Es wurde mal wieder Zeit, ein bisschen unterwegs zu sein – oder eigentlich zwei bisschen, wenn ich drüber nachdenke. Die letzte Reise nach Finnland im Frühjahr war schon wieder so lang her, dass es mich dringend irgendwo hin zog, vorzugsweise ins Warme. Und nebenher habe ich mir endlich eingestanden, dass Greifswald und ich wohl keine Freunde fürs Leben mehr werden, also waren die letzten Monate vollgepackt mit Ortsüberlegungen, Wohnungssuche, Jobbewerbungen und schlussendlich Umzug in die nächste Hansestadt: ich bin jetzt Hamburgerin!
Weil es im September daher keine Messe in Cannes mehr für mich gab, wird’s mir wieder gut gemacht mit einer Messe in Paris im Oktober – ohne Boote beim alten, dafür aber mit Tee beim neuen
Arbeitgeber. Ich bin gespannt und bei Gelegenheit gibt’s mehr dazu.
Aber erstmal stand ja Urlaub an. Mama und ich wollten unbedingt auf Safari und Papa lässt es sich nicht zweimal sagen, wenn er seine Mädels glücklich machen kann. Die lange Recherchearbeit führte
uns zum Schluss, dass Südafrika zu touristisch für uns ist, und auf der Karte sieht es im Süden doch sehr sandig-trocken aus, wo wir es doch lieber steppig-grün wollten. Kenia war das Ergebnis
und damit äquatornah, mit überschaubarem Flugaufwand und zur perfekten Jahreszeit kurz vor Einsetzen der Regenzeit.
Fliegen tut man üblicherweise über Addis Ababa in Äthiopien und auch wenn es nur ein Zwischenstopp war, haben wir dort doch so einiges gelernt. Zum Beispiel war mir absolut neu, dass Äthiopisch eine eigene Schrift hat und eine hübsche noch dazu, ganz viele Kringel und Striche und ein bisschen anmutend wie Hieroglyphen. Trotzdem erkennt man natürlich die Coca-Cola-Flaschen. Beim Mittagessen in der riesigen Transit-Halle kriegt man allerhand zu sehen. Wir haben gelernt, dass Äthiopier ihren Kaffee zelebrieren und mit Popcorn servieren. Eine kleine Recherche hat ergeben, dass man den Kaffee, der vor dem Servieren dreimal gebrüht wird und daher nicht mehr sehr stark ist, mit Zucker oder Milch oder auch mit Salz oder Butter trinken kann. Sachen gibt’s…
Addis Ababa ist die Hauptstadt von Äthiopien und liegt über 2.000m hoch. Aber das Land hat auch Zugang zum Great Rift Valley, das sich etwa 5mm pro Jahr ausbreitet, wo zwei kleinere afrikanische
Erdplatten auseinander driften. Äthiopien teilt sich Landesgrenzen mit Kenia und Uganda, aber ich hatte nie drüber nachgedacht, dass das bedeutet, dass sie ähnliche Flora und Fauna haben wie
diese Länder. Man könnte also auch in Äthiopien auf Safari gehen und fast alle Steppentiere sehen, die es sich lohnt zu sehen – und das nur sechseinhalb Flugstunden von uns entfernt, wer hätte
das gedacht!
Addis Ababa scheint der typische Transit-Flughafen zu sein. Ähnlich wie in Dubai sieht man einen wunderbaren Mix aus Sprachen, Kulturen und Kleidungsstilen. Deutsche auf dem Weg nach Afrika
erkennt man erstaunlich leicht: es sind immer die in Trekkinghosen, Funktionsshirt und Wanderschuhen. Die eher arabisch oder afrikanisch anmutenden Menschen sind uns vor allem dadurch
aufgefallen, dass sehr viele von ihnen schlecht passende Schuhe anhatten. Sehr seltsam, wie viele Zehen vorne über die Kante stehen oder Fersen hinten.
