Zentralasien war das Ziel unserer Reise, wobei mir das bis vor ein paar Jahren eigentlich gar nicht wirklich etwas gesagt hat. Ist das nun der Nahe Osten oder doch eher die Mongolei? Ist es da kalt oder warm? Was sprechen die denn da? Und überhaupt: welches Land ist das denn? Stellt sich raus, es sind ganz viele Länder und sie hören alle auf -stan auf. Eins davon hatten wir uns ausgesucht und so ging es von Istanbul aus in viereinhalb Stunden nach Taschkent.
Usbekistan heißt das Land dazu und auch wenn man sich in unseren Breitengraden irgendwie selten Gedanken drüber macht, ist es ein ganz schön großes bisschen Land, das da irgendwo zwischen China und Russland eingeklemmt liegt, zusammen mit Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Turkmenistan. Immerhin so groß wie Schweden ist Usbekistan und eins der weltweit nur zwei sogenannten „double-landlocked countries“: nur Liechtenstein und Usbekistan sind Binnenstaaten (also Länder ohne Zugang zum Meer), deren sämtliche Nachbarländer ihrerseits Binnenstaaten sind. Das nächste größere Gewässer ist der Aralsee, wobei der ja auch nicht mehr wirklich so groß ist wie er mal war. Wüste und trockene Steppe gibt es also ziemlich viel, es ist meist heiß und staubig, und an durchschnittlich 320 Tagen im Jahr bullert sie Sonne vom Himmel. Wir erwischten anderthalb der wenigen Regentage, aber es war warmer Regen und schon am Ende unserer Reise, also war alles halb so schlimm.
Russland ist nicht allzu weit weg und die Sowjetunion noch nicht ewig vorbei, also sieht man definitiv den russischen bzw. sowjetischen Einfluss an
jeder Ecke. Weil aber auch die arabische Welt ganz in der Nähe ist, gibt es davon auch so einiges und es ergibt sich so eine wunderbar seltsame Mischung. Gesprochen wird Usbekisch, aber die
meisten sprechen oder verstehen Russisch, je nach Region sind auch die Schilder russisch. Usbekisch selbst ist aber eher mit dem Türkischen verwandt, nur ohne die vielen Üs und Ös, und wenn man
auf die Begrüßung „salom“ oder „salom waleykum“ (Friede sei mit dir) auf Arabisch „aleykum es-salam“ (Und mit dir sei auch Friede) antwortet, freuen sich die Einheimischen. Also mussten wir
natürlich auch direkt ein bisschen Usbekisch lernen und können nun „Rahmat, shirin ekan. Hayet.“ sagen, also „Danke, das war sehr lecker. Tschüss.“
Ansonsten ist die Sprachbarriere teilweise gewaltig, nur an den sehr touristischen Orten merkt man, dass vermehrt in das Englisch-Verständnis der Einheimischen investiert wird. Freundlich sind
sie aber alle, egal, ob sie einen verstehen oder nur so tun. Und auf der Straße wurden wir regelmäßig von Jugendlichen angesprochen, die sich einfach nur freuen, ihr Englisch auszuprobieren.
Generell waren wir offenbar eine willkommene Abwechslung an manchen Orten und wurden regelmäßig zu gemeinsamen Selfies aufgefordert.
Schon die Einreise nach Usbekistan war witzig. Wir fielen eindeutig auf als ausländische Touristen mit unserem recht überschaubaren Gepäck (obwohl es
meine größte Reisetasche war) und nach den Gepäckbändern winkte uns der Zollbeamte direkt in den grünen nichts-zu-deklarieren-Ausgang mit Worten, die definitiv sowas wie „turista“ beinhalteten.
Dann als wir fast durch waren brüllte er uns aber doch noch hinterher „oh, you not have drugs, yes?“, wir verneinten und los ging’s in den Urlaub.
