Am Bus-Terminali von Kotor merkten wir mal wieder, dass hier doch einiges anders läuft, als wir es von daheim gewöhnt sind. Die eigentliche Bus-Parkbucht ist nur durch ein Drehkreuz zu erreichen, wofür man sich vorher am Šalter (ehrlich wahr! Gesprochen wie deutsch „Schalter“) anstellen und ein „platform ticket“ lösen muss, das kostet einen Euro pro Nase und ich dachte mir, naja, die müssen ja auch ihre Toiletten etc. bezahlen. Als ich dann aufs Klo bin, musste ich dort aber doch wieder mein 50 Cent zahlen, und mal wieder wurde auch das Gepäck nur im Bus mitgenommen, wenn man einen Euro Gepäckpauschale drauf gepackt hat. Vermutlich bezahlt der eine Euro Plattform-Gebühr die Instandhaltung des Drehkreuzes, das man ohne die Gebühr gar nicht bräuchte…
Der Bus brachte uns von Kotor weiter Richtung Nordwesten entlang der Adriaküste und schon wieder bescherte uns unser EU-Bürger-Status eine superschnelle und unkomplizierte Ausreise aus Montenegro und Einreise in Kroatien. Ein schmaler Streifen Land ist hier schon kroatisch, obwohl der Großteil des Landes erst ein Stück weiter ist. Dubrovnik und die Region außenrum sind eine Art Exklave, komplett umgeben von Bosnien-Herzegowina und ganz unten rechts eben die winzige Grenze mit Montenegro, und dadurch nicht mit dem restlichen Kroatien verbunden. Mein kroatischer Kollege Bartul, den wir später noch zum Cocktail trafen, erzählte, dass das der Grund sei, dass Dubrovnik keinen McDonalds habe. Nebenan in Montenegro gibt es auch keinen, sodass uns seine Abwesenheit nicht wirklich aufgefallen ist. Aber die Story dahinter ist ganz witzig. Man sagt, es wäre viel zu aufwendig, Fleisch und andere Zutaten aus dem Ausland zu holen aufgrund von Zöllen etc. und natürlich müssten auch kroatische Zutaten ein anderes Land passieren. Aktuell ist eine große Brücke im Bau, die eine Halbinsel in der Region um Dubrovnik mit dem restlichen kroatischen Festland verbinden soll – und die ersten Wetten laufen schon, wie lang es dauern wird, bis der erste McDonalds in Dubrovnik eröffnet wird.
In Dubrovnik war ich schon mal, allerdings nur zum Aufstieg auf AIDAblu, wo ich mit einer künftigen Kollegin abends eine Runde durch die Altstadt drehen konnte, und einen weiteren Tag, den ich mit stundenlanger Shuttlebus-Abwicklung verbrachte. Alles kannte ich also bei weitem nicht und konnte so ganz entspannt mit Isi losziehen und neues entdecken.
Wer die Serie Game of Thrones kennt, kennt auch recht viel von Dubrovnik. Egal wohin man sich dreht, hört man Stadtführer, die ihren Gästen erzählen „und hier hat X den Drachen getötet“ und „erinnert ihr euch an die Szene Y? Das war hier!“ Klang uns nach viel Nachdenken, also fanden wir es gar nicht schlimm, die Serie noch nie geschaut zu haben.
An den tollsten Ausflug bei AIDA erinnerte ich mich, obwohl ich ihn nie mitgemacht hatte. Aber Gäste und Scouts gleichermaßen kamen immer sehr begeistert davon zurück, also mussten wir den Ausflug auch machen: eine Runde drehen auf Dubrovnik vollständiger Stadtmauer, die sich komplett um die Altstadt zieht. Man könnte meinen, irgendwann hätte man im Urlaub genug von Stadtmauern, aber die in Dubrovnik ist dann doch wieder ganz anders als die in Budva und in Kotor, vor allem auch weil die eingemauerte Stadt dahinter wieder so anders aussieht. Seit dem 13. Jahrhundert steht die Mauer in ihrer heutigen grundsätzlichen Form, wurde aber bis Mitte des 17. Jahrhunderts immer wieder erweitert, sodass sie heute knapp zwei Kilometer lang ist und von 16 Türmen, drei Festungen, sechs Bastionen, zwei Eck- und zwei Flanken-Befestigungen, drei Burggräben, zwei Zugbrücken an den Stadttoren und einer Mole am Hafen besteht. Die Mauer ist zwischen anderthalb Meter (zum Wasser hin) und sechs Meter (zur Landseite) dick und teilweise bis zu 25 Meter hoch. Also macht man in der Tat sogar einige Höhenmeter, wenn man die Mauer erkundet. Als vor einigen Jahrzehnten ein Teil der Mauer eingerissen werden sollte, um die Altstadt zu erweitern, ging ein Aufschrei durch die Bevölkerung und der Widerstand war so groß, dass die Mauer unbeschädigt stehen bleiben durfte.