Etwa so viele Sprachen, wie man am Flughafen gehört hat, gibt es auch in Kenia. Die Einheimischen fühlen sich bestimmten Stämmen zugehörig, die sich wiederum in Unterstämme aufteilen. Die meisten sehen sich als Bantu und dazu gehört auch Swahili. Insgesamt gibt es aber über 60 verschiedene Sprachen in Kenia, die meisten davon Abwandlungen voneinander und meistens können sich Angehörige verschiedener Stämme einigermaßen verständigen. Swahili ist eine der offiziellen kenianischen Landessprachen, die zweite ist Englisch – was einen Urlaub hier natürlich sehr entspannt macht. Oder wenigstens entspannter als in anderen afrikanischen Staaten, denn reines Schulenglisch reicht oftmals nicht aus, das Englisch der Einheimischen wirklich zu verstehen. Ich habe das Gefühl, meine AIDA-Aufenthalte in Jamaika haben mir geholfen. Zum Beispiel kamen wir an einem Werbeplakat vorbei, auf dem das „Oktobafest“ angepriesen wurde, das mutete doch sehr jamaikanisch an mit -a statt -er am Ende eines Wortes.
Unser Fahrer George, der uns in Nairobi direkt am Flughafen abholte, sprach auch Swahili, aber dazu sehr gutes Englisch und sogar recht gut Deutsch (was er aber weniger gern tat). Damit wir gleich ein bisschen was zu sehen bekamen, gab es direkt eine kleine Stadtrundfahrt durch Kenias Hauptstadt auf dem Weg zu unserer Unterkunft für die erste Nacht. Mitten im Feierabendverkehr schlichen wir in die Innenstadt und schon dabei gab es viel zu sehen: Wenn Stau oder stockender Verkehr herrscht, hüpfen Männer zwischen den wartenden Autos umher und versuchen, Ware anzubieten. Dabei gab es die zu erwartenden Wasserflaschen, Bananen oder Tütchen mit Nüssen, aber auch einen Mann mit dem Arm voll Lenkradbezüge, einen mit drei Paar Flipflops im Angebot und einen, der einen großen Spiegel durch die Gegend trug und präsentierte. Am Straßenrand gab es das lokale Gartencenter, da stand alles voll mit Töpfen und Tüten mit einheimischen Pflanzen, die man sich direkt in sein Auto laden lassen kann. Hübsch, denn zum Ende der Trockenzeit ist es unglaublich staubig überall. Die Brückenpfeiler zeigen Anzeichen dafür, dass sie vertikal begrünt werden sollen, das wäre vermutlich eine gute Idee, ein bisschen vom Staub zu binden.
Die Straßen sind unglaublich voll in Nairobi, aber man hört kaum Hupen und Bremsen quietschen, es scheint sehr verständnisvoll vonstatten zu gehen. Große Busse gibt es nicht, dafür aber Kleinbusse mit neun oder 14 Sitzen, die ihre Besitzer ganz bunt bekleben oder besprayen, das ist der öffentliche Nahverkehr. Später weiter außerhalb haben wir auch welche gesehen, wo tatsächlich eine Busnummer vorne dran stand oder manchmal auch ein Ziel. Bushaltestellen haben wir wenige gesehen und wenn, dann war es ein Busschild mitten im Nichts am Straßenrand, teilweise ohne dass etwas erkennbar in der Nähe dazu lag. Aber an manchen Stellen standen Menschen zusammen mit ihren Einkaufstaschen, die offenbar auf etwas warteten, und unserem Jeep wurde manchmal gewunken, also wolle jemand mitfahren.
