Cool-off in Island

Wenn es schon nicht mit dem Hundeschlitten in Spitzbergen auf den Gletscher ging, dann doch wenigstens einmal in Island aufs Eis. Island hat glaube ich richtig viel zu bieten, wenn man denn mal länger irgendwo ist als ein paar Stunden. In Ísafjörđur und an den Westfjorden ist eigentlich nicht wirklich irgendwas und in Akureyri kann eh nichts den grandiosen Whalewatching-Ausflug toppen, aber in Reykjavík hätte ich es locker noch zwei Wochen ausgehalten, ohne mich zu langweilen.

Thingvellir Nationalpark
Thingvellir Nationalpark

Jeden Morgen in Reykjavík war es schon super aufregend, nur auf die Pier rauszugucken und zu prüfen, wer da heute so alles auf uns wartet. Normale Reisebusse gibt es ein paar, aber tatsächlich nur für die typischen Ausflüge in die Region, also vor allem zum „Golden Circle“, den drei Hauptsehenswürdigkeiten des Südens. Alles, was auch nur ein bisschen weiter ins Hinterland geht, braucht spezielle Gefährte. Zum Beispiel LKWs, die zum Bus umfunktioniert wurden. Die machen einen Heidenlärm und haben einen doppelt so hohen Einstieg wie normale Busse, aber sie kommen die steilen Anstiege der unbefestigten Schotterstraßen nach oben, ohne dass alle Insassen Angst haben, gleich schieben zu müssen.

 

wahnsinnige Straßenführung entlang der Westfjorde
wahnsinnige Straßenführung entlang der Westfjorde

Islands Straßen sind beeindruckend. Um Reykjavík rum gibt es ganz viele Lavafelder, die direkt neben der Straße anfangen. Aber die gibt es nur entlang der Linie des sogenannten „Hot Spots“, das ist der Punkt, an dem sich der Druck Luft macht, der unter der Erde herrscht und da treffen auch die beiden Erdplatten aufeinander, bzw. driften voneinander weg. Unter dem Meeresspiegel um Island rum hat sich entlang dieses Hot Spots der Mittelatlantische Rücken gebildet, wie ein Gebirgszug unter Wasser. Und dieser Rücken geht einmal quer durch Island durch, vom Südwesten bis in den Norden mit einer hübschen Kurve drin. Entlang dieser Linie sind die ganzen vulkanischen Aktivitäten zu finden. Zum Beispiel kann man in Reykjavík im Südwesten und genauso in Akureyri im Norden seine Häuser und vor allem die Whirlpools komplett mit dem heißen Wasser erwärmen, das aus der Erde kommt. In unserem dritten isländischen Hafen Ísafjörđur an der Westküste kann man davon nur träumen. Die sind so weit weg vom Hot Spot, dass sie nichts mehr abbekommen von einem der größten Schätze Islands.

 

wo hört Straße auf und fängt Gletscher an?!
wo hört Straße auf und fängt Gletscher an?!

Wenn man keine Lavafelder neben der Straße hat, kann man auch schon fast davon ausgehen, dass die Straße nicht mehr allzu lang befestigt sein wird. Wenn man erstmal draußen ist aus der „Metropolitan Area“ rund um die Hauptstadt, ist man sofort mitten auf dem Land und wenn man dann noch weiter will zu den richtig coolen Sachen, muss man sich auf die unbefestigten Straßen einlassen. Das ist schon das eigentliche Abenteuer. Es gibt ein tolles Straßenschild „Einbreid Brú“ – offensichtlich: Ein Brücke, die nur eins breit ist. Eine Spur nämlich. Aber nichts spezielles, es gibt auch nicht mal eine Vorfahrtsregelung. Da ist so wenig los, dass es eh sehr unwahrscheinlich ist, dass man sich ausgerechnet an der einspurigen Brücke trifft. Man winkt und blinkt und hupt und gut ist. Lustig wird’s, wenn die einbreite Brücke gar nicht wirklich angekündigt werden muss, weil die Straße sowieso auch einbreit ist. Aber dafür hat man ja die coolen Gefährte, die auch mal eben in die Pampa abdriften können und ohne weiteres mit ihrem Allrad-LKW-Antrieb zurück auf die Piste kommen.

