Schon schön, wenn die Wolken nachts vom Vollmond angestrahlt werden, wenn sich die Wogen im Licht des Schiffes brechen, wenn der Mond einen hellen Fleck aufs Wasser zaubert und wenn das Meer aussieht, als fliegt es nur so neben uns dahin! Woher ich das so genau weiß? Tatsächlich: ich habe ein Fenster!
Meine Kabine ist eine ganz normale Crew-Kabine mit zwei Kojen auf Deck 2. Es gibt soweit ich weiß fünf Doppelkabinen an Bord, die in Fenster haben. Einfach so. Weil die Kabine so liegt, dass sie
ganz eng und klein ist und damit zu eng und klein für eine Offizierskabine. Aber wenn halt grade ein Fenster da ist, kann man ja nicht die schön symmetrische Außenansicht aufs Spiel setzen, nur
damit die Streifenlosen kein Fenster haben…
Etwa einen halben Meter unter meinem Fenster ist das Meer. Manchmal auch höher, aber nur wenn Wellengang ist. Eigentlich ist es auch kein Fenster, sondern ein Bullauge. Das heißt, ich muss
spurten, wenn die Durchsage kommt, dass „rough seas“ erwartet werden und alle Bullaugen auf Deck 2 geschlossen werden müssen. Das müssen sonst nur Offiziere mit genug Streifen für ein Bullauge.
Aufzuwachen und ohne auf die Uhr zu schauen wissen, ob es schon Morgen ist, ist das, was ich am meisten an Bord vermisse. Jetzt muss ich nur meinen Vorhang aufziehen und sehe ob es hell ist. Ganz
komisches Gefühl war das am ersten Morgen, das könnt ihr mir glauben.
Ich höre in meiner Kabine keine Wassertanks wie auf der Blu, sondern richtiges Wasser mit richtigen Wellen, die sanft an meine Außenwand klatschen wenn wir in Fahrt sind. Die Wellen sind ungefähr
anderthalb Meter von meinem Kopfkissen weg. Vorgestern abend war Gewitter an Land. Es war richtig eklig stickig draußen und ich konnte mir das Spektakel anschauen, ohne zu schwitzen und ohne
meine Jogginghose gegen was ansehnliches zu tauschen. Also ja, mir gefällt eine Kabine mit Fenster sehr. Dazu kommt noch eine Mitbewohnerin, die einen fiesen Ausschlag hatte und drei Tage nach
meinem Aufstieg aus medizinischen Gründen absteigen musste. 21 Tage vor dem nächsten offiziellen Crew-Wechseltag heißt das für mich erstmal: Einzel-Kabine!
Meine Kollegen sind sehr neidisch auf mich, dann erzähle ich ihnen, dass ich mich jeden Tag aufs Neue entscheiden muss, ob ich brühend heiß oder eiskalt duschen möchte, denn etwas anderes gibt es
in meiner Dusche nicht. Außerdem geht der Fernseher nicht. Und tadaa: neidische Kollegen erfolgreich beseitigt. Jetzt sind es nur noch Kollegen und die sind alle echt nett. Ich glaube, hier fühle
ich mich wohl. Wobei das Essen unter aller Sau ist. Naja, auch das geht irgendwann vorbei.
Angekommen an Bord, gab es erstmal zwei komplette Seetage. Unser sehr entspannter Tour Manager Tobi sagt dazu „zwei Tage Wochenende“. Am Seetag ist es ja nicht so, als hätten wir gar nichts zu tun. Wenn man neu aufsteigt, sind Seetage immer vollgestopft mit den sogenannten Inductions, den Einweisungen in die wichtigsten Themen an Bord. Der Bordarzt bringt Beate mit, das ist die Beatmungs-Puppe, damit wir Wiederbelebung auffrischen können. Der Security Officer (die „Seekuh“, falls ihr euch erinnert) erklärt uns, wie wir vorgehen, wenn eine suspekte Person an Bord ist oder wir eine Bombe suchen müssen. Der Safety Officer erklärt uns zum siebenunddreißigsten Mal, wie unsere Rettungsboote ausgestattet sind und was wir machen, wenn mal jemand über Bord geht. Die Envo (Environmental Officer) zeigt uns, wie man Müll trennt, denn bei uns ist ja alles streng geregelt, wo und wie wir welchen Müll wie zerkleinert und sortiert entsorgen können.
