Wenn man schon einen Grund für Urlaub hat, sollte man auch Urlaub machen. Und es gibt ja wohl kaum einen besseren Grund als ganz viel Stress im September und Freundin Anne, die im Oktober eine Woche frei hat, um im Oktober gemeinsam eine Woche wegzufahren. Warm sollte es sein und am Meer, also entschieden wir uns für Griechenland.
Über Athen brauche ich euch nichts zu erzählen – aufmerksame Leser wissen schon alles von meinem Kurzurlaub dort 2014. Oktober hatte gleich zwei Vorteile: weniger Touristen und weniger Hitze als im Hochsommer. Vielleicht lag es an der fehlenden Hitze, dass wir mehr auf andere Dinge als das eigene Schwitzen achteten, aber uns fiel besonders auf, dass Athen echt kaputt ist. Man sieht an jeder Ecke die halb-zerfallenen Häuser, Stolperfallen auf den Gehwegen, nicht sehr saubere Hinterhöfe, … Also reichte Anne ein Tag in der Hauptstadt, bevor wir schon wieder abhauten. Ich kannte ja alles wichtige in Athen schon, und so gab es für mich nicht mehr allzu viel neues zu entdecken. Ein super leckerer und sündhaft teurer Cocktail mit einem Eiswürfel, der fast so groß war wie das Glas, war dann aber doch nochmal was neues und besonderes, gut dass es wenigstens unverbauten Blick auf die beleuchtete Akropolis dazu gab, sonst wäre ich ein kleines bisschen böse gewesen.
Was aber sein musste (und was mir beim letzten Mal Athen gefehlt hatte), war die Wachablöse vor dem Parlamentspalast. Zur vollen Stunde kommen zwei neue Wächter die alten Wächter ablösen, aber damit sie nicht so alleine dabei sind, werden sie von einem weiteren Wächter begleitet, der dann nach der Ablöse die alten Wächter auf ihrem Heimweg begleitet, wie nett. Was in London die Bärenfellmützen sind, sind in Athen die Puschel auf den Füßen – in meinen Augen der Hauptgrund, wieso man sich die Wachablöse anschauen muss. Ich hab gelesen, dass die Ablöse in Zeitlupe stattfindet, um den Kreislauf der Soldaten nicht zu überlasten, nachdem die eine geschlagene Stunde lang absolut bewegungslos an ihrem Posten standen. Sie heißen Evzone und sind schon seit Jahrhunderten die Elite der Militäreinheiten, also hoch angesehen und extrem diszipliniert. Ihre Puschelschuhe machen die Evzonen irgendwie sehr liebenswert. In zehn Minuten oder so wird ganz langsam ihre Choreographie gelaufen mit ganz viel Puschel-Gewedel, und man hört dank metallenen Stollen unter den Schuhen jeden Schritt auf dem Platz des Denkmals des unbekannten Soldaten. Wenn die neuen Wächter ihre Positionen eingenommen haben, kommt ein weiterer Soldat in normalen Tarnklamotten und richtet ihnen die Uniform mit fast schon liebevollen Bewegungen, indem er die Fransen am Rock auseinander sortiert und den „Zopf“ vom Hut ganz genau auf der Brust ausrichtet. Sehr witzig war das und sah so gar nicht nach Krieg und Zerstörung aus.
Weil uns Athen wie gesagt schnell zu voll und großstädtisch wurde, nutzten wir die Zeit dort für einen geführten Tagesausflug auf die Peloponnes-Halbinsel südwestlich von Athen. Um auf die Halbinsel zu kommen, muss man über den Isthmus von Korinth, was ein recht schmaler Streifen Land ist, der den Peloponnes mit dem griechischen Festland verbindet. Um die ganze Halbinsel zu umschiffen, musste man früher über 600km segeln, also wurde Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Bau eines gewaltigen Kanals begonnen, der den Isthmus an der schmalsten Stelle durchschneidet und die Fahrt um die Hälfte verkürzt. Weil das Land hier recht hoch liegt, musste der Kanal über 80 Meter in den Fels gegraben werden. Damit nicht alles wieder in sich zusammen fällt, wird der Kanal nach oben hin breiter, Wikipedia sagt 75 Meter oben und nur noch etwa 20 Meter ganz unten am Grund. Oben gibt es mehrere Brücken auf den etwas über sechs Kilometern Kanallänge und wir fuhren mit dem Bus auch über eine. So schnell kann man gar nicht gucken, wie man dann schon wieder auf der anderen Seite ist, denn 75 Meter ist wirklich nicht so viel. Zu Fuß durften wir dann aber nochmal schauen gehen und das ist schon ziemlich beeindruckend, wie es da so steil bergab geht. Kleine Kreuzfahrtschiffe passen durch, aber heute werden so gut wie alle geschleppt weil schon minimale Kursänderungen eine Verkeilung im Kanal bedeuten würden. Man könnte von den Balkonen auf beiden Seiten der Schiffe den Arm ausstrecken und die Wand berühren.