 

offensichtlich: Plattengrenze direkt am Straßenrand
offensichtlich: Plattengrenze direkt am Straßenrand

Und wenn man grade denkt „Arg viel schlimmer und die Straße wäre keine Straße mehr“, dann fangen die Löcher an. Wo die herkommen, kann ich mir beim besten Willen nicht erklären. Da sind einfach hunderte Löcher in der Straße. Keine Schlaglöcher, sondern so klein, dass du einfach weiter bretterst und unsere Reiseleiter sagen dann immer glücklich „Endlich wieder kostenlose Massage!“
Deswegen warnen wir bei dreiviertel unserer Island-Ausflüge auf dem Ticket „nicht geeignet für Gäste mit Rückenproblemen.“ Aber hinterher kam eine Frau zu mir und sagte grinsend „So gut hat sich mein Nacken seit Moooonaten nicht angefühlt!“

 

auf dem Langjökull
auf dem Langjökull

Und dann hört die Straße tatsächlich auf. Es wird immer karger, je weiter nach oben man kommt. Und irgendwann ist die Straße eigentlich gar nicht mehr von der Umgebung zu unterscheiden, wären da nicht ab und zu die Stäbe, die auch von zwei Metern Schnee im Winter nicht verschluckt werden. Wer sich bei Schnee hier rauftraut, hat aber in meinen Augen einen Schaden.
Oben angekommen ist eine Art Schutzhütte, da gibt’s für uns die mitgebrachten Snackpakete fürs Picknick und die Pinkelpause und dann steigt man um in ein sogenanntes Gletschermobil, ein gigantisches Ding mit Reifen so hoch wie ich. Damit geht es dann rauf auf den Gletscher. Bei uns war es der Langjökull. „Lang“ heißt lang und „jökull“ heißt Gletscher und somit ist es der zweitgrößte Gletscher Islands. Über 900 Quadratkilometer ist der groß! Ich hab natürlich nur einen winzigen Bruchteil gesehen, denn diese Gletscherfahrzeuge sehen zwar beeindruckend aus, sind aber ultra-lahm und man braucht allein 20 Minuten auf die kleine Anhöhe, die man schon von der Schutzhütte aus sehen kann.

 

Dynjandi-Wasserfall
Dynjandi-Wasserfall

Im Winter stelle ich mir das ganze schon ziemlich toll vor. Mit den Schneemobilen über den Gletscher heizen und so…wobei mir mein Reiseleiter gesagt hat, das macht man sinnvollerweise mit einem Einheimische, denn die Touri-Gruppen schleichen immer so. Wenigstens für eins ist der Sommer hier aber doch echt schön: die Wasserfälle haben Wasser! Und Wasserfälle kann Island fast so gut wie Norwegen. Gullfoss und Gođafoss sind die größten, die wir von unseren Liegeplätzen aus gut erreichen können, aber wo ich nun mal so gute Übung hatte mit dem Überleben von Schotterpisten, schickte mich Jakob zum einzigen richtig coolen Ausflug, den es von Ísafjörđur aus zu geben scheint. Der Dynjandi ist „der Tosende“ und ist eigentlich nicht einer, sondern gleich sieben Wasserfälle in einem. Der dazugehörige Fluss fließt auf einer Hochebene und dann hört plötzlich das Land auf und in sieben Stufen stürzt der Fluss um die 100 Meter in die Tiefe. Mann, sieht das schön aus, wie ein Schleier. Wären da nicht die Horden an Menschen…

 