Heute darf man also die Stadtmauer lang laufen und am Tickethäuschen merkten wir sofort, dass wir nicht mehr in Albanien oder Montenegro sind. Wo in Kotor der Eintritt auf die Mauer ganze drei Euro pro Person kostet, sind es in Dubrovnik elf mal so viel: stolze 33 Euro. Gelohnt hat es sich trotzdem und wir fanden sogar neue Freunde für die Dauer unseres Mauer-Spaziergangs. Beth, Brittany, Bobby und „Mum“ aus Illinois liefen uns mehrfach über den Weg und wir kamen sehr nett ins Gespräch. Drei Schwestern und ihre „Mum“ wollten mal die Adria sehen und dafür, dass die Mama schon eine ältere Dame war, hatten wir echt Respekt, dass sie bei der Hitze fast schneller als wir die Mauerstufen erklomm. Wettertechnisch nahmen sich Dubrovnik und Kotor nichts, nur ist man zur generellen Hitze auch noch geblendet, wenn man in Dubrovnik durch die Innenstadt schlappt. Die ganze Altstadt ist aus Kalkstein gebaut und die Straßen damit gepflastert. Die Hauptstraße ist immer so viel belaufen, dass der ganze Boden glatt glänzt. Ohne Sonnenbrille erblindet man praktisch sofort, wenn die Sonne hoch genug steht um über die Stadtmauer zu scheinen. 2020 hat es übrigens nur zwei Wochen Corona-Lockdown gebraucht und auf eben dieser glattgelatschten Hauptstraße spross das Gras zum ersten Mal seit Menschengedenken zwischen den Pflastersteinen. Wenn man die Natur nur lässt…
Von der Stadtmauer hat man grandiose Ausblicke über Dubrovnik: erstmal hinüber zur separaten Festung Lovrjenac, von der aus man seit dem 11. Jahrhundert den Dubrovniker Hafen verteidigt hat und wo heute natürlich auch alle Game-of-Thrones-Fans vorbeischauen müssen; dann raus über die Adria (als nächstes Ufer würde dann Bari in Italien kommen, wenn man so weit schauen könnte); dann rüber zur vorgelagerten Insel Lokrum. Und natürlich gleichzeitig in die andere Richtung immer über die orangen Dächer der Sandsteinhäuser und durch die engen Gassen der Altstadt. Den winzigen Platz, den es außen von der Stadtmauer noch gibt, wo der Fels von den Wellen blank geputzt wurde, haben schlaue Menschen genutzt und eine teure „Strandbar“ (nur eben ohne Strand) hingebaut, wo sich an den heißen Tagen diejenigen tummeln, die von diesem Geheimtipp gehört haben, und baden gehen.
Wir waren stattdessen am nächsten Tag baden, nachdem wir mit dem ersten Touri-Boot nach Lokrum übergesetzt hatten. Lokrum ist nur einen halben Kilometer vom Hafen Dubrovniks entfernt. Man kann
die ganze Insel in ein paar Stunden überqueren oder umrunden, aber auch hier gab es erstaunlich viel Anstieg hoch zur französischen Festung. Die ganze Insel ist ein Naturschutzgebiet und
anscheinend soll es viele Kaninchen geben, von denen wir aber keins entdeckt haben. Dafür gibt es an der Küste mehrere Pfauenfamilien, die sogar kleine Pfauenküken hatten (die aussehen wie
Entchen). Es heißt, dass Richard Löwenherz einmal in einen Sturm in der Nähe geriet und Zuflucht auf Lokrum fand. Aus Dankbarkeit versprach er, eine Kirche zu bauen. Stattdessen gab es aber dann
doch Geld, das in den Bau der Kathedrale in Dubrovnik floss.
