Nachdem unser Auslaufen aus Venedig sich verspätet hatte, musste der nächste geplante Hafen Split in Kroatien ausfallen. Schade, da soll es sehr schön sein, aber was soll man machen? Kroatien fiel ja nicht ganz aus, denn Dubrovnik stand danach auf dem Plan und wir konnten extra langsam losschippern um dorthin zu kommen und waren so gar nicht unter Zeitdruck. Ganz seltsam, so plötzlich einen unverhofften Seetag zu haben. Die Hälfte der Besatzung war im Riesenstress, noch irgendein Programm für den Seetag auf die Beine zu stellen, der Rest von uns wusste irgendwie so gar nichts mit unserer Zeit anzufangen.
In Dubrovnik war ich eine Woche zuvor angereist und hatte mich dort schon in der Altstadt umgeschaut. Ich kann mal wieder sagen: Definitiv einen Wochenendtrip wert! Der jüngere Teil unserer Gäste war ganz aus dem Häuschen, weil in den Gassen Dubrovniks viele Szenen der Serie „Game of Thrones“ gedreht wurden. Ich persönlich kann damit gar nichts anfangen, also ging ich ganz unbefangen und ohne Erwartungen durchs Stadttor, was sich anfühlt, als ginge man in ein Museum. Weil so viele Touris sich die Füße platt treten, wird der Eingang in die Altstadt über die Bogenbrücke und durch die Stadtmauer zweispurig geregelt, sodass sich keiner umrennt (was natürlich trotzdem passiert). Man erwartet irgendwie ein Tickethäuschen, aber es kommt keins. Wenn man durchs Stadttor ist, steht man schon inmitten dieser beeindruckenden Architektur, wo alles aussieht wie aus einem Guss, denn alles wurde aus dem gleichen glatten hellen Stein gebaut. Unten in der Altstadt merkt man auch, was man vom Flugzeug aus schon erahnen konnte: die Gassen sind teilweise so eng, dass man kaum zu zweit aneinander vorbei passt. Die Stadtmauer umringt eine Art Landzunge und die ganze alte Stadtbefestigung musste irgendwie auf diese Landzunge passen, also ist alles etwas gequetscht. Wäre es das nicht, wäre Dubrovnik aber wohl ziemlich langweilig. So wie es ist, drängelt man sich mit den Massen über die großen blankgeriebenen Steinplatten um immer wieder neue Winzgässchen zu entdecken, in denen ganz herzallerliebste Lädchen und Galerien warten und vor allem eine Eisdiele, die einem zwei Kugeln Eis schenkt, nur weil man ein Namensschild trägt.
Die Straßen sind voll von streunenden Katzen, aber sie werden von der Stadt versorgt, haben Körbchen in Häuservorsprüngen und auf Dachterassen und Balkonen stehen und die Restaurants stellen
Schalen mit Wasser oder Futter raus. Das macht einen großen Unterschied zu Städten wie zum Beispiel Málaga, wo es mir vor ein paar Jahren extrem negativ aufgefallen ist, wie abgemagert und
zerzaust die Straßenkatzen aussahen. Da bleibt man stehen, weil man Mitleid hat – in Dubrovnik, weil sie so knuffig sind.
Die Altstadt durchläuft man gemütlich in einer halben Stunde, aber eigentlich will man Stunden da verbringen und alle Geschäfte anschauen und besonders der alte Hafen ist beeindruckend. Perfekt
verbaut und komplett geschützt vor Wellen und Wind, während an der Kaimauer jemand Akkordeon spielt…irgendwie ist da die Welt für einen Moment mal in Ordnung. Und dann läuft man zurück und kommt
raus am Buswendeplatz, wo eine 200-Mann-starke Schlange AIDA-Gäste steht und auf den nächsten Shuttlebus wartet, und denkt ganz wehmütig an die wunderbaren ruhigen zwei Stunden zurück, in denen
man eine Jacke über dem AIDA-Shirt hatte und einfach mal kurz inkognito war.
Mit großen Schritten ging es Richtung Süden, denn wer will im Winter schon in der Adria sein? Griechenland wartete noch mit zwei mir unbekannten Häfen auf mich und damit fehlen mir nur noch sieben, bis ich den Haken hinter den einhundertsten besuchten Kreuzfahrthafen machen kann. Korfu war ganz nett, aber was eine Reiseleitung doch ausmacht! Ich meldete mich freiwillig für den einen Bus, der übersetzt werden musste und nach der neunstündigen Rundfahrt über die Insel war mir doch tatsächlich fast die Lust auf weiteres Übersetzen vergangen. Soo spektakulär war Korfu auch nicht mal und das schönste am Ausflug war die Stunde Freizeit in Korfu-Stadt, wo ich endlich meiner verrückten Reiseleiterin entkommen konnte, die einfach nicht aufhören wollte, mit Zahlen und Götternamen um sich zu werfen, mit denen ich überhaupt nichts anfangen konnte, die ich aber in ihren Augen im Schlaf hätte können müssen. Naja, es gibt eben überall Leute, die denken, dass ihre Kultur die einzig wichtige und ihr Land der Mittelpunkt der Welt ist. Wir hören schließlich auch mindestens einmal pro Reise, dass es ja wohl klar ist, dass man überall auf der Welt in Euro bezahlen kann und was uns denn einfällt, unseren Gäste zum Tauschen von Geld zu raten.
