Genug Hauptstadt, auch wenn sie noch so klein ist. Tirana war ganz nett, aber ein Tag dort und der Tagesausflug nach Berat waren dann auch genug. Wir kämpften uns noch ein letztes Mal über die fancy leuchtenden Ampeln und mal wieder zum Terminali. Mit Gepäck hatten wir uns ein bisschen Sorgen gemacht, ob das Busfahren dann auch so gut funktionieren würde, aber ganz ohne Probleme stiegen wir in einen der ausgemusterten westeuropäischen Reisebusse und es ging drei Stunden in den Nordwesten Albaniens.
Genug Hauptstadt, auch wenn sie noch so klein ist. Tirana war ganz nett, aber ein Tag dort und der Tagesausflug nach Berat waren dann auch genug. Wir kämpften uns noch ein letztes Mal über die fancy leuchtenden Ampeln und mal wieder zum Terminali. Mit Gepäck hatten wir uns ein bisschen Sorgen gemacht, ob das Busfahren dann auch so gut funktionieren würde, aber ganz ohne Probleme stiegen wir in einen der ausgemusterten westeuropäischen Reisebusse und es ging drei Stunden in den Nordwesten Albaniens.
In Skodra angekommen, wollten wir erstmal in unserem Hostel mit 24-Stunden-Rezeption einchecken – die war allerdings unbesetzt. Um 12:30 schickte ich eine Nachricht an den Betreiber, darauf kam
als Antwort „In einer Stunde bin ich da“. Um 14:30 kam er dann auch tatsächlich. Willkommen im Balkan! Aber ich war darauf vorbereitet, denn wann immer bei unserer Messeorganisation was schief
geht, kommt vom Vertriebsleiter „wir machen das wie Bartul [der ist unser kroatische Regionalvertriebler] – Balkan Style!“ Und tatsächlich reduziert sich das Genervtsein und die Panik erheblich,
wenn man es einfach mal wie die Balkanesen macht, mit den Schultern zuckt und abwartet, was passiert.
Am nächsten Morgen waren wir dann allerdings doch etwas genervt, als wir fürs inkludierte Frühstück in die Küche kamen und alles leer vorfanden. Auf die Nachricht zum Betreiber kam „Nein, ich bin
beschäftigt.“ Oookay…? Immerhin hat uns booking.com die Kosten unseres selbst organisierten Café-Frühstücks rückerstattet, damit hatten wir nun auch nicht gerechnet.
Den einen Tag in Skodra mussten wir natürlich voll ausnutzen. Vom riesigen See, dem größten im Balkan, sieht man vom Ort aus leider nichts. Aber ein Urlaub nur für den See und die umliegenden
Naturschutzgebiete und Nationalparks würde sich wohl auch lohnen, was ich im Nachhinein so gelesen habe. Für uns Alte-Gemäuer-Liebhaber ging es stattdessen auf die nächste Festung, die über 140
Höhenmeter bei doch ganz ordentlicher Mittagshitze von 39 Grad über einen schönen verkehrsarmen Weg erreicht werden kann. Doof, wenn die Bussis immer morgens fahren und man genau mittags überall
ankommt, um erkunden zu gehen…
Die Kalaja e Rozafës oder Rozafa-Festung liegt ganz idyllisch am Stadtrand mit tollen Blicken auf die darunter laufenden Buna, die den Riesen-See mit dem Adriatischen Meer verbindet, und die zwei
Flüsse die südlich liegen. Es gibt eine schöne und etwas skurrile Legende zur Festung: es heißt, drei Brüder hätten die Burg gebaut, aber jede Nacht fielen die Mauern wieder in sich zusammen.
Damit die Mauern halten, wurde ihnen geraten, eine Frau einzumauern. Die Brüder machten aus, dass diejenige ihrer Frauen eingemauert werden würde, die am nächsten Tag als erste das Essen zur
Festung brächte. Weil die beiden älteren Brüder ihren Frauen Bescheid gaben, kam also die Frau des jüngsten als erste, ihr Name war Rozafa. Wikipedia fasst das ganze so zusammen: Sie nahm ihr
Schicksal hin, bat aber darum, dass man eine ihrer Brüste, einen Arm und ein Bein nicht einmauern würde. So konnte sie weiterhin ihrem jungen Kind die Brust geben, es streicheln und mit dem Bein
die Wiege schaukeln.“
Wie es Legenden nun mal so an sich haben, kann man sie glauben oder auch nicht – aber die Außenmauern stehen immerhin bis heute noch. An einigen Stellen kommt man auf die Mauern drauf und hat
einen grandiosen Blick ins Tal, zum Beispiel auch auf die Xhamia e Plumbit, die Bleimoschee, die ebenfalls ein wichtiges Bauwerk ist. Die bleiernen Kuppeln sehen von oben echt schön aus und
manchmal steht das Gelände um die Moschee nach starkem Regen unter Wasser und macht sich richtig gut für gespiegelte Fotomotive. Die Bleimoschee war die einzige der Moscheen der Region, die
stehenbleiben durfte, als alle anderen geschlossen oder zerstört wurden, als der kommunistische Herrscher in den 1960ern Albanien zum ersten atheistischen Staat der Welt erklärte.