Zum Baden eignet sich die Insel ganz hervorragend, wir fanden eine kleine Bucht, wo nur ein paar andere rumlagen. An einem winzigen Kiesstrand machten wir uns breit und stürzten uns sogar einmal
in die ganz schön frischen Fluten. Fast genauso kalt war das Wasser im sogenannten „Toten Meer“, einem kristallklaren See, der durch einen unterirdischen Tunnel von der Adria gespeist wird und
deswegen auch den gleichen Tidenhub hat.
Weil Isi immer noch nicht genug von Stufen und Steigung und Bergen und Wandern hatte, ließ ich sie am Tag darauf alleine zur Festung über Dubrovnik schnaufen und ging stattdessen eine Runde tauchen. Ich hatte mich ein bisschen drauf gefreut, mal wieder im kurzen Neopren-Anzug tauchen zu gehen – aber nein, Anfang Juni ist das adriatische Wasser noch so kalt, dass absolut ein langer her muss, sogar Schuhe bekamen wir in unsere Flossen, aber die Neopren-Kapuze kam mir dann doch etwas übertrieben vor. Eine coole Höhle gab es, die sich nach oben an die freie Luft öffnet, und ausnahmsweise war ich die erfahrenste in unserer Gruppe aus Tauchwilligen. Weil wir recht lang voll angetüdelt in der prallen Sonne standen, gab es am Nachmittag für mich die Anfänge eines Hitzschlags, sodass ich sogar ein kurzes Nickerchen machen musste, um abends fürs Ćevapi-Essen bereit war. Ćevapi ist der Singular von Ćevapčići und das ist das Nationalgericht: Hackfleischröllchen vom Grill, die mit in Kroatien Pommes und leckerem Tomatendip serviert werden. Übrigens ist das Wort eng verwandt mit „Kebap“, wenn man genau hinschaut, erkennt man Ähnlichkeiten. Dazu gab es für uns Limo, denn wir trauten uns einfach nicht auszuprobieren, was das „Pipi“ auf der Getränkekarte sein sollte.
Und dann ging es ein letztes Mal in den Überlandbus: über vier Stunden dauert die Fahrt nach Split. Das macht im Schnitt ungefähr eine Passkontrolle pro Stunde, denn natürlich muss man erstmal
aus Kroatien raus, um wieder nach Kroatien rein zu können, wenn ein Land dazwischen liegt. Es sind nicht mal 20 Kilometer, aber die reichen, um Kroatien in zwei Teile zu splitten. Dubrovnik hatte
Ende des 17. Jahrhunderts Angst vor einem Angriff von Venedig, dem großen Konkurrenten was Handel und Seemacht anging. Also gab Dubrovnik seine 20 Kilometer Küstenlinie im Nordwesten ab an das
Ottomanische Reich, das natürlich gerne ein Stück Adriaküste wollte, und so gleichzeitig für Dubrovnik die Venezianer ein bisschen abhielt. Also alle glücklich. Das Ottomanen-Reich wurde zu
Jugoslawien und nach 1991 zu Bosnien-Herzegowina. Die 20 Kilometer Küste heißen heißte Neum-Korridor und er ist der zweitkürzeste Küstenstreifen der Welt nach Monaco, und wenn man den Streifen
nach hinten Richtung Landesinneres zieht, ist er teilweise nur fünf Kilometer breit.