Nairobi wirkt im Zentrum sehr modern und teilweise recht europäisch, wir waren auch von der Sauberkeit der Straßen überrascht. Nur hinter der Markthalle lag ein riesiger Berg Müll und da hatten
wir auch direkt unser erstes Wildlife-Spotting: ein Marabu-Storch stocherte im Müllberg rum. Die Viecher sahen wir später noch öfters. Sie gehören zu den „ugly five“, den fünf hässlichsten Tieren
im kenianischen Tierreich. Marabus haben einen kahlen Kopf wie Geier, da sie auch Aas fressen und generell alles. Sie haben einen sehr unschönen Hautsack unter dem Schnabel hängen, da ist eine
Art Säure drinnen, die ihnen erlaubt, sogar Knochen einfach zu schlucken und aufzulösen.
Man sieht eindeutig, dass Nairobi Hauptstadt und Regierungssitz ist und dadurch eher nicht so richtig afrikanisch aussieht. Aber vor den Toren der Stadt liegen trotzdem riesige Slums, unter
anderem der größte Slum Afrikas mit mehr als einer halben Million Bewohnern. Und hintendran direkt die schicken Hochhäuser mit verspiegelten Fenstern…
Wenn man aus der Stadt rauskommt, sieht man die spannendsten Konstruktionen, um Güter von A nach B zu transportieren. PKWs sind nur zweite Wahl als Transportmittel auf dem Land. Motorroller sieht man überall und die sind teilweise vollgepackt mit den absurdesten Dingen. Ein Mann fuhr im Korb hinten drauf sein Schaf durch die Gegend (das aussah, als genieße es den Fahrtwind), teilweise haben die Roller hintendrauf Kisten in die Höhe und manchmal auch in die Breite gestapelt, oder es sind Tüten mit Zeug irgendwo festgebunden, dass das Gefährt direkt viermal so breit ist wie üblich. Wenn man lange Metallstangen zu transportieren hat, zum Beispiel für eine Baustelle oder um einen Zaun zu bauen, dann befestigt man die einfach am Roller und zieht sie funkenstäubend über die Straße nach Hause. LKW gibt es auch, die kleineren sieht man manchmal auch mit riesigem Aufbau über dem Kabinendach. Wenn Platz ist, werden auch Menschen mitgenommen, zum Beispiel wenn unten drunter Vieh transportiert wird, dann stehen die Männer oben auf dem Dach und fahren mit.
Ziegen, Schafe und Zebu-Kühe sieht man sowieso überall entlang der Straße. Wer eine große Herde hat, geht mit ihr am Straßenrand zum Grasen spazieren. Wer nur einzelne Tiere hat, hat sie meist eher an der Leine oder pflockt sie irgendwo fest, dass sie nicht verloren gehen. Einen Kleinbus haben wir gesehen, als eine Frau mit ihren Taschen einsteigen wollte, da ging hinten die Tür auf und eine Ziege stand quer im Auto.
Sobald man aus dem Stadtzentrum rauskommt, sieht man unglaublich viel Vieh und dann auch schnell das „wahre Afrika“, an den Straßenrändern stehen die Blech- oder Holzverschläge, wo Leute ihre Waren anbieten. Was hier auf dem Land als „Einkaufszentrum“ gilt, ist eine Ansammlung von kleinen Steinhäuschen entlang der Straße, die meistens sehr auffällig bemalt und (fast ausschließlich auf Englisch) beschriftet sind. Von einer Straßenseite zur anderen braucht man unglaublich lang, denn die Läden sind meist nicht direkt an der Straße, sondern etwas zurückgesetzt und davor sind Marktstände, Leute waschen ihre Motorroller oder verbrennen Müll oder lassen ihre Ziegen nach etwas essbarem suchen.