Am Flughafen wurden wir abgeholt und in unser Hotel gebracht, wo wir direkt am Abend unseren Reiseleiter bzw. CEO (Chief Experience Officer) Laziz trafen, der uns und 13 andere Mitglieder unserer
internationalen Reisegruppe neun Tage lang durch sein Land begleiten würde. Er brachte Julia und mich direkt zu einem Geldautomaten um die Ecke, wo wir mal eben zu Multi-Millionären wurden, denn
usbekisches Geld ist kaum was wert. Ein usbekischer So’m (sprich: Summ mit scharfem s) entspricht 0,000073 Cent, also haben wir für unsere 150 Euro stattliche zwei Millionen in handlichen
100.000-So’m-Scheinen bekommen. Das war schon ein ganz schöner Batzen Geld, aber später mit Rückgeld war es nur noch unübersichtlich. Selbst die Einheimischen haben Schwierigkeiten die Zehn- und
die Hundertausenderscheine oder die Fünf- und Fünfzigtausenderscheine auseinanderzuhalten und ich habe bei keinem einzigen eine Geldbörse gesehen, man trägt seine Geldstapel einfach so in der
Tasche. Mein Geldbeutel ist beim nächsten Mal Geld abholen nicht mehr zugegangen, weil in 10.000-So’m-Scheinen gleich alles sehr viel voluminöser war.
Genannt werden bei Preisen die letzten drei Nullen nicht. Wenn man also fünf zahlen soll, handelt es sich um 5.000. Wieso es überhaupt 100.000er am
Automaten gibt, ist uns ein Rätsel, denn die Preise für alles sind so niedrig, dass man damit kaum etwas bezahlen kann, weil keiner so viel Rückgeld hat. Bei der Unabhängigkeit 1994 war das
kleinste Geld eine 1-So’m-Münze, heute sind es 500, so sehr hat das Geld an Wert verloren. Man schert sich nicht um die Münzen und es wird immer aufgerundet – wer macht auch Aufhebens um nicht
mal 4 Cent, die dann doch nur irgendwo in der Tasche rumfliegen, weil man ja keinen Geldbeutel hat.
Das war schon recht befremdlich, mit stapelweise Geld durch die Gegend zu laufen. Man denkt immer „ach, ich hab noch genug Geld für die nächsten Tage, wir brauchen nicht nochmal abheben gehen“
und dann rechnet man nach und es sind nur noch 8 Euro. Und auf vielen meiner Scheine waren Notizen in Bleistift oder Kugelschreiber drauf, wo offensichtlich jemand mal was ausgerechnet hatte oder
sich einfach irgendwas aufgeschrieben hat. Kein Wunder, wenn so ein Geldschein vielleicht sogar weniger wert ist als ein Notizblock-Zettel.
Soweit kam es nicht, dass wir auf Geld rumgemalt haben, aber wir hatten ja auch eine schöne App auf dem Handy, die uns immer sagte, was das Mittagessen für soo viele tausend Moneten eigentlich
kostete – meistens war es für Julia und mich zusammen maximal 12 Euro für zwei Hauptspeisen, zwei Getränke, manchmal einen geteilten Nachtisch, Brot und Wasser.
Einmal aufs Klo gehen an der Autobahnraststätte kostete meist 15 Cent. Die Klos waren durchweg erstaunlich sauber, aber man zahlt ja schließlich auch 2.000 Öcken dafür, also kann man das vielleicht erwarten. Meistens gab es Klopapier, das aber teilweise sehr kurios war, fast wie das Krepppapier, aus dem wir in der Grundschule Schmetterlinge und Girlanden gebastelt haben. Oder man hat für seine 2.000 So’m ein paar Blätter Klopapier von der Toilettenfrau bekommen, die man dann mit aufs Klo nehmen musste, um dort vorbereitet zu sein. Alles in allem hat das immer recht gut funktioniert, trotzdem waren einige von uns überrascht davon, dass es meist (wenn wir Glück hatten) nur eine westliche Toilette gab und die meisten Kabäuschen ein Hock-Klo hatten. Würde mich ja schon interessieren, wie die einheimischen Frauen mit ihren langen Röcken das hinkriegen, ohne mit dem Saum den Boden zu wischen. Aber selbst wenn, wäre das vermutlich weniger unhygienisch als man denken würde, da immer irgendwo eine Teekanne mit Wasser rumsteht, mit der man den Boden einmal nachspülen kann, wenn mal was daneben geht – wobei vermutlich auch meistens eher bei den ungeübten Touristen was daneben geht und nicht bei den Zentral- und sonstigen Asiaten.
