsel von antiken Statuen, denen ja meist mindestens ein Arm oder der Kopf fehlt. Fast schon gruselig, wenn man im ersten Moment denkt, da stehen ganz viele steinerne Menschen und wenn man genauer schaut, fehlt ihnen allen irgendwas. Nebenan die Galerie der Urnen und Gräberkunst. Und dann was ganz besonderes: ein ganzer Flügel der Museen ist überdacht mit einer unglaublichen goldenen Decke und die ist aber nicht mal das coolste. Die gesamte Wand ist voll mit Landkarten, handgemalt und zwar direkt auf der Wand. Der Künstler wurde beauftragt, den gesamten Flügel zu gestalten und er hat kartographiert was er eben so kannte und erstaunlicherweise sind die Ansichten von Rom ziemlich genau so wie Rom wirklich aussah damals. Stadtgrenzen und Straßen und Bergketten und die Form von Flüssen und Seen – alles haargenau wie es muss und keiner weiß, wie er das so genau konnte ohne GPS und Drohnen. Auf den Landkarten sind Notizzettel angepinnt, die Pinnnadeln und geknickten Notizzettel natürlich auch komplett handgemalt. Wahnsinn, wirklich!

Galerie der Landkarten
Galerie der Landkarten

Nach diesem winzigen Einblick in die atemberaubende Sammlung des Vatikans ging es über eine schmale Treppe in die Sixtinische Kapelle. Hier darf man keine Fotos machen, was auch irgendwie verständlich ist. Natürlich gibt es immer die Leute, die „gaaanz unauffällig“ das Handy zufällig genau so halten, dass per Selbstauslöser ein Foto der Deckenfresken gemacht wird, und wäre der Frieden der Kapelle nicht schon genug gestört durch die Hunderte Touristen, die gleichzeitig den sehr begrenzten Raum belagern, dann doch spätestens durch die regelmäßigen lauten Rufe „Silence! No photos!“ von den wachhabenden Securityfritzen, die an allen Ecken positioniert sind.
In der Sixtinischen Kapelle ist es recht warm, selbst wenn der Bereich ungenutzt ist, in dem der Kamin ist, in dem die Zettel verbrannt werden bevor ein neuer Papst gewählt wird. Wenn die ganze Welt draußen auf dem Petersplatz oder vor den Fernsehern sitzt und auf den weißen Rauch wartet, sitzen die Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle beisammen unter diesem wahnsinnigen Gemälde, das die Decke schmückt, und beraten über den nächsten Papst. Schon cool, das mal gesehen zu haben. Die Erschaffung Adams (dieses Gemälde, was man kennt mit Gott und Adam, die sich auf einer Wolke fast mit den Fingerspitzen berühren) ist tatsächlich gar nicht mal so auffällig, weil außenrum einfach so viel anderes auf dieser Decke passiert. Michelangelo hat mehr als vier Jahre für die Gestaltung der Decke gebraucht und die gesamte Decke im Stehen bemalt. Er lag also nicht auf einem Gerüst und hat über dem Kopf die Decke bepinselt, nein, er stand auf einem Gerüst und hat sich stundenlang jeden Tag den Hals verrenkt und trotzdem noch so perfekt die Proportionen und alles getroffen.

Petersplatz - verglichen mit dem Sommer praktisch menschenleer
Petersplatz - verglichen mit dem Sommer praktisch menschenleer

Zusätzlich zur Decke wurde Michelangelo auch verpflichtet, die Wand hinter dem Altar zu gestalten. Die ist immerhin um die 20 Meter hoch, also war das auch keine einfache Sache, da den Tag des Jüngsten Gerichts darzustellen. Da der Auftrag vom Vatikan und vom Papst ausging, stand ein sehr großes Budget zur Verfügung und so konnte Michelangelo die teuerste aller Farben vermehrt verwenden und den ganzen Himmel in blau malen. Nach heutigen Berechnungen macht es das zum teuersten Gemälde der Welt und aller Zeiten.
Interessanterweise wurden alle dargestellten Figuren nackt gezeichnet. Das wollte dann aber irgendjemand wichtiges nicht und dann wurden andere Maler beauftragt, die Dargestellten anzuziehen oder mit Stofffetzen oder sonstigem zu bedecken. Heute gibt es nur noch ein paar wenige der mehr als 100 gemalten Menschen, die noch ganz nackt sind. Eine Figur hat Michelangelo noch dazugefügt, die steht ganz unten in der Ecke und soll einen darstellen, der ihn immer in seiner Arbeit und Konzentration gestört hat. Für die Rache hat er ihn mit dazu gemalt, nackt, die Intimsphäre durch eine Schlange bedeckt und die Schlange beißt ihm dahin, wo es am meisten wehtut... Schaut euch mal ein Bild im Internet an, das ist wirklich ziemlich cool.

