Wenn man erstmal an der Adriaküste ist, fällt einem das Autofahren fast schon schwer, weil es immer so viel am Straßenrand zu sehen gibt oder auf der anderen Seite über die Buchten. So zum Beispiel die winzige Insel Sveti Stefan, die nicht weit von Budva über eine schmale Landzunge mit der Küste verbunden ist und aussieht, als hätte jemand jeden verfügbaren Quadratmeter mit hübschen orange gedeckten Häuschen bebaut. Leider ist die Insel in Privatbesitz, wird heute von Hotels betrieben und ist entsprechend nicht für die Öffentlichkeit zugänglich.
Also ging es eben ohne Zwischenstopp von Budva weiter bis zu unserem Tagesziel: Kotor. Das nächste UNESCO-Kulturerbe auf unserer Liste haben wir damit abgehakt und gleich mehrere Nächte dort
verbracht. Hier kommen die Beschreibungen der Stadt kaum an die wahre Stadt ran – es ist alles so schön und beeindruckend, dass man die Kamera wirklich gar nicht mehr wegzupacken braucht. Wie so
oft haben die neuen Stadtviertel nicht viel zu bieten und sind halt einfach da, um die Einheimischen zu beheimaten. Aber die Altstadt ist wirklich spektakulär. Kotor liegt an der Bucht von Kotor,
die zwar zur Adria gehört, aber von Landseite nicht nach offenem Meer aussieht, sondern eher wie ein mehr oder weniger schmaler Fjord. Außen um die Stadt geht es auf fast 2.000 Meter die Berge
hoch und so ist die Stadt von hinten gut geschützt, weswegen schon 300 Jahre vor unserer Zeitrechnung die ersten Siedler sich hier niederließen. Trotz dem natürlichen Schutzwall wurde die
Stadtmauer nicht nur zur Wasserseite gebaut, sondern zieht sich auch im Rücken der Stadt entlang.
Diese perfekte Lage legte den Grundstein dafür, dass Kotor im 14. Jahrhundert sogar ein großer Konkurrent Venedigs war, also natürlich von den Venezianern angegriffen und zerstört wurde
Heute sieht man von den ganzen Belagerungen und Zerstörungen und Wiederaufbauten nichts mehr, die gesamte Altstadt scheint wie aus einem Guss zu einer Zeit gebaut worden zu sein. Das gleiche Erdbeben, von dem auch Albanien 1979 erschüttert wurde, traf auch Kotor und so wurde ab da vieles neu auf alt gemacht wieder aufgebaut, alles im venezianischen Stil wie es vorher war und so sieht es heute ähnlich wie Valletta in Malta aus, als hat es immer so sein sollen. Der Lonelyplanet sagt „es ist ein dramatischer und reizender Ort, an dem die Vergangenheit mit der Gegenwart koexistiert” und genauso ist es. In den alten Häuschen und engen Gässchen drängen sich kleine Shops mit handgemachten Souvenirs neben Läden der internationalen Marken. Dazwischen wurschteln sich Hunderte, wenn nicht Tausende, von Touristen jeden Tag durcheinander, um ihren Reiseleiter in den sehr unübersichtlich verwinkelten Gassen nicht zu verlieren. Und jeder versucht, nicht auf eine Katze zu treten, denn die gibt es hier überall. Die meisten von ihnen werden Streuner sein, aber sie werden offenbar gefüttert (oder finden genug), sehen sehr gepflegt aus und stören niemanden.
Allein der Aufstieg zu unserem Zimmer war ganz schön anstrengend mit unseren großen Koffern. Für das Auto besorgte uns unser Gastgeber einen Parkplatz, indem er sein eigenes Auto wegfuhr und wir
seinen Platz übernehmen konnten. Ähnlich freundlich und adria-typisch ging es am nächsten Tag auch bei der Rückgabe des Mietwagens zu. Da Kotor keine Rückgabestation hat, zahlten wir 20€ extra
und Miloš gab uns per Whatsapp Instuktionen. Wir parkten das Auto hinter der Tankstelle und gingen rein, um dort den Autoschlüssel zu hinterlegen. Doof nur, dass der Tankwart das gar nicht gut
fand und mit jedem Satz weniger Englisch verstehen wollte. Miloš bequatschte ihn dann über mein Handy, um ihn zu überzeugen, sagte dann zu mir „Okay, alles geklärt“ und legte auf. Der Tankwart
sagte „Okay“ und ging dann ohne ein weiteres Wort und ohne mir den Autoschlüssel abzunehmen weg.