Lange Röcke sahen wir viele, dafür aber überraschend wenige verhüllte Frauen. Eine einzige habe ich in schwarzer Abaya gesehen, wo nur die Augen und Hände rausschauten, sonst trägt man eher ein lockeres Kopftuch oder auch gar keine Kopfbedeckung. Schultern und Beine sind bei den meisten Einheimischen bedeckt, aber Schulkinder hatten oft recht kurze Hosen und Röcke an. Man fühlt sich also auch in kurzer Hose recht wohl und muss sich dann nur in Moscheen und Mausoleen was um die Beine machen. Man nimmt es scheinbar sehr gelassen mit der Religion in Usbekistan und obwohl 85% der Usbeken Muslime sind, die mehr oder weniger oder gar nicht streng ihren Glauben praktizieren, wurde sich im ganzen Land mit den Moscheen geeinigt, dass die Muezzins die Lautstärke ihrer Gebetsrufe reduzieren, damit die Angehörigen anderer Religionen nicht jeden Morgen um 5 geweckt werden. Das ist doch mal sehr schön, wie sie alle so freundlich miteinander umgehen können und miteinander leben. Ich habe tatsächlich auch nur einmal den Morgen-Ruf gehört von einer Moschee in unmittelbarer Nähe und auch nur weil ich eh halb wach war.
Und ein Nachmittags-Gebet durften wir uns in der Hauptstadt Taschkent anhören, wo wir eine Moschee besuchten (die hier übrigens fast alle frei zugänglich sind für Nicht-Muslime, solange sie sich angemessen kleiden, die Schuhe ausziehen und sich aus dem Gebetsraum fernhalten) und genau pünktlich zum Gebet kamen. Das war überaus faszinierend, den Männern beim Beten zuzuschauen. Es gehört sich im Islam, nebeneinander zu beten und die Reihen zu schließen, also stehen alle ganz eng beieinander und möglichst nah an der Gebetsnische und dem Imam, der durch das Gebet leitet. Als schon das Gebet über die Lautsprecher lief, kamen noch Männer angerannt, streiften schnell ihre Schuhe an der Tür ab und schlüpften noch mit in den Gebetsraum, um noch den Rest des Gebets mitzumachen.
Was das angeht, dachte ich schon immer eher an meine Reisen in arabische Länder, wo man eben weitestgehend Muslimisch sieht – und Christen sieht man halt meist nicht so sehr an, dass sie Christen sind. Aber dann sieht man wieder die russische Schrift auf Schildern oder sieht ziemlich beeindruckende bis ziemlich fürchterliche post-sowjetische Architektur und manchmal an der Straße alte sowjetische LKW, sodass man sich doch eher wie im russischen Gebiet fühlt. Die Straßen waren generell mit sehr spannenden Dingen gefüllt. Fast alle Autos sind weiß und ein überwältigender Teil der Autos ist von Chevrolet. General Motors hat seine Chevrolet-Produktionsstätte in Usbekistan und so zahlt man keine zusätzlichen Steuern auf deren Autos. Andere ausländische Marken werden mit mindestens 120% Steuern belegt, sodass ein in Europa 20.000€ teures Auto hier mal locker bis zu 50.000€ kosten kann. Also fahren sie eben alle Chevrolet-PKWs oder richtig putzige Busse – der Begriff „Minibus“ hat für mich jetzt eine ganz neue Bedeutung gewonnen, denn der Chevy Damas sieht aus, als würde er bevorzugt von Minions gefahren werden. Weil die Autos alle so kompakt sind, wird auch recht wenig gehupt, denn die Straßen und Kreuzungen sind gigantisch breit.
Die Damas-Minibusse haben mich besonders begeistert. Irgendwie machen die gute Laune wenn man die sieht, vor allem wenn die Türen geöffnet werden und ein Dutzend oder mehr Menschen aussteigen, so ein bisschen wie ein Clown-Auto, wo einfach unendlich Clowns rauskommen. Daneben sieht man viele sowjetische große LKW, aber auch hier wieder Lastwagen, die aussehen als wären sie zu heiß gewaschen worden und eingegangen. Anhänger sehen auch kleiner aus als auf deutschen Straßen, vielleicht weil sie an kleineren Autos hängen oder weil sie zum Transport von zwei ausgewachsenen Kühen oder fünf Ziegen verwendet werden. Ganz seltsame dreirädrige Rikscha-artige Gefährte gibt es auch, die haben hinten eine eingegitterte Ladefläche mit Platz für eine ausgewachsene Kuh oder drei Ziegen. Dann holpert zwischendurch mal ein Eselskarren am Rand der Autobahn entlang oder auch einfach nur ein Esel ganz allein auf der Hauptverkehrsachse durch Samarkand.