Dann gibt es an Seetagen die sogenannten Side Duties, wo wir anderen Abteilungen aushelfen, Gemälde zu verkaufen, Shop-Regale aufzufüllen, Pool-Handtücher auszugeben, Quietscheenten zu verkaufen, … Aber das coole an meinem Job sind ja die Hafentage, vor allem weil ich vor lauter Inductions überhaupt keine Möglichkeit hatte, mich wirklich auf diese ultralange Trans-Reise einzustellen und alles, was die Gäste sagen, irgendwie überraschend für mich kommt. Der nächste Hafen lässt aber ja nie lang auf sich warten und so kamen wir in der Affenhitze Thailands in Bangkok an. Thailand war ja für mich neben Indien ein kleines Highlight des Einsatzes, seit ich den Bella-Einsatz fest hatte. Die asiatischen Religionen sind so beeindruckend in ihrer Architektur, dass ich mich schon tierisch auf die ersten Tempel gefreut hatte und nach einem ganz entspannten ersten Ausflug am Abend mit Bummel durch Pattayas Straßen und thailändisch kochen (ohne eine einzige Schärfe-Träne zu vergießen) ging es am nächsten Morgen sofort los mit dem vollen Programm: neun Stunden Bangkok! Naja gut, man sitzt etwa zwei Stunden davon pro Weg im Bus auf der Autobahn, denn der Verkehr ist unglaublich. So viele Autos auf einem Haufen, dazwischen uralte LKWs, die mit Gas aus der Region laufen und einen riesigen Stapel Gasflaschen hinter der Fahrerkabine geladen haben, ganz seltsame Konstruktionen aus Jeeps mit Käfig-Aufbauen in, auf und an denen diverse Güter stehen und hängen (oder Menschen schlafen), … Faszinierend, allein dem Verkehr hier zuzuschauen.
Die Schnellstraße von unserem Hafen in Laem Chabang bis nach Bangkok rein verläuft einen Großteil der Strecke erhöht auf Pfeilern und ist wohl recht neu und so geteert, dass man in den klapprigen Bussen nicht um sein Leben bangen muss und schön in die Gegend schauen kann. Es gibt allerhand zu entdecken so direkt an der Straße. Zum Beispiel sitzt neben dem riesigen blauen Kasten mit „IKEA“ auf dem Dach ein gigantischer Affe und schaut über die Dächer der Tempelanlage, die ihm zu Ehren gebaut wurde. Die Skyline Bangkoks sieht man tatsächlich erst, wenn man schon recht nah am Zentrum ist, denn der Smog ist neuerdings sogar noch schlimmer als in Shanghai. An unserem Ausflugstag ging es ganz gut, trotzdem hängt eben von außen gesehen immer diese Dunstglocke über der Stadt. Wie man bei 38 Grad und 75% Luftfeuchtigkeit da überhaupt noch atmen kann, ist mir ein Rätsel. Sobald man den klimatisierten Bus verlässt, klebt alles. Das geht dann auch nicht mehr weg, bis man wieder im Bus sitzt. Aber die mehr als acht Millionen Einwohner scheinen irgendwie damit klar zu kommen, dein Einheimischen schwitzen einfach irgendwie anders als wir.
Neben den Hochhäusern im Banken- und Wirtschaftszentrum Bangkoks gibt es die kleineren, aber viel spannenderen, Stadtviertel, durch die man mit dem Bus kommt. In Chinatown gibt es einen Elektronik-Laden neben dem nächsten. Die Asiaten sind manchmal komisch, und so stehen sie zum Beispiel so sehr auf Walkie Talkies, dass sich allein in einer Straße drei Geschäfte halten können, die sich auf den reinen Verkauf von Funkgeräten und –zubehör spezialisiert haben. Nebenan in Little India entsprechen dem die Schneidereien, denn wer was auf sich hält in Bangkok, trägt nur maßgeschneiderte Kleider und Anzüge zur Arbeit. Direkt an den Straßen stehen alle paar Meter die Roller-Cafés, also Motorroller mit so umfunktioniertem Beiwagen, dass Kaffeemaschine, Kühltruhe, Ventilator, Kochplatte und/oder Grill und natürlich bunt gemusterter Baldachin drauf passen, während nebendran noch einer das Gefährt lenken und fahren kann. Und plötzlich hört die Straße auf und man steht mitten in dieser fürchterlich hektischen und lauten Stadt in einem der über 400 Buddha-Tempel. Kein Wunder, dass jedes Jahr um die 18 Millionen ausländische Touristen nach Bangkok kommen, wenn es an jeder Ecke was zu entdecken gibt.
Erster Stopp war für mich und meine schwitzende Gruppe Wat Traimit – „Wat“ bedeutet „Tempel“, also steht auf jedem zweiten Straßenschild irgendwas mit „Wat“. Übrigens sind in der Stadt fast alle
Straßenschilder auch in Englisch beschriftet, Autofahren würde ich in Bangkok aber doch lieber sehr ungern selbst.