Das Highlight der „kleinen Transreise“, wie wir sie liebevoll nannten, war der letzte Hafen, bevor unsere Gäste uns verließen: Santorin. Vor ein paar Jahren war ich mit der aufgedrehten Schwedin aus dem Auslandssemester hier und viel verändert hat sich nicht. Damals war die Hauptstadt Thira schon so voll mit Touristen, aber dann einer von zweieinhalb tausend AIDAlern zu sein, die sich durch die Gassen drängen, ist eigentlich echt zum Abgewöhnen. Gut, dass es für mich zum Freizeitausflug ging, wo ich den Massen entkommen konnte. In Oia lief ich so weit, dass ich plötzlich am anderen Ende des Dorfes rauskam, wo mir in einer kleinen Galerie der Töpfer Iorgos erklärte, wie er seine hübschen Ton-Bötchen formte. Dann zurück in Thira kam schon fast ein bisschen Urlaubsfeeling auf, denn ich musste gar nicht zurück an Bord gehen, sondern durfte mit Kollege Patrick bis zum Sonnenuntergang an der Pier stehen und den Innenraum jedes ankommenden Tenderbootes mit Desinfektionsmittel besprühen.
Ja, es ist mal wieder soweit: Magendarm ist wieder da! Was so schwer dran ist, für eine Woche an Bord regelmäßig die Hände zu desinfizieren, ist mir echt ein Rätsel. Die meisten unserer Gäste denken sich wohl, wir machen das um sie zu ärgern. Wenn man abends vor den Restaurants steht und für eine halbe Stunde die Gäste bittet, einmal kurz die Hände unter das Sprühgerät zu halten, kommen sie mit den witzigsten Ausreden und man hört so schöne Sachen wie „Habe ich doch heute früh grad erst“ oder „Ich war doch nur kurz auf’m Klo!“ Stellt man sich mal für fünf Minuten in eins unserer Büffetrestaurants sieht man sofort, wie so ein Magendarmvirus sich verbreitet. Da nimmt sich einer einen Käsewürfel am Piekser, lutscht ihn genüsslich ab und piekst den nächsten Würfel damit auf, der natürlich abfällt und liegen bleibt. Da wird die Zange für die Krabbenchips links liegen gelassen und mit der bloßen Hand im Korb gewurschtelt, bis man genau den Chip findet, der groß genug fürs Hüngerchen ist. Da wischt einer mit dem Finger den Tellerrand ab, schleckt ihn ab und greift mit der selben Hand nach dem Schöpfer der Kartoffelsuppe. Und dann werden wir nachher dafür verantwortlich gemacht, dass an Bord alle krank waren. Fragt man sich schon, wie es kommt, dass es immer nur die Gäste sind, die krank werden und nur ganz selten mal jemand von der Crew, wo wir doch genauso in einer Kantine mit Büffet essen...
Neben einem echten Notfall wie Feuer oder Leckschlagen ist unsere größte Horrorvorstellung an Bord so einen Magendarmvirus nicht loszuwerden. Erst kürzlich ist eins unserer Schwesternschiffe
wochenlang mit Gastroenteritis-Level rot gefahren (wo das Crewleben echt kein Spaß mehr macht und der Gästeservice extrem eingeschränkt ist), stündlich wurde geputzt und das Schiff jede Woche
grundgereinigt. Als dann die ersten Gäste über Symptome klagten, wo sie gerade erst an Bord gekommen und noch nicht mal beim Essen gewesen waren, ließ man den Flughafen checken und siehe da: die
Bazillen wurden zurück verfolgt zu den Plastikschalen in der Durchleuchtungsröhre der Security. Das war ein Aufstand, ich sags euch. Da kann man noch so lang putzen, wenn die Leute es jede Woche
wieder neu mit an Bord bringen.
