Zum zweiten Mal geht es dieses Jahr auf Radtour durch unser schönes Heimatland. Vor zwei Jahren ging die Tour von Baden-Baden am Rhein lang zum Bodensee, dieses Mal steht die andere Richtung an: von Darmstadt über Frankfurt und die Lahn nach Köln.
Am Dienstag schwang ich mich also bei leichtem Niesel und fast schwarzen Wolken aufs Rad, stieg am Bahnhof in die Regionalbahn und stieg in Darmstadt bei strahlendem Sonnenschein wieder aus. Darmstadt soll ja eigentlich ganz schön sein; dem kann ich mich nach meinen drei Stunden dort aber nur teilweise anschließen. Weil ich auf dem Weg zum Hundertwasser-Haus einmal falsch abbog, kenne ich jetzt den Straßenstrich im Industriegebiet, wo junge Frauen in winzigen Röckchen und wolkenkratzerhohen Schuhen in der Mittagspause auf Kundschaft warten und einen böse angucken wenn man ihnen zu nahe kommt. Tja, an meine knallenge, hübsch gepolsterte Radlerhose kommen die Röckchen eben nicht ran…
Nach ewigem Rumeiern hab ich das Hundertwasserhaus endlich gefunden, bin einmal drum rum gedüst und hab mich dann wieder zurück in die Stadt aufgemacht. Auf dem superruckeligen verkraterten Weg hat das Stadtimage deutlich gewonnen, denn der Schritt durch ein unscheinbares Eisentor in einer Mauer erwies sich als Schritt in eine andere Zeit. Der Herrengarten ist fast so schön wie der Karlsruher Schlossgarten und weil überall Infotafeln mit Gemälden von „damals“ aufgestellt waren, konnte man mit ein bisschen Fantasie die Herrschaften aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert in weiten Kleidern und steifen Hüten um den Teich flanieren sehen. Also der perfekte Ort für die Mittagspause.
Danach gab es ein Eis am Marktplatz, wo ein junger Mann coole Musik mit einem metallenen Didgeridoo, einer Holzkiste und einem an den wippenden Fuß gebundenen Schlüsselbund gemacht hat.
Glücklicherweise war der Radweg Richtung Frankfurt leichter zu finden als das Hundertwasserhaus, doch die anfängliche Begeisterung über die schöne Beschilderung löste sich schnell in Luft auf,
denn vor dem Industriegebiet Weiterstadt hörte der Radweg so plötzlich auf, dass ich dastand und dachte „und was nu?“ Die vierzehn (!) netten Menschen, die ich nach dem Weg fragte, schickten mich
alle im Kreis oder auf die Autobahn und entlang einer erstaunlich stark befahrenen Bundesstraße und erst nach einer guten Stunde fand ich einen riesigen Fahrradladen, in dem doch tatsächlich kein
einziger der sieben Angestellten wusste, wie man eine Radkarte zu lesen hat. Der siebte konnte mir dann aber wenigstens selbst eine aufmalen und so fand ich schließlich dann doch noch aus dem
vermaledeiten Weiterstadt raus.
Nach Groß-Gerau war der Radweg dann auch ganz angenehm und ab dort stand dann auch endlich Rüsselsheim auf den weiß-grünen Radschildern. Ich also immer der Nase…äh, den Pfeilen nach und kam ohne Probleme nach Nauheim. Die Schilder dort zeigten überall hin, nur nicht Richtung Rüsselsheim. Weil ja keine Sau mehr von sich aus stehenbleibt und einem seine Hilfe anbietet, stand ich da also so lange mit verwirrtem Blick und Radkarte in der Hand, bis ein netter Matthias auf dem Mountainbike mit quietschenden Reifen neben mir zum Stehen kam und mir den Weg erklärte. Er merkte wohl selbst, dass seine Wegbeschreibung etwas unverständlich war („du fährst da unten durch, dann links, dann kommt ein Edeka, da hast du dann zwei Möglichkeiten. Wenn du rechts fährst, musst du über die Brücke, die dritte links, dann rechts, am Kreisel links, dann wieder links. Wenn du links fährst…“), denn schließlich sagte er nur „ach komm, wir fahren gemeinsam.“
Also brettere er mit einem Affentempo los und mit knapp 30 Sachen krachten wir durch den Nauheimer Wald, bis ich fünf Kilometer später an der Straße nach Rüsselsheim-Königstetten so aus der Puste
war, dass ich mich nur noch bedanken und nach seinem Namen fragen konnte, bevor ich völlig geschafft und mit schmerzenden Knien am Rand des Radwegs zu einem wohlverdienten Päuschen
dahinsackte.
Obwohl ich dank Matthias‘ Radweg am falschen Ende Königstettens rauskam, fand ich dann doch ganz flott zu Papas Cousine Claudi, bei der ich die Nacht verbrachte. Nach ganz viel Girl-Talk, Tratsch
über die Familie, einer zu zweit gekillten Flasche Prosecco und superleckerem Drei-Gänge-Dinner fiel ich um Mitternacht mit 44 Kilometern in den Beinen auf das wolkenweiche Schlafsofa.
Umso schwerer war es dann morgens wieder aufzustehen. Gestärkt mit riesigem Frühstück fuhren Claudi und ich Richtung Radweg nach Friedberg, doch nicht ohne vorher einem kleinen Tümpel und seinen Bewohnern einen Besuch abzustatten. Neben Enten und Haubentauchern gibt es da eine Bande schnuckliger Nutrias. Die sehen aus wie Bisamratten oder Bieber, sind denen wohl im Verhalten auch recht ähnlich (bauen Dämme und so), haben aber keinen so platten breiten Schwanz und sind nicht immer in Deutschland heimisch. Die Viecher an dem kleinen Tümpel wurden gerade von einem älteren Paar mit Karottenstückchen gefüttert als wir ankamen, waren also ganz nah. Wenn man ihnen was zu futtern hingehalten hat, sind sie erst ein bisschen rumgeeiert – scheinbar sind Augen und Nase nicht soo gut – bis sie die Möhre fanden. Dann haben sie sich an unseren Knien festgehalten und solange mit ihren knall-orangenen Zähnen in unsere Finger gebissen, bis sie den richtigen aus Karotte fanden. Total putzig die Dinger, aber haben mich doch leicht aus meiner Etappen-Zeitplanung gebracht.
Noch ein kurzer Abstecher zum Jagd-Ausguck, wo mit perfektem Timing gleich sehr idyllisch zwei große und hübsch geweihte Hirsche über die Wiese vor uns trabten; dann ging es für Claudie wieder heim und für mich auf Etappe 2 meiner Tour.
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