Ich persönlich kann es ja gar nicht so richtig glauben, dass es wirklich drei Jahre her ist, dass ich zum ersten Mal einen Fuß auf die Gangway eines AIDA-Schiffes gesetzt habe – und einigen von euch geht es vermutlich auch so, denn ein paar meiner Leser begleiten mich und mein Geschreibsel tatsächlich schon die ganzen drei Jahre lang oder sogar noch länger. An dieser Stelle muss also auch mal ganz fix ein kleines Dankeschön sein für die jahrelange Treue. Ihr wisst ja: Ein Schreiberling ist nur so gut wie die Unterstützung, die er fürs Schreiben bekommt. Ohne euch wäre das hier also kein Reiseblog, sondern ein einfaches Tagebuch und im Tagebuchschreiben war ich noch nie gut – wie mein allererster Tagebucheintrag von 1999 beweist: „Liebes Tagebuch, heute habe ich dich zu meiner Kommunion geschenkt bekommen. Gute Nacht, deine Tanja“.
Ja, es ist in der Tat so, dass ich auf den Tag genau drei Jahre nach meinem ersten Aufstieg zurück bin auf „meinem“ Schiff, auf AIDAprima. Der siebte Mai war dieses Mal sehr viel entspannter, wenn denn ein Aufstiegstag jemals wirklich entspannt sein kann. Es war kein Hafengeburtstag in Hamburg (oder vielleicht doch…jedenfalls war ich nicht dabei), es war keine Schiffstaufe und es war vor allem kein neuer Job. Wobei, irgendwie ja dann doch, denn endlich wurden meine Wünsche erhört und ich bin nach drei Jahren Scout-Sein endlich das Poloshirt los. Drei Jahre später sitze ich hier stattdessen in weißer Bluse mit Streifen auf der Schulter und durfte endlich die schlecht sitzende Bauarbeiterhose gegen eine schlecht sitzende Offiziershose eintauschen. Ich bin gespannt, was mich erwartet, denn bis auf die fünf einzelnen Tage, die ich auf AIDAblu mal für die ausflugsliebenden Chefs eingesprungen bin, war ein eigener Schreibtisch für mich eine extreme Seltenheit. Jetzt hab ich ihn endlich, den eigenen Arbeitsplatz mit meiner eigenen (Un-)Ordnung und meinem eigenen Schokoladenvorrat in der obersten Schublade und einem PC, der passwortgeschützt nur für mich zugänglich ist und den ich mir nicht mit fünf bis elf anderen teilen muss.
Übernehmen tu ich den Schreibtisch und alles was dazu gehört von Kevin, der schon einmal mein Chef war und mir schon vor meinem Aufstieg ganz viel Mut für die neue Position gemacht hat. Denn auch
wenn ich weiß, dass ich den ganzen Bürokram einigermaßen gut kann und wirklich intensiv eingelernt wurde, so ist es eben doch was neues und ein bisschen Bammel und Aufregung gehört halt wie bei
jedem neuen Job dazu.
Angekommen in meiner alten Schiffsheimat musste wie immer erstmal die Bürokratie abgefrühstückt werden: Dokumente wollten eingereicht, Pässe gecheckt, Pin-Nummern eingerichtet, Kreditkarten
hinterlegt und unvorteilhafte Crewkarten-Fotos geschossen werden. Jetzt habe ich zwar schon den neuen Posten als Tour Manager auf meiner Crewkarte stehen, aber weil Kevin ja noch offiziell da
ist, habe ich eine Mitarbeiter-Nummer, die eigentlich einem Taucher gehören würde – aber in diesen Gefilden und zu dieser Jahreszeit haben wir keine Taucher an Bord. Für den Notfall bin ich dann
also jetzt die nächsten 10 Tage im sogenannten Supply-Team, das heißt, dass ich dem Feuerwehr-Team helfe, die Sauerstoffgeräte anzuschließen und die Wasserschläuche anzuschließen und auszurollen.
Die sollen unglaublich schwer sein, wie ich das schaffen soll, denen irgendeine Hilfe zu sein, weiß ich beim besten Willen nicht. Aber vielleicht habe ich ja Glück und es kommt zu keinem
wirklichen Notfall außerhalb dessen in unserer Übung übermorgen.
Eigentlich sollten diese Hochseeriesen ja alle unsinkbar sein. Aber naja, es gab da ja schon mal ein Schiff, das eigentlich unsinkbar gewesen sein soll, also kann man sich nie zu hundert Prozent
sicher sein. Aber es ist schon beruhigend zu wissen, dass uns im Normalfall nicht allzu viel passieren sollte.
Mein erster Tag an Bord wurde schon ganz schaukelig mit Wellen von bis zu sechs Metern Höhe. Es lagen fast so viele Kollegen flach wie Gäste, also wirkte das Schiffsleben insgesamt etwas ruhiger
und gemütlicher als üblich. Aber in meinem neuen Job sehe ich eigentlich gar nicht mal so viel davon, denn ich sitze den Großteil des Tages im Büro und klebe an Kevins Seite, der mir alles zeigt,
was ich wissen muss. Mein Team besteht aus neun Scouts (immerhin den einen Quotenhahn gibt es unter den acht Hühnern) und alle scheinen richtig lieb zu sein. Zwei werden mich gemeinsam mit Kevin
verlassen, sobald wir in Kiel ankommen, und dann schauen wir mal, was man mir so in mein Team setzen wird.