Die Nachfrage bei Miloš brachte uns stattdessen zum nahegelegenen Hotel, wo wir freundlich empfangen wurden und die Rezeptionistin sofort bestätigte „Jaja, Miloš kennen wir.“ Und schwupps, war
der Schlüssel weg und der Mietwagen ganz offiziell zurückgegeben. Balkan-Style halt.
Bevor wir aber ein Auto ärmer waren, wollten wir natürlich den Tag nutzen und die Tipps von Freundin Melanie (ihr erinnert euch: die Dubai-Freundin vom März) und diversen anderen Bekannten, die sich schon mal nach Montenegro gewagt hatten, in die Tat umzusetzen: mit dem Auto entlang der Bucht von Kotor. Wir dachten, wir wären superschlau und wollten im Uhrzeigersinn losziehen, damit wir die Aussichtspunkte entlang der Küste immer auf unserer Straßenseite haben würden. Toller Plan, dachten wir – bis ich schweißgebadet 20 Minuten später Isi anbettelte, doch gegen den Uhrzeigersinn fahren zu dürfen. Die Straße war etwa anderthalb Spuren breit, links schön von Häusern oder Fels begrenzt, rechts nicht. Rechts hörte dort, wo normalerweise die spurbegrenzende Fahrbahnmarkierung ist, die Straße einfach auf: keine Linie, keine Leitplanke, keine Pfosten, keine Mauer, einfach Schluss-mit-Teer und einen Zentimeter über der nicht existierenden Fahrbahnbegrenzung und du liegst samt Auto im Wasser. Das waren aufregende 20 Minuten, ich sag‘s euch. Das Umdrehen erstmal geschafft, ging es mir dann sehr viel besser und wir fuhren eben doch entgegen der Uhr die Bucht entlang. Ein paar Aussichtspunkte entgingen uns, da sie leider meistens genau in der Kurve liegen und ich mich nicht traute, den Montenegrinern in die Quere zu kommen, die mit vollem Karacho die Küstenstraße entlangbretterten.
Den Frühstücksstopp gab es im ersten kleinen Städtchen entlang der Küstenstraße namens Perast. Weil der Lonelyplanet immer so perfekte Beschreibungen findet, teile ich die auch hier mit euch: „Perast sieht aus wie ein Stück Venedig, das die Adria hinuntergeschwommen ist und in der Bucht von Kotor geankert hat. Es schwelgt in melancholischen Erinnerungen an die Tage, als es noch reich und mächtig war.“ Der Ort besteht nur aus einer Straße, die direkt am Wasser entlang führt und gesäumt ist von Häusern, die mal wieder alle im venezianischen Stil aus Marmorstein gebaut wurden. Es gibt trotz der geringen Größe 16 Kirchen und 17 private Paläste im Ort. Als Teil der Bucht von Kotor gehört auch Perast zum UNESCO-Welterbe.
Ein lokaler Fischer bot uns direkt an, uns für 5€ pro Nase auf die vorgelagerte Insel zu fahren. .Wir holten uns Frühstück und als wir wieder bei ihm vorbeikamen, bot er uns an, uns für 10€ pro Nase auf die vorgelagerte Insel zu fahren. Naja…hätte ja klappen können. Wir bestanden auf unseren 5€ und waren zusammen mit zwei mittelalten Österreicherinnen mit die ersten auf dem spiegelglatten Wasser entlang von Sveti Đorđe, der zweiten Insel, die nicht betreten werden darf und praktisch komplett von einem Benediktinerkloster besetzt ist. Anscheinend soll es dort spuken, also düsten wir schnell weiter zu Insel Nummer Zwei. Gospa od Škrpjela oder „Maria vom Felsen“ ist nur 120 Meter lang und 40 Meter breit und existiert seit 1452, denn sie wurde künstlich angelegt durch Schiffe, die mit Steinen beladen und dann versenkt wurden. Ursprünglich gab es hier nur einen Felsen im Wasser, auf dem angeblich ein Abbild der Madonna gefunden wurde. Seither fahren jährlich am 22. Juli die Fischer und Bewohner des Ortes raus und werfen Steine ins Wasser, um die Insel zu vergrößern. Seit etwa 1630 steht die erste Kirche auf der Insel. Unser Fischer ließ uns eine halbe Stunde auf der Insel, in der er sich neue Mitfahrer (ganz bestimmt für 10€ oder noch mehr) suchte, dann kam er zurück und brachte uns wieder an Land. Ein schöner Ausflug, und nachdem die Österreicherinnen von ihrer abenteuerlichen Autofahrt durchs Hinterland und über Passstraßen erzählt hatten, war ich doch ganz froh, dass Isi und ich schon frühzeitig beschlossen hatten, nur auf größeren Straßen im Tal fahren zu wollen.