Die wenigen Fahrradfahrer, die man sieht, müssen offenbar mit den wenigen Straßen vorlieb nehmen, die es zwischen den Städten gibt, also sieht man ab
und an auch alte Männer auf klapprigen Rädern am Fahrbahnrand. Mitten in der Wüste kamen uns zwei Fahrradfahrer in weißen Gewändern und weißen Turbanen schwer bepackt auf der Autobahn entgegen,
wobei die weiße Verhüllung vermutlich nur Hitzeschutz in der größten Hitze des Tages war – 100 Kilometer vom nächsten nennenswerten Ort.
Aber die Autobahnraststätten sind dafür gut ausgestattet und bieten bestimmt auch Fahrradfahrern eine nette Pause. Es gibt öffentliche meist saubere Toiletten, einen Laden und ein Café oder
Restaurant, ähnlich wie auf deutschen Raststätten. Nur stehen zur Erfrischung manchmal draußen am Parkplatz einzelne Waschbecken (sogar mit Spiegel und Seife) und statt Café-Tischen und -Stühlen
gibt es oft mehrere Taptschans, die sehen aus wie quadratische Betten mit kleinem Geländer an drei Seiten. Über die vierte Seite klettert man ohne Schuhe drauf und sitzt dann im Schneidersitz um
einen kleinen aufgesetzten Tisch in der Mitte der Sitzfläche, wo man seinen Tee trinkt und sein Brot isst.
Bei so wenig Verkehr durch die ewigen Steppen- und Wüstengebiete Usbekistans lohnt es sich kaum, Kreuze oder Dreiecke in die Schnellstraßen zu bauen.
Stattdessen gibt es ganz normale T-Kruezungen, aber weil man nicht dauernd Ampeln einbauen kann, hat es zwischendurch Linksabbiegerspuren deren Befahrer dann zum U-Turn aufgefordert werden, um
auf die andere Fahrbahn zu kommen, um von dort irgendwo abzubiegen. Zebrastreifen sind übrigens auch eine recht normale Erscheinung entlang der Autobahn. Weil außerhalb der Städte weniger Verkehr
ist, scheint das auch überhaupt kein Problem zu sein. Man wartet einfach ab, bis grade kein LKW in Sicht ist und dann schlendert man gemächlich auf die andere Seite. Bei uns ging der
Zebrastreifen über acht Autobahn-Spuren, wo die Autos mit nur minimal verminderter Geschwindigkeit unterwegs waren. Aber Laziz war ja dabei und hat auf uns aufgepasst.
Blitzer gibt es zwar auch, aber eine witzige Alternative fand ich die Schulkinder aus Pappe am Straßenrand, die für den herannahenden Autofahrer aussehen, als stünde da tatsächlich gerade jemand,
der die Straße überqueren will. Damit gar niemand überhaupt erst einen Unfall baut, gibt es auf den großen Schnellstraßen regelmäßige Polizeisperren, wo LKW- und Busfahrer darauf geprüft werden,
wie lange sie schon unterwegs sind und dann ggf. direkt zu einer 10-minütigen Pause verdonnert werden.
Für den kleinen Snack zwischendurch gibt es entlang der städtischen oder vorörtlichen Straßen diverse Verkaufsstände, meistens für das typische
radförmige Hefebrot namens Obi-Non. Manchmal stehen die Brotöfen direkt an der Straße, die haben ein Loch oben drauf und die Brote backen an die Wand geklebt für nur ein paar Minuten, bevor sie
rausgeholt werden. Wen es interessiert, wie es in so einer Bäckerei und den Öfen aussieht, dem kann seine eine Youtube-Suche nach „Samarkand Brot“ empfohlen, da gibt es nette Einblicke. Die
Usbeken scheinen ihr Obi-Non zu lieben, man kriegt es überall und es ist sehr günstig. Wir konnten es aber tatsächlich nach spätestens einer Woche nicht mehr sehen, denn richtig lecker ist es
eben nur wenn es frisch aus dem Ofen kommt. Aber hübsch aussehen tut es so rund, goldbraun gebacken und in der Mitte mit einem Muster verziert, das mit einem Nadelstempel vom Bäcker reingestochen
wird. Und im Flugzeug gab es ein winzig kleines Obi-Nönnchen, das war niedlich – und fürchterlich trocken, also wohl eher als Deko auf dem Tablett gedacht.