Torfhäuser in Laufás
Torfhäuser in Laufás

Akureyri ist ja ein bisschen gemütlicher als Reykjavík, aber trotzdem nicht so richtig am Ende der Welt wie Isafjörđur. Es gibt sogar ein bisschen was geschichtliches, was irgendwie in Island immer ein bisschen zu kurz kommt angesichts der atemberaubenden Natur. Direkt am Akureyri-Fjord sieht man also nicht nur ab und an verrückte Wale ihr Unwesen treiben, sondern auch ein süßes kleines Freiluftmuseum, in dem man die typischen Torfhäuser anschauen kann, die hier früher gebaut wurden. Man musste ja alles nutzen, was die Natur einem so bieten konnte, und so wurde massenhaft Torf gestochen (so viel, dass man heute in den Feldern noch die Gräben sieht, wo vor Jahrhunderten gestochen wurde), mit dem dann die Häuser isoliert wurden. Wenn das Haus zu klein wurde, hat man eine Torfwand wieder aufgemacht und ein zweites Haus direkt daneben gestellt, denn größere Häuser waren unmöglich. Die Dächer bestanden vor allem aus Torfplatten und ein bisschen Holzstützen drunter, das konnte natürlich nicht mehr halten, wenn man die Wände beliebig weit auseinander gestellt hat. Seit Jahrhunderten wohnten die so und es gibt sogar noch ganz vereinzelt auf den Dörfern Familien, die noch heute die Torfwände haben. Im Sommer bleibt es kühl, im Winter schön warm – und es riecht immer nach Gras und Rauch und Erde da drinnen. Höchst interessant, aber vor allem von außen beeindruckend.

Ob man allerdings den Stockfisch essen muss, der da schon so lange hängt wie die Häuser alt sind… Da bleiben wir lieber doch beim fünf Jahre alten…schon der ist so steinhart, dass er nur essbar ist, wenn man ihn vorher mit einem Hämmerchen bearbeitet.

 

Hraunfossar
Hraunfossar

Dafür kamen wir an einem der wohl besondersten Wasserfälle vorbei, den ich je sehen werde. Auch der hat natürlich einen hübschen Namen, nämlich Hraunfossar. „Fossar“ ist wie immer der Wasserfall, „hraun“ ist das isländische Wort für Lava. Eigentlich ist der Hraunfossar gar nicht so ein richtiger Wasserfall. Da ist eine große Ebene aus durchlässigem Lavagestein und dadrunter liegt eine Schicht undurchlässiger Stein. Heißt, wenn Wasser am Gletscher schmilzt oder es regnet, tröpfelt das Wasser einfach durch die Lavaschicht durch, sammelt sich auf der Steinschicht darunter und läuft darauf Richtung Bach runter. Von der Bachseite aus betrachtet sieht es somit aus, als kommt das Wasser mitten aus dem Stein ohne ersichtliche Quelle und das ganze auf einer Länge von einem dreiviertel Kilometer! Sieht richtig beeindruckend aus, sowas hab ich tatsächlich noch nie irgendwo gesehen.

 

die richtigen Einheimischen stehen immer im Weg rum
die richtigen Einheimischen stehen immer im Weg rum

Ich hab ja schon wirklich viel gesehen in meinem Leben. Manchmal muss ich mich selbst dran erinnern, mir irgendwas anzuschauen und toll zu finden. Es ist eben doch „nur ein Job“ und ich mache eben meine Arbeit. Manchmal vergisst man, dass man schon wieder in einem neuen Land ist. Aber hey, irgendwann darf man auch mal den Überblick verlieren; ich hab in meinem Leben immerhin schon 68 Flugzeugsitze besetzt, 39 Häfen beankert und 33 Länder bereist (und das sogar, wenn man es genau nimmt und Cayman und Schottland (UK), Spitzbergen (NO) und St Maarten (NL) nicht als eigenständige Länder zählt, obwohl ich sie eigentlich zählen würde.
Jedenfalls reicht es jetzt erstmal wieder mit den neuen Eindrücken und ich brauche dringend ein paar Wochen frei – wovon vermutlich etwa drei allein dafür drauf gehen, Fotos zu sortieren und das lange geplante Blog-Fotoalbum anzulegen.

 

fast so gut wie Heli-Fliegen - Panoramaflug über Bergen auf dem Weg nach Hause
fast so gut wie Heli-Fliegen - Panoramaflug über Bergen auf dem Weg nach Hause

Ich verabschiede mich also in den absolut verdienten Urlaub (und nein, ich mache nicht „immer nur Urlaub, da auf dem Schiff“) und melde mich wieder im August, wenn es heißt „Auf AIDAsehen“ auf dem neuesten Schiff der Flotte für eine hübsche kleine Wochentour im westlichen Mittelmeer.

 

 

 

 


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