Ich versuche ja alles irgendwie positiv zu sehen, und egal wie ärgerlich es ist, seine begrenzte Zeit im Hafen mit Putzen und Einatmen halb toxischer Dämpfe zu verbringen, so ist es ja doch immer
auch ein bisschen schön zu wissen, dass wir alle einander helfen, wenn es drauf ankommt. Da unser eigener Bereich sehr klein ist, waren wir also nach der Verfrachtung der Gäste in Ausflugs- oder
Flughafenbusse eingeteilt als Putzhilfe für wer auch immer uns brauchte. Die leitende Hausdame war die schnellste und krallte sich mich und meine Kollegen zur Housekeeping-Unterstützung. Wir
wurden versorgt mit Gummihandschuhen, die so dicht waren, dass die Finger nicht mal atmen konnten – seitdem habe ich ganz babyweiche Hände, wie als wäre ich grade aus dem Dampfbad gekommen.
Während wir uns gerade auf den Weg machten auf die zugeteilten Decks schwärmte die Hälfte unserer Wäscherei-Kollegen aus mit Ganzkörper-Anzügen, Atemmasken, Handschuhen und einer riesigen Rolle
roter Mülltüten. Das war das Notfallteam, das die Kabinen reinigte, in denen Gäste mit bestätigten Magendarm-Symptomen gewohnt hatten. Die Korridore wurden abgesperrt während sie die Tür
öffneten, dann huschte die ganze Mannschaft rein, die Türen wurden von außen markiert, damit keiner von uns ausversehen reingeht, dann wurde aus der Kabine alles entfernt und in die roten
Mülltüten gepackt, was vernichtet werden kann. Decken, Kissen, Handtücher, Badematten, alles musste raus. Dann wurden die Polster und Matratzen mit welchem Gift auch immer eingeweicht und die
Kabinen für drei Tage verriegelt. Mir fiel auf, wie ich immer die Luft anhielt, wenn ich an einer solchen Kabine vorbeikam.
Uns wurden Kabinengänge zugeteilt, in denen wir die jeweiligen Housekeeper unterstützen sollten, damit das ganze Schiff in vier Stunden komplett geputzt werden konnte. Normalerweise werden die
Kabinen bis um 17 Uhr fertig gerichtet, wenn die Gäste um 11 das Schiff verlassen haben. Wenn dann plötzlich für alle Kabinen und den ganzen Rest des öffentlichen Schiffsbereichs nur vier Stunden
Zeit sind, ist das schon knackig. Also halfen wir, wo wir konnten, und zogen im Akkord Betten ab. Was da an Bergen von Wäsche zusammenkam, war der Hammer. Ich marschierte alle zwanzig Minuten den
Gang entlang und sammelte die Trolleys mit der Dreckswäsche ein, damit die zur großen Rutsche konnten, die sie in den Keller zur Wäscherei bringt. Das waren Berge, das kann man sich gar nicht
vorstellen. Später durfte ich zuschauen, wie einer kam und sich mit einem Wanderstock den Berg hinauf kämpfte um ihn von oben abzuarbeiten. Krass, was die den ganzen Tag so schaffen, da hab ich
echt Respekt vor.
Die bekommen auch ordentlich Kilometer zusammen, wenn die den ganzen Tag durch die Kabinen wurschteln und sauber machen. Und es bleibt ja nicht beim Bettenabziehen (was schon an sich anstrengend
genug ist) und Wäsche-in-Rutschen-Werfen. Teilweise sehen diese Kabinen aus, das ist nicht normal. Ich bin ja auch nicht der aufgeräumteste Mensch der Welt, aber da fragt man sich echt manchmal,
ob die Menschen gar keinen Respekt vor den Putzfeen haben, die sich jeden Tag halb tot arbeiten. In einer Kabine war der ganze Boden voll mit Schokoriegel-Papieren, in einer anderen hatte jemand
das Waschbecken mit irgendwas vollstehen lassen, das einem fast den Atem verschlagen hat wenn man reinkam. Da standen so viele Gläser rum, dass ich mich frage, ob die für die ganze Reise keinen
Housekeeper in ihre Kabine gelassen haben.
Wir jedenfalls wissen jetzt, wie viel Respekt die verdient haben – nicht nur für ihre Arbeit, sondern auch dafür, dass sie immer so unglaublich freundlich sind, wenn man ihnen auf den Gängen
begegnet. So ein Magendarmvirus ist also nicht nur schlecht, sondern schweißt eine Schiffsgemeinschaft doch auch irgendwie enger zusammen.
Nun sind also auch endlich die neuen Gäste an Bord, die natürlich schon mal gar nicht glücklich sind wenn ihr Check-In erst verspätet losgeht. Dann hatten auch noch Flüge Verspätung und Gepäck wurde in Düsseldorf vergessen. Nach dem superfrühen Start um 7 stand ich also bis kurz vor Mitternacht im zugigen Hafenterminal von Heraklion und wartete auf die letzten Flieger. Es gibt schönere Arten, seinen einen Tag in Kreta zu verbringen. Aber hey, immerhin habe ich ja doch noch was erlebt, was ich nicht kannte: den Mount Housekeep.
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