Weiter ging es nach Epidauros, wo ein UNESCO-Weltkulturerbe und eine der bedeutendsten antiken Stätten Griechenlands steht. Gebaut wurde das Gelände für den Gott der Heilkunst Askelpios, wer kennt ihn nicht. Man geht von ersten Siedlungen im 3. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung aus und irgendwann später entstand eine Pilger- oder Kultstätte, dort wo der Legende nach Asklepios geboren worden war. Laut Wikipedia kann man sich eine Pilgerfahrt wohl in etwa so vorstellen: Reinigung in einem Brunnen, Opfergabe, Schlafen oder Hypnose (im Traum wurde einem dann durch Asklepios gesagt, welche Heilmethode die beste ist), Priester-Gespräche, Behandlung durch Bäder oder Entspannung oder Medikamente. Weil man wohl länger in Epidauros blieb bis man geheilt war, musste es auch andere Angebote geben und so kam es zum Beispiel auch zum Bau einer großen Bibliothek und einem gigantischen Theater, das eines der ältesten in Griechenland ist. Mit Platz für 12.000 Besucher wird es im Sommer auch heute noch für Vorstellungen genutzt – ohne Mikrofone, denn es wurde so gebaut, dass man auch in den obersten Reihen durch perfekte Akustik alles hören kann. Das war beeindruckend und ein Mann stellte sich auf einen bestimmten markierten Punkt unten als wir gerade fast ganz oben waren und rezitierte Shakespeare und man hörte wirklich jedes Wort. Sachen gibt’s!
Auf dem Gelände gab es auch sonst noch viele Steine und Säulenteile, aber das Theater ist bei weitem das faszinierendste. Weiter ging es nach Mykene, auch UNESCO-Welterbe und vor Urzeiten mal der wichtigste Ort im ganzen Land. Heute steht noch eine Menge der Ruinen, praktisch der ganze Hang ist voll mit Steinresten. Besonders bekannt ist ein großes Stadttor, dessen Oberseite zwei sitzende Löwen in einem Relief zieren. Oben auf dem Berg stand mal ein Palast, aber wie immer in Griechenland braucht man sehr viel Fantasie um sich das alles vorstellen zu können. Heinrich Schliemann (von dem hab sogar ich schon mal gehört) hat hier viel entdeckt und ausgegraben, zum Beispiel riesige Grabanlagen entlang der Stadtmauer um den Palast.
Nur ein kleines Stück die Straße runter besuchten wir noch ein sogenanntes Beehive-Grab, weil es von der Form her aussieht wie ein Bienenkorb. Von außen erkennt man gar nicht unbedingt, dass es sich um Gräber handelt. Ähnlich wie auf den britischen Inseln wurden die Gräber als Hügel angelegt und wurden so mit der Zeit Teil der Landschaft. Aber hier gibt es gigantische Eingangswege und -tore, die dann wohl komplett verschüttet wurden, sobald die Toten beigesetzt waren. Heute gibt es noch ein dreieckiges Fenster über dem Tor, was es damit auf sich hatte, weiß man aber nicht. Es heißt, das sei hier das Grab von Agamemnon, aber heute weiß man, dass er wohl ziemlich sicher nie hier begraben war. Als das Grab freigelegt wurde, war es bereits beraubt worden, sodass man heute eigentlich gar nichts mehr weiß über die Menschen und die Dinge, die hier begraben wurden.
Noch ein kleiner Abstecher nach Nafplio, was mich doch sehr an die hübschen Altstädte der Adria erinnerte (nur ohne die vielen Stufen), und dann ging es zurück nach Athen. Unser Zimmer lag an einer der verkehrsreichsten Straßen, die mitten durchs Stadtzentrum führen, sodass die Nächte nicht wirklich erholsam waren – wie gut, dass es am nächsten Tag Zeit zum Schlafaufholen auf der fünfstündigen Fährfahrt nach Mykonos gab.
Ich glaube ja, Griechenland kann man gar nicht genug besuchen, denn jede Insel hat ein bisschen was eigenes und ähnelt den anderen nur bedingt. Mykonos jedenfalls hat ein bisschen was vom Flair Santorinis, aber ohne die steilen Hänge. Die große Bucht um Mykonos-Stadt sieht deswegen trotz der hübschen weiß-blauen Häuschen sehr anders aus als Fira, das auf Santorin die Steilküste entlang geklebt ist. Aus war es mit Mykonos auch mit der „nicht so dollen Hitze“ – nein, wir mussten sogar ein bisschen frösteln! Für einen halben Nachmittag am Strand und eine sehr aufregende Quad-Fahrt, bei der wir bestimmt sehr viele Autofahrer auf Mykonos‘ Straßen genervt haben, war das Wetter aber eigentlich ganz annehmbar. Für ein paar ganz gemütliche Tage, ein bisschen shoppen und schön essen war es allemal ein hübsches Örtchen.