Der erste Tag an Bord brachte schon mal zwölf Arbeitsstunden mit sich, gefolgt von einer nur fünfstündigen Nacht – denn durch den Sturm draußen verzögert sich unser Anlegen in La Coruña und wir
haben fast alle Ausflugszeiten ändern müssen. Dann endlich irgendwann im Bett bekam meine Außenwand regelmäßig alle dreiviertel Stunde einen riesigen Querschläger ab, mit dem das Wasser so
richtig schön in mein Bullauge knallte und mich jedes Mal aufrecht im Bett sitzen ließ, als wäre grade ein Schuss gefallen. Vielleicht doch nicht immer soo geil, ein eigenes Bullauge zu haben –
außerdem ja auch total sinnlos, wenn ich es eh zuschrauben muss sobald wir den Hafen verlassen, aber so ist das halt bei rauer See.
Meine Streifen für die Schulter liegen schon auf dem riesigen Schreibtisch, den die Junior-Offiziers-Kabinen haben, aber anlegen darf ich sie erst, wenn Kevin mir in fünf Tagen das Kommando überlässt. Fotos folgen entsprechend dann – und erwartet generell nicht so viele Bilder wie gewohnt, denn Ausflüge sind ab jetzt für mich eher Mangelware. Irgendwie ist das aber auch ganz okay so, vor allem, weil ich fast alle Häfen des Einsatzes ja eh schon kenne.
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Julian (Freitag, 17 Mai 2019 14:46)
Warum hast du medistreifen?
Tanja (Freitag, 17 Mai 2019 14:57)
Das ist kein Äskulap-, sondern ein Merkurstab, also das Symbol für Hotel, Gastronomie und Tourismus. Schau mal hier: https://www.familie-kreuzfahrt.de/allgemein/3-2-1-das-bedeuten-die-symbole-und-streifen-auf-den-aida-uniformen
Joachim Schwend (Samstag, 18 Mai 2019 14:37)
Liebe Tanja,
dank dir für den Blogbeitrag. Ich hatte mich schon gefragt, wo du bleibst, weil so lange nichts zu hören war. Aha, an der Karriere gebastelt, nun ist alles klar.
Und gleich zwei Offiziers-Streifen auf der Schulter, ich bin beeindruckt. Den Merkurstab hätte ich auch nicht erkannt, ich habe auch zuerst and Äskulap gedacht.
Merkur ist doch auch der mit den geflügelten Schuhen, der Hermes und so (nein ich meine nicht den im blauen Sprinter). Das kann vielleicht ganz günstig sein, wenn dein Schiff doch untergeht, wie das besagte Schiff aus nordirischer Produktion, das du ansprichst. Sollte das Schiff untergehen, dann ganz kräftig mit den Flügeln schlagen, bis die DLRG ankommt.
Deine persönliche Nummer ist von einem Taucher - wo ist der arme Kerl abgeblieben? - und du bist bei der Feuerwehr. Was es alles gibt.
Machs gut, hoffentlich auch mit Ausflügen und nicht nur im Büro. Die Welt durchs Bullauge ist doch sehr eingeschränkt.
Lieber Gruß,
Joachim
Michael aus Fulda (Samstag, 18 Mai 2019 18:46)
Rita und ich freuen uns mit Dir über Deinen Aufstieg
und wünschen Dir viel Erfolg bei der Leitung Deines Teams.
Zu dem Bullauge in Deiner Junior-Offizierskabine fiel mir folgende Begebenheit ein.
Neulich kamen wir in einer Hotelbar mit einem älteren Herrn ins Gespräch und am Ende des Abends vertraute er uns mit der Bitte um Verschwiegenheit ein dunkles Geheimnis aus seiner Vergangenheit an, das ihn sehr belastete.
Er sollte als Schüler im Kunstunterricht das Bild „Frau am Fenster“ von Caspar David Friedrich besprechen und blamierte sich wegen seiner jugendlichen Unreife. Später beschäftigte er sich in seiner Freizeit mit Kunst und reist jetzt gern zu Museen und Ausstellungen in andere Städte. Das war auch der Grund seines Aufenthaltes. Natürlich trösteten wir ihn und versprachen, die Geschichte nicht weiter zu erzählen.
Zu Hause schauten wir uns das Bild im Internet an und lasen die Interpretationen dazu.
https://de.wikipedia.org/wiki/Frau_am_Fenster.
Anscheinend kannte auch Salvador Dali dieses Bild und hat es zeitgemäß gemalt.
„Junges Mädchen, am Fenster stehend“ https://www.panoptikum.net/salvador-dali/
Mein Gesprächspartner – dessen Namen ich nicht kenne und den ich auch nicht preisgeben würde - war wohl damals etwas einfältig, denn wenn ihm auch zum Thema „Lebensweise der Frau im Biedermeier“ nichts eingefallen war, hätte der Blick aus dem geöffneten Fenster ihn wenigstens auf das Thema „Fernweh“ bringen können.
Du kannst heute verwirklichen, wovon die Frau am Fenster damals nur träumen konnte.