Die Straßen aus Nairobi raus waren recht schön und neu, vor allem aus Nairobi raus ist aufgefallen, wie wenig Müll am Straßenrand liegt – dann sahen wir aber auch die Leute, die neben dem Verkehr langlaufen und Müll einsammeln. Irgendwann ist Nairobi vorbei und schwupps, ist auch der Müll wieder da. Auf den Dorfplätzen oder „Einkaufszentren“ liegen teilweise richtige Müllberge und es ist extrem staubig. Wenn Waschtag ist, gehen die Frauen gemeinsam am Fluss waschen, denn fließendes Wasser haben wohl die wenigsten auf dem Land, dann hängen danach die Büsche und Zäune voll mit Wäsche zum Trocknen – bei dem Staub stell ich mir aber vor, dass die sofort wieder gewaschen werden könnten. Laut Internet haben nur 29% der kenianischen Bevölkerung Zugang zu gescheiten Sanitäranlagen. Auf vielen Dorfplätzen haben wir zum Beispiel Klohäuschen gesehen mit zwei bis drei Kabäuschen und mehr oder weniger blickdichten Türen. Das waren mit Sicherheit keine Toiletten, wie wir sie kennen, aus Porzellan und so, sondern einheimische Toiletten mit Loch im Boden. Fahrer George hat sehr drauf geachtet, dass wir unsere WC-Stopps möglichst nur bei Toiletten europäischen Standards machen, also gab es die meist bei Touristenläden entlang der großen Straßen oder bei den Nationalparkeingängen.
Das coolste Klo gab es in einem der Schutzgebiete auf dem Weg zu unserem Picknick-Spot. Auf einer Lichtung hielt er an, drehte sich nach hinten und drückte mir einen Schlüssel in die Hand. Wir stiegen aus und am Baum hing ein Schild mit „Toilet“ und einem Pfeil, der zu einem kleinen versteckten Holzverschlag mit Tür zeigte, wo eine richtige Klobrille über dem Loch war und sogar eine Zeitschrift daneben lag. Das kam doch sehr unerwartet und aus Prinzip sind alle aus dem Auto drauf gegangen, egal, ob sie mussten oder nicht. Neben uns drei begleitete uns eine dreiköpfige Familie aus Sachsen, die die gesamte Reise mit uns unterwegs waren. Zu sechst hatten wir in unserem Jeep alle einen Fensterplatz garantiert und man stand sich nie im Weg rum. Mehr Leute hätten wir auch nicht sein dürfen – sonst wäre es hinten drin eng geworden mit dem Gepäck. Vorab wurde uns geraten, keine festen Koffer zu packen, sondern lieber schön knautschige Reisetaschen, damit man sie zur Not oben aufs Dach spannen kann. Aber dann hätten wir das Dach vermutlich nicht immer hochklappen können und für die Pirschfahrten ist ein offenes Dach schon super praktisch, um die Tiere ohne Fenster dazwischen beobachten zu können.
Aber bis wir zur tatsächlichen Safari kamen, mussten Kilometer um Kilometer zurückgelegt werden. Es gibt war einen Nationalpark direkt vor den Toren Nairobis, aber wir wollten ja die richtig
tollen Reservate besuchen und das geht eben nur, wenn man ordentlich Strecke dazwischen macht. Ich habe mal Google Maps befragt und schätze die Strecke zwischen unseren Unterkünften auf etwa
1.200 Kilometer – plus die tatsächlichen Pirschfahrten innerhalb der Nationalparks und Reservate. Von Nairobi ging es also erstmal knapp sieben Stunden gen Norden ins Samburu-Reservat, dann
entlang des Mount Kenya Bergmassivs, durch den Aberdare Nationalpark und das Hochland, runter in die Senke um Lake Naivasha, dann in die Region, die generell als „Maasailand“ bekannt ist, also
die Heimat der Masai-Stämme ist und weiter ins Masai Mara-Reservat.
Unser Jeep war unglaublich bequem, sodass das ganze Geruckel niemandem wirklich geschadet hat – denn natürlich blieben die Straßen nicht ewig so toll und neu. Wir sind Baustellen über Umleitungen
gefahren, die hauptsächlich aus Schlaglöchern bestanden, und Hauptstraßen gefolgt, die eigentlich gar keine Straßen waren, sondern mehr oder weniger plattgefahrene Staubpisten, … Aber wir wollten
ja Abenteuer und das bekamen wir: Abenteuer Afrika.
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