Innenhof der Vatikanischen Museen
Innenhof der Vatikanischen Museen

Die Wände rund um die Kapelle sind nicht so beeindruckend wie die Decke natürlich, aber in meinen Augen zu wenig beachtet. Da schmücken dicke fluffige Samtvorhänge an dicken Gardinenringen mit Goldverzierungen und dicken Troddeln die Türdurchgänge – natürlich komplett von Hand gemalt und trotzdem hat man das Gefühl, der kleinste Windhauch könnte sie in Bewegung versetzen. Das sind in meinen Augen ja die wahren Künstler: nicht die, die immer als Künstler betrachtet werden, sondern die, die das „Unwichtige“ malen, Bewegung einfangen und die Seele eines Ortes zeichnen. In unserer Bordgalerie gibt es einen Künstler, der Panoramaansichten vom Meer auf Leinwand bringt. Wenn man davor steht, kann man sich vorstellen, wie sich die Wellen bewegen und wie sich die Sonnenstrahlen im Wasser spiegeln, das sieht ehrlich aus wie ein Foto.

Altar und Kuppel des Petersdoms
Altar und Kuppel des Petersdoms

Von der Sixtinischen Kapelle, die von außen tatsächlich gar nicht so speziell aussieht (wenn man auf dem Petersplatz steht, würde man sie gar nicht sehen, wenn ein Reiseleiter nicht zeigen würde, wohin man schauen muss), geht es über eine steinerne Treppe über einen Seiteneingang in den Petersdom. Dazwischen liegen die Räumlichkeiten, die genutzt werden um den neuen Papst nach dem Konklave einzukleiden, damit er von der Kapelle direkt in den Dom kann und sofort nach seiner Ernennung in den offiziellen Gewändern auf den Balkon treten kann.
Der Petersdom ist schon von außen eine krasse Erscheinung, aber wenn man dann wirklich drinnen steht, fällt einem wirklich erstmal die Kinnlade runter. Wie man drauf kommt, so eine gigantische Kirche zu bauen in Zeiten, wo das Geld wirklich an anderer Stelle so viel dringender gebraucht worden wäre, geht mir bis heute nicht in den Kopf, aber ändern können wir daran jetzt sowieso nichts mehr, also genießen wir einfach mal, was wir heute davon noch haben.
In den Petersdom passen etwa 50.000 Menschen. Ich war ja schon lang nach der Sommersaison drinnen, also hatte ich schön die Möglichkeit, ein bisschen rumzuschauen ohne dass dauernd Leute im Weg rumstanden. Allein der Altar ist riesig. Wunderschön geschnitzt mit so einer Art kleiner Kuppel drüber und wenn man davor ein paar Leute stehen sieht, wird einem erstmal bewusst, wie gigantisch der Altar und damit auch die Kirche außenrum ist. Im Petersdom darf man sogar mit Blitz fotografieren, denn alle Kunstwerke, die da so rumhängen sehen zwar aus wie gemalt, sind aber eigentlich Mosaike und das teilweise bis unter die Decke in 130 Meter Höhe. Alles zusammengenommen sollen die Mosaike etwa 10.000 Quadratmeter bedecken.
Die Grabmäler im Petersdom sind geschmückt mit riesigen Statuen und Bibelgeschichten. Ich hab in meinem Leben ja nun schon wirklich viele Kirchen und Kathedralen gesehen, aber das muss man tatsächlich sagen: so langweilig die Route durchs westliche Mittelmeer für mich auch war, die Kirchen waren schon durchweg beeindruckend.

Fassade des Petersdoms mit einem der originalen ägyptischen Obelisken
Fassade des Petersdoms mit einem der originalen ägyptischen Obelisken

In einer der vorderen Ecken gibt es dann noch eine unspektakuläre zementierte Wand direkt neben dem Haupteingang zum Petersdom. Dahinter liegt die Heilige Pforte, die wird normalerweise nur zum Heiligen Jahr alle 25 Jahre aufgemacht und wer dann drei Mal durchläuft wird von allen seinen Sünden freigesprochen. Damit das nicht missbraucht wird, wird die dann eben zuzementiert wenn das Heilige Jahr rum ist. 2015 hatte Papst Franziskus die Spendierhosen an und wollte allen ihre Sünden erlassen, also hat er unplanmäßig außerhalb des Heiligen Jahres die Pforte aufgemacht für ein knappes Jahr und man schätzt, dass in dieser Zeit über 900 Millionen Leute je drei Mal durch die Tür gelaufen sind.

Mit dem Vatikan nun auch von meiner Liste gestrichen komme ich auf 10 neue Länder in diesem Jahr und damit ist es nun auch wirklich wieder mal Zeit für Urlaub und Jahreswechsel. Ein letztes Mal noch zur Seenotrettungsübung in Palma und ein letztes Mal noch gemütlich bei heißer Schoki im Terminal in Barcelona sitzen und damit auch einen letzten sonnig warmen Tag verbringen, bevor es zurück in die Kälte (und hoffentlich den Schnee) daheim geht.

 

 

Aber die nächste Reise steht schon an und das Schiff hat mich ja auch bald wieder für die nächsten 10 neuen Länder. Wir lesen uns!

 

 

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Melanie (Mittwoch, 20 Dezember 2017 13:19)

    Angeblich sollen auf dem Wandbild mit den ganzen Nackten zahlreiche versteckte Symbole zu finden sein, die gegen die Kirche und den damaligen Papst gehen. Rechts oben ist zum Beispiel ein schwules Pärchen, das im Himmel abgebildet ist, während bekannte Kirchenleite der Zeit kurzerhand in die Hölle verfrachtet wurden. :-o