Da mussten wir also durch, denn die geplante Brücke wird erst im Herbst diesen Jahres fertig. Weil Bosnien-Herzegowina kein Land der EU ist, Kroatien aber schon, ergibt sich dadurch, dass es
sogar eine EU-Außengrenze ist und somit die ganze Passkontrolle länger dauert als sonst. Man vertraut sich nicht so sehr wie sonstwo, also muss man ganz genau bei der Ausreise kontrolliert werden
und ein paar hundert Meter weiter nochmal genauso genau bei der Einreise in Bosnien. Dann fuhr unser Bus ein paar Kilometer weiter, hielt an einer Raststätte für die obligatorische Pinkelpause
und weiter ging es zur Ausreise-Kontrolle aus Bosnien und kurz drauf wieder Einreise in Kroatien. Isi und ich konnten uns nicht ganz entscheiden, ob das jetzt ein Land ist, das wir auf unserer
Liste abhaken können, schließlich hatten wir sogar bosnischen Boden unter den Füßen.
In Split gab es zum ersten Mal in unserem Urlaub keine begehbare Stadtmauer, aber trotzdem eine tolle autofreie Altstadt – und dieses Mal sogar FLACH! Der Fähr- und Kreuzfahrthafen liegt direkt
zentral, daneben auch gleich der Busbahnhof, dann kommt eine superbreite Fußgängerpromenade, die voll mit Cafés und Kneipen ist und wo tagsüber ähnlich den Ramblas in Barcelona kleine
Künstler-Stände aus dem Boden ploppen. Die Promenade trennt den Rand der Altstadt vom Wasser und erstaunlicherweise gibt es ausnahmsweise mal keine fette Straße, die den Ausblick zerstört.
Die Altstadt ist eigentlich ursprünglich gar keine Stadt gewesen, sondern das Innere einer gigantischen Palastanlage namens Diokletianpalast. Heute ist es eine UNESCO-Stätte und eines der wohl
beeindruckendsten römischen Stadtgebilde der Welt. Menschen wohnen in der Altstadt und so war auch unser winziges Stübchen in einem ruhigen Hinterhof direkt im Zentrum des Palastes.
Ein paar Kilometer vor der Altstadtgrenze liegt der Marjan-Berg, der ein wichtiges Naherholungsgebiet für die Einheimischen ist. Wirklich erholen konnten wir uns leider gar nicht, denn Sitzmöglichkeiten oder Liegewiesen suchten wir vergeblich. Aber die Ausblicke waren schön und am Ende des Abstiegs wartete ein netter kleiner Kiesstrand auf uns, bevor es zurück in die Stadt ging und als Abschluss unseres Urlaubs noch eine kleine Bootsfahrt durch die Bucht von Split sein musste, auf der wir sehr nette Deutsche und einen Australier kennenlernten, mit denen wir bis spät in die Nacht im Irish Pub und am Strand unterwegs waren. Entsprechend müde besuchten wir am nächsten Morgen meine kroatischen Kollegen, warteten mit ihnen bei Käffchen an der Hafenfront, bis Bartul endlich wach war, und er machte uns den Chauffeur. Es hilft halt doch, überall Leute zu kennen.
Bartul war tags zuvor ganz geschockt gewesen, als er hörte, dass wir es nicht nach Trogir schaffen würden, eine süße kleine Altstadt (schon wieder ohne Stufen!) in der Nähe des Flughafens, also
hatte er spontan beschlossen, uns noch vor unserem Flug dorthin zu bringen. Die Dreiviertelstunde Fahrt war sehr viel entspannter als im stickigen Bus, dann verabschiedeten wir uns, hievten
unsere Koffer aus dem Auto und marschierten über Kopfsteinpflaster und bei morgens um 10 schon über 30 Grad durch Trogirs süße kleine Innenstadt, um ein letztes Sendvič (Sandwich)oder einen
Palačinke (die Süddeutschen unter euch werden Pfannkuchen auch als Palatschinken kennen) zu schlemmen. Altstadt haben die Balkanesen wirklich drauf, Trogir war schon wieder super schön und ein
toller Abschluss eines sehr ereignisreichen Urlaubs und wir wären gerne noch ein paar Stündchen länger geblieben.
Doch nein: ein paar Minuten mit dem Bus zum Flughafen, durch die schnellste Koffer-Aufgabe, Security und Passkontrolle, die ich wohl jemals vor einem internationalen Flug erlebt habe, und
plötzlich saß ich auch schon wieder im Flieger nach Hause mit Blick auf das unglaubliche Türkisblau der Adriaküste.
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