Im Wat Traimit gibt es ganz viele kleine Schreine und Altare und ganz viele kleine Stände, die Opfergaben verkaufen. Das fand ich schon in Singapur vor ein paar Jahren seltsam, dass man nicht
etwa was eigenes mitbringt und seinen Göttern opfert, sondern dass man an einen Kiosk geht, Geld für einen Becher Wasser ausgibt und den dann auf den Altar stellt. Aber naja, jeder wie er’s
kennt…
Mitten auf dem Gelände führt eine Treppe hinauf zum eigentlichen Tempel (weil wir ja noch nicht genug schwitzen) mit einem sehr beeindruckenden goldenen Spitzdach und da drinnen sitzt das, was
den Tempel ausmacht: der Goldene Buddha. Witzige Geschichte: der Buddha ist schon um die 700 Jahre alt, aber man hat ihn erst in den 1950ern entdeckt. Irgendwann während seiner Existenz wurde der
Buddha eingegipst (warum auch immer) und war nicht sonderlich schön anzusehen. Als Bangkok Hauptstadt wurde, ließ der König („Rama“) aus dem ganzen Land Buddha-Statuen in seine tolle neue Stadt
bringen. Der nicht sehr schöne Gips-Buddha wurde einem kleinen Tempel am Flussufer überlassen, der ihn Jahrzehnte lang ungeschützt in Wind und Regen stehen ließ, sodass er immer unansehnlicher
wurde. Dann sollte irgendwann am Flussufer eine große Fabrik gebaut werden, das Gelände vom Tempel wurde plattgemacht und der Gips-Buddha wurde in einen Tempel in Bangkok gebracht. Erst als er
dann vor etwa 60 Jahren bei Bauarbeiten versetzt werden sollte, kam es zu einem kleinen Unfall, die Gipsmaske zersprang und man fand den Buddha aus über fünf Tonnen Gold, der drinnen versteckt
war.
Gigantische Massen an Menschen drängeln sich durch diese Tempelanlagen der Innenstadt. Aber nirgends war es so schlimm wie am Königspalast, wo das Nationalheiligtum aufbewahrt wird. So beeindruckend das auch klingen mag, eigentlich ist es bei weitem nicht so toll wie eine 700 Jahre alte fünf Tonnen schwere Buddha-Statue. Aber wenn man schon mal da ist… Auf das Gelände des Königspalastes durfte man als Tourist früher gar nicht, aber seit der letzte Rama Bumiphol beschloss, nicht mehr dort zu leben, sind große Teile des Palastes für die Öffentlichkeit aufgemacht worden. Schon vor den Toren konnte man die Kamera kaum aus der Hand legen, denn über die strahlend weißen Außenmauern sieht man schon allerhand Türmchen, Spitzdächer und Pagoden. Auf Schritt und Tritt wird man von seltsamen Fabelwesen und Götterstatuen begleitet, die alle irgendwie niedlich sind und freundlich in die Gegend schauen. Mit ganz viel Gold ist alles verziert, die Dächer genauso wie die Wandgemälde, Säulen, Statuen und Schreine. Und dann kommt man zur Halle des nationalen Heiligtums, von dem man auch kein Foto machen darf, weil es so besonders ist. Sehen tut man es nur, weil es in mehreren Metern Höhe auf einem Altar sitzt und man durch die ganzen Köpfe rein gar nichts sehen könnte. Der Smaragd-Buddha – warum jährlich tausende Einheimische und noch tausend mal mehr Touristen in den Königspalast strömen – ist nur einen halben Meter groß, den Sockel mit eingerechnet. Er ist nicht wirklich aus Smaragd, sondern aus Jade, aber da zur Zeit seines Fundes der einzige bekannte grüne Edelstein der Smaragd war, wurde er eben so genannt. Von der grünen Farbe konnte ich nur das Gesicht sehen, denn der Buddha hat ein Gewand an (könnt ja mal Google fragen nach einem Bild). Das wird drei Mal im Jahr gewechselt, zu jeder Jahreszeit (die heiße, die kühle und die regenreiche Zeit) gibt es ein anderes Kleidchen und wir waren dort am letzten Tag der kühlen Zeit. Klar, hatte ja auch nur 38 Grad.
Ein letzter Stopp, bevor es wieder zum Hafen ging: Wat Pho, ein Kloster. Auch hier wieder erstaunlich, wie man mitten in der Millionenstadt Bangkok steht und kein einziges Auto hört, obwohl die
Straße direkt um die Ecke ist. Aber in diesen Tempelanlagen ist man wie in einer anderen Welt, es sieht alles total unwirklich aus. Das Gelände von Wat Pho gilt als Königlicher Tempel Erster
Klasse, d.h. es wurde zuletzt vom König selbst gebaut oder erweitert und enthält eine oder mehrere sogenannte Chedis, das sind diese kleinen aufgetürmten Haufen aus Blumen, Stuck oder kleinen
Götterabbildungen. Erstklassige Tempel gibt es nur 18 in Thailand, also ist das schon was wirklich besonderes, einen sehen zu können, wenn man nur einen Tag dort ist.
Im Haupttempel der Anlage liegt dann das, was jeder sehen will: der Liegende Buddha. Der sieht sehr entspannt aus, wie er da rumchillt, einen Arm unter den Kopf gestützt und die Beine
ausgestreckt. Knapp 50 Meter ist er lang und 15 Meter hoch. Wer auf die Idee kommt, sowas zu bauen, ist mir ein Rätsel, aber wenigstens haben wir so etwas zu bestaunen.
Und obwohl so ein Tag in Bangkok unglaublich anstrengend ist, will ich gerne wiederkommen um noch mehr zu staunen.
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