Wir haben uns dann lieber auf dem Basar ein Blätterteig-Brot mit eingebackenen Zwiebeln gekauft und dazu einen Riesenberg frische Erdbeeren. Verhungern tut man also nicht.
Im Restaurant gab es dann meist die russisch-anmutende Küche: sehr Fleisch- und Reis-lastig. Ganz besonders angetan hat uns das Nationalgericht Plov,
das in riesigen Töpfen aus Reis, Zwiebeln, Möhren und Hammelfleisch zubereitet wird. Jede Region und Stadt scheint ihr eigenes typisches Plov-Rezept zu haben, also sind manchmal auch Rosinen
drinnen oder es gibt hartgekochte Wachteleier dazu. Auf dem Markt in Tashkent haben wir uns auch Plov geholt, da gab es wie es sich ganz traditionell wohl gehört einen Würfel Hammel-Fett mit auf
den Teller. Aber naja…nebenan gab es ganze geräucherte Schafsköpfe zu kaufen, also muss mal wohl nicht alles mögen.
Die typischen handgemachten Nudeln namens Laghman fand ich auch richtig gut, nur musste man da immer aufpassen, wie man sie bestellte, denn Laghman gibt es als Suppe, als Hauptspeise und als
Dessert.
Wie gut, dass ich nur wenig Fleisch esse und nicht ganz Vegetarier bin, sonst wäre ich in Usbekistan echt fehl am Platz gewesen. Vegetarismus ist ein ziemlich unbekanntes Konzept – kein Wunder, denn der Großteil des Landes ist Steppe oder Wüste, sodass Ackerbau und Landwirtschaft nur örtlich begrenzt möglich sind. Also isst man halt das was man hat, nämlich vor allem Ziegen, Schafe und Rinder, in Tashkent aber auch Pferdefleisch. In unserer Reisegruppe gab es neben mir ein paar andere, die auch gerne vegetarisch essen wollten. Dann wurde Laziz vom Oberkellner öfters mal ganz verwirrt angeschaut, als wollte er sagen „wie meinst du das, die wollen kein Fleisch?“ Die Speisekarte gab meist als einzige vegetarische Option einen Salat her, also wurden die üblichen Gerichte eben vegetarisch umgemodelt. So bekamen wir bei einer Großfamilie im Hinterhof unsere Suppe in vegetarisch – also die gleiche Rinderbrühe wie die Nicht-Vegetarier, aber jemand hatte die (meisten) Fleischstückchen rausgesammelt. Oder in einem Plov-Restaurant das gleiche Plov wie alle anderen, nur mit sehr reduziertem Fleischanteil. Ob eigens ein Hilfskoch eingestellt wird, wenn die europäischen Touristen kommen, der für das Fleisch-Rauspflücken zuständig ist?
Satt geworden sind wir in jedem Fall und das Essen war das kleinste Problem im Restaurant. Schwierig wurde es beim Bestellen und Bezahlen. Ein Hoch
auf bebilderte Speisekarten und Laziz, der allabendlich beim Übersetzen half. Wenn man bezahlen will, kommt der Kellner mit einer Rechnung, kann aber üblicherweise nicht abkassieren. Dafür geht
man mit seiner Rechnung und seinen Geldbündeln zu einem kleinen abgeschlossenen Kabuff im Restaurant, wo jemand mit der Kasse drin sitzt. Seltsam eigentlich, da üblicherweise nichts geklaut wird.
Laziz erklärte uns das mit den Grundwerten in islamischen und usbekischen Familien: wer klaut, bringt ungeheure Schande über seine Familie, und Familie steht über allem. Also klaut keiner.
Und in der Tat habe ich mich und meine Wertsachen selten irgendwo so sicher gefühlt wie in Usbekistan. Man sieht so gut wie keine Bettler auf der Straße und Obdachlose gibt es nicht, denn der
Staat baut genug Sozialwohnungen, die den Einkommensschwachen zur Verfügung gestellt werden, die zahlen so viele Miete wie sie können und nach mehr oder weniger langer Zeit wird ihnen die Wohnung
überschrieben und das Wohnungsproblem ist gelöst.
Erster Eindruck von Usbekistan: ein bisschen verrückt, ein bisschen chatisch, aber ganz doll sympathisch!
Kommentar schreiben