Gegenüber am anderen Ende der Festung schlappten wir durch hohes Gras und entlang gigantischer Pusteblumen zu einem weiteren Aussichtspunkt, doch die witzigste Aussicht war direkt im Gras: hier
leben Schildkröten, wie auch immer die sich in 240 Meter über Null verirrt haben und sich ohne Wasser wohlfühlen. Rausgefunden habe ich dazu nichts.
Nach der großen Hitze auf dem Berg ging es noch eine Runde am Fluss entlang zurück Richtung Innenstadt, nachdem uns drei ältere Herren mit viel Fuchtelei klar gemacht hatten, dass wir den letzten Bus des Tages um ein paar Minuten verpasst hatten. Am anderen Flussufer scheint der „Slum“ von Skodra zu sein, die Brücke dahin wäre in Deutschland längst gesperrt oder abgerissen und erneuert worden – auch die dicken Metall-Tacker wirkten wenig vertrauenerweckend, wenn jede Holzplanke zentimeterweit hochhüpft wenn jemand drauftritt. Armut sieht man in Albanien wohl vor allem auf dem Land und innerhalb der Roma-Gemeinde und anderer Minderheiten, die nicht im Stadtzentrum leben, aber aus dem Viertel am anderen Flussufer wollten wir irgendwie auch schnell wieder weg. Albanien ist eins der ärmsten Länder Europas, was sich mit den neu geteerten Straßen und leuchtenden Ampeln in Tirana so gar nicht vereinbaren lassen will. Aber wenn man drauf achtet, sieht man doch viele Frauen an der Straße sitzen, die ihre drei Handvoll geerntete Kirschen anbieten, oder alte Männer, die für ein paar Lek anbieten, dass man sich bei ihnen auf der Waage wiegen kann – scheinbar ist es nicht üblich, eine in der eigenen Wohnung zu haben.
Auch in Skodras Innenstadt sieht man wenig Armut, außer eine Frau in Lumpen, die mit den streunenden Hunden kuschelt, die im Park rumwuseln, aber nicht anhänglich sind. Direkt um die Ecke in der Rruga Kole Idromeno ist eine richtige Fußgängerzone mit Geschäften und Restaurants, die wohl erst vor ein paar Jahren grundrenoviert wurde und richtig nett zum Flanieren ist. Hier gabs dann auch unser Ersatz-Frühstück am nächsten Morgen, bevor wir mit Sack und Pack weiterzogen. Ausnahmsweise ist das Fernbus-Terminal direkt in der Innenstadt und ein netter alter Mann, der kein Wort Englisch sprach, verstand doch irgendwie sofort, was wir suchten und half. Ein nettes Völkchen, diese Albaner!
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Joachim (Montag, 04 Juli 2022 08:34)
Liebe Tanja,
dank dir auch für diesen Beitrag.
Das was du oder dein Kollege "Balkan Style" nennt, hat mich an Irland erinnert, wo eine ähnliche Mentalität herrscht: "Three things you mustn't believe in Ireland: The meeting starts at three, the cheque is in the post, we'll go just for one."
Obwohl ich lange in Irland gelebt und gearbeitet habe, daran konnte ich mich bis zum Schluss nicht gewöhnen. du bist die Weltreisende, du kannst das, sei froh.
Gruß und Dank,
Joachim
Rita und Michael aus Fulda (Montag, 04 Juli 2022 17:32)
Die Schildkröten, die Ihr in der Festung gesehen habt, waren wahrscheinlich Griechische Landschildkröten (siehe Wikipedia). Wie schön, dass Ihr sie in ihrer natürlichen Umgebung gesehen habt.
In meiner Kindheit gab es Zoohandlungen, in denen sie als Haustier verkauft wurden. Meine Schule hielt einige und im Sommer liefen sie im Freilandgehege herum, wo man sie beim Fressen von Salatblättern beobachten konnte.. Manchmal gab es sogar Nachwuchs. Jetzt gehören sie zu den geschützten Arten, deren Handel verboten ist. Michael
In meiner Kindheit hatten wir eine große Griechische Landschildkröte „Gustav“ im Garten. Gustav musste im Ortsregister amtlich gemeldet werden. Seine Vorliebe waren rote Erdbeeren und Faulenzen in der Sonne. Rita