Weiter entlang der fjordähnlichen Küste und nach jeder Ecke hat man unglaubliche Aussichten über die Bucht. Hätten wir es nicht gewusst, wären wir an Herceg Novi einfach vorbei gefahren – wie
gesagt: die braunen Schilder haben noch Potenzial nach oben. Noch steiler als Kotors Straßen schlängeln sich die Gassen hier die Klippe entlang hoch. Man parkt oben an der Hauptstraße und läuft
dann so weit, bis man irgendwo eine Unterführung findet, von der aus man die Stufen zur Stadtmauer findet. Da der ganze Ort auf Terrassen angelegt wurde, fängt der Weg zum Wasser erstaunlich weit
oben an und immer verfolgt dich der Gedanke „Mist, hier muss ich später wieder rauf“. Ich dachte, irgendwann hätte ich mich an Stufen und steile Wege gewöhnt, aber das konnte ich eigentlich nicht
mal am Ende des Urlaubs überzeugend sagen. Ein großer Vorteil von Herceg Novi waren die sehr ebenmäßigen Stufen, denn der Ort ist der jüngste an der Adria und hat damit noch nicht so zertretene
Wege und Treppen wie Kotor.
Um nicht die ganze Bucht wieder auf der falschen Seite zurück fahren zu müssen, gibt es eine Autofähre an der engsten Stelle des Fjords. Die Überfahrt klappte erstaunlich sortiert und so
brauchten wir für die Rückfahrt sehr viel kürzer als gedacht.
Weil wir noch so viel Zeit bis zum Dunkelwerden hatten, entschieden wir uns spontan, doch noch die Kotorer Stadtmauer zu erklimmen. Sie wurde im 9. Jahrhundert angefangen und war im 14. Jahrhundert fertig gebaut als komplette Ringmauer um die Altstadt, bis zu 20 Meter hoch und 10 Meter dick. Diverse Erweiterungen und Renovierungen später ist die Mauer heute fast fünf Kilometer lang und streckt sich den Berg entlang bis auf 260 Meter über Null. Ein anderthalb Kilometer langer Weg entlang und teilweise auf der Mauer führt steil bergauf und hinter jeder Ecke sieht man ein bisschen mehr Kotor von oben. Die klügsten Stadtkatzen suchen sich hier ihren Platz im Schatten und verbringen die Mittagshitze auf der Mauer mit Blick ins Tal. Für uns gab es eher keinen Schatten, dafür aber grandiose Ausblicke, die für die Anstrengung entschädigten. Auf dem Weg liegt eine kleine Kirche und teilweise kann man sogar auf die andere Seite schauen, wo ein supersteiler Weg namens „Leiter von Kotor“ in Serpentinen den Berg raufführt, und wo doch tatsächlich mitten im Nichts zwischen Eseln und Ziegen irgendjemand ein Häuschen gebaut und eine Bar aufgemacht hat für die Verrückten, die den Weg rauf- und runterschnaufen.
Das blieb uns glücklicherweise erspart und wir begnügten uns mit ausgiebigen Erkundungen innerhalb der Stadtmauern unten im Tal. Irgendwo hab ich gelesen, dass die Altstadt als das besterhaltene
mittelalterliche Stadtgebilde im gesamten Mittelmeerraum gilt. Absolut verständlich, wenn man sieht wie schön alles zusammen passt – da vergisst man doch sogar mal, dass das meiste erst vor 40
Jahren wieder aufgebaut wurde. Die vielen Plätze und Kirchen mit verschiedenen Glaubensrichtungen sind wirklich imposant. Wir haben sogar eine einheimische Hochzeit gesehen, wo die
Hochzeitsgesellschaft auf einem der Hauptplätze tanzend und singend das Brautpaar gefeiert hat, während die Kameras der Kreuzfahrtgäste außenrum heißgelaufen sind.
Direkt um die Ecke von diesem hübschen Platz ist eines der Stadttore, das raus zur Promenade und Hauptverkehrsader der Stadt führt. Verbunden werden Tor und Platz durch einen riesigen
Gewölbekeller mit hohen Decken, wo es im Sommer sehr angenehm kühl ist und im Winter schön warm bleibt. Hier sind heute kleine Souvenirstände aufgebaut, durch die man schön bummeln kann, wenn die
drückende Hitze mal zu viel wird. Oder man macht es wie wir und reist einfach weiter. Für uns ging es weiter entlang der Küste – zu Teil Drei unserer Balkantour.
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Nancy (Mittwoch, 06 Juli 2022 22:20)
Wow!! Irgendwie erinnere mich an Italien und Kroatien wenn ich diese Fotos sehe. Traumhaft!! Von Kotor habe noch nie vorher gehört, ich werde es mir merken :D