Mykonos wird im Sommer täglich, im Oktober immerhin noch mehrmals pro Woche von riesigen Kreuzfahrtschiffen heimgesucht, die sich dann über den kleinen Ort und die Bucht ergießen. Also sind wir schnell nochmal geflüchtet und mit einer der ersten kleinen Fähren auf die benachbarte Insel übergesetzt. Die heißt Delos, ist nur ein paar Kilometer lang und besteht eigentlich nur aus einem felsigen Berg. Wohnen tut hier niemand mehr, außer ein paar Ziegen, Museumsangestellten und übergangsweise Archäologen, wenn wieder was ausgegraben wird. Ausgrabungen gibt es hier so ziemlich auf jedem Quadratmeter, denn die Insel war für die antiken Griechen ein heiliger Ort – also nochmal eine UNESCO-Stätte abgehakt. Artemis und Apollon sollen hier geboren worden sein, entsprechend gab es diverse Tempelanlagen, von denen man heute noch unglaublich viel zu sehen bekommt wenn man nach Delos kommt.
Besonders bekannt ist die sogenannte Löwen-Terrasse, wo etwa 600 vor Christus Leute aus Naxos bis zu 16 steinerne Löwen nebeneinander setzten, um das Apollo-Heiligtum zu bewachen. Heute sind es
noch fünf ganze und drei Teil-Löwen, von denen mal mehr und mal weniger noch erhalten ist. Die Originale sind zwar in ein Museum ausgelagert worden, aber zu sehen, wie schön die in der Antike
steinmetzen konnten, ist schon immer sehr faszinierend, wie ich finde. (Wobei ich vermutlich nicht unbedingt Löwen erkannt, sondern eher an zu groß geratene verkorkste Dackel gedacht
hätte.)
Für uns hieß der Delos-Ausflug einen Tag mit viel frischer Luft, toller Aussicht vom Berg und einer kleinen Meerwasserdusche auf der Heimfahrt, denn im Oktober gibt es eben neben weniger Hitze
doch auch mehr Wind und Wellen.
Alles in allem gab es wie immer in Griechenland viele alte Steine zu bestaunen, man muss ja schließlich auch was für die kulturelle Bildung machen – aber die Götternamen werde ich mir wohl auch
nach dem mittlerweile dritten Mal in Griechenland nicht merken können.
Und besonders eine Erkenntnis nehme ich für das neue Jahr mit: Urlaub im Juni und im Oktober erlauben dazwischen ganz viel Zeit für Messestress, ohne dass die Urlaubsentspannung drunter leidet.
Und der nächste Oktober-Urlaub ist schließlich auch schon wieder geplant…
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Michael aus Fulda (Freitag, 20 Januar 2023 17:50)
Nein, ich werde hier kein Loblied auf die Kultur der antiken Griechen singen und nicht auf ihre Leistungen auf dem Gebiet der Literatur (Odyssee), Philosophie (Platon), Kunst, des Theaters und der Wissenschaften hinweisen. Dafür reicht mein bisschen Verstand und der Platz in diesem Blog nicht aus. Es hat mich aber beeindruckt, dass sie über die Beschaffenheit der Materie nachdachten und die Atomtheorie entwarfen. Sie wussten, dass sich Schallwellen nicht wie Wasserwellen flächig sondern räumlich in Form einer sich ausdehnenden Kugel ausbreiten und nutzten das beim Bau der Theater. Wenn ihr Wissen nicht zeitweise verloren gegangen wäre, hätte Kolumbus die Gewissheit gehabt, dass die Erde eine Kugel ist. Das kann man ohne technische Hilfsmittel bei einer Mondfinsternis sehen, man muss nur genau beobachten und den Verstand gebrauchen. Magellan wäre bei seiner Umrundung der Erde beinahe verdurstet und verhungert, weil er die Größe der Erde unterschätzt hatte. Dabei wurde der Erdumfang schon über 1000 Jahre vorher von Eratosthenes erstaunlich genau berechnet. Ich bewundere seine Intelligenz, mit der er das gemacht hatte. Es erinnert mich an die Geometriestunden in der Schule.
https://www.deutschlandfunk.de/als-eratosthenes-als-erster-den-umfang-der-erde-berechnete-100.html
http://www.tiburski.de/cybernautenshop/virtuelle_schule/Strahlensatz/eratosthenes.htm
https://de.wikipedia.org/wiki/Eratosthenes