Pünktlich bevor die Winterjacke wieder aus dem Schrank lugt, musste ich schweren Herzens das Ende des Sommers einläuten. Und wie lässt sich das besser begehen, als mit einem letzten Mal Sonne tanken? Gar nicht, dachte ich mir, und so buchte ich mir kurzerhand für meine restlichen Urlaubstage einen Flug in den Süden.
Freundin Rita erzählte, dass Malta im Oktober so schön sei, also wurde mir die Entscheidung für ein geeignetes Reiseziel einfach abgenommen. Das passiert auch nicht so oft, aber ich bin froh, dass ich ihr dabei vertraut habe. Elf Tage Malta war eine großartige Idee und ein ganz hervorragender Ort, um nochmal ordentlich Sonne und Wärme zu tanken – ich schätze, die weißen Flipflop-Abdrücke auf den braunen Füßen erinnern mich wenigstens noch zwei Wochen, dass ich noch Wärme in mir haben sollte. Der Winter macht sich schon fast bemerkbar in Greifswald und tatsächlich kam am Tag nach der Rückkehr die Winterjacke aus dem Schrank. Um nicht ganz deprimiert zu werden, wenn ich drüber nachdenke, schwelge ich also lieber noch ein bisschen in Urlaubserinnerungen. Und wie ich euch kenne, wollt ihr gerne teilhaben, also here we go.
Und dann konnte ich mich so gar nicht dran erinnern, schon mal einen Blog zu Malta geschrieben zu haben – denn ich war ja schon mal da. Allerdings nur einen einzigen Tag 2018 auf dem Weg zwischen Griechenland und der Werft in Marseille auf AIDAbella. Damals hatte ich sogar einen richtig schönen Ausflug gemacht, zum Wandern an der Südostküste. Und für einen winzigen gehetzten Stadtbummel an der Waterfront in Valletta hat es sogar auch gereicht. Aber durchforsten des Blog-Dschungels hat ergeben, dass ich offenbar wirklich keinen Blog drüber geschrieben habe. Gibt es doch gar nicht! Also doppelt gut, dass ich jetzt nochmal da war, denn über Malta lohnt es sich ja soo viel zu berichten! Schande über mich, aber ich mache es ja jetzt elf-fach wieder gut, also keine Sorge, ihr verpasst nichts.
Weil Mama vor vielen Jahren mal in Malta war, fand der Reiseführer fast wie durch Zauberhand seinen Weg in meinen Briefkasten und die Planung konnte beginnen. Erst dann ist mir klar geworden, wie sehr mir das gefehlt hat. Denn nicht nur das Reisen ist ja das tolle (okay, es ist das tollste), aber auch die Planung und Organisation vorweg. Vorfreude ist halt doch schon viel wert. Aber vorfreuen ohne die wahre Freude durch das tatsächlich wegfahren, war auf Dauer die letzten zwei Jahre auch irgendwie uncool. Der Flug war schnell gebucht, die Unterkünfte auch. Es gibt ganz wunderbare Unterkünfte in Malta, wenn man sich von den großen Ketten fern hält. Für mich war es ein uraltes verspuktes Stadthaus in Vallettas Altstadt, ein nettes privates Boutique-Hotel in der alten Hauptstadt Rabat, ein Reihenhaus mit typisch hölzernem geschlossenem Balkon auf Gozo und ein verwinkeltes kleines Hotel in Sliema. Alles irgendwie urig und sehr nett. Und alles erstaunlich gut mit öffentlichen Bussen erreichbar, aber dazu ein andern Mal mehr.
Ganz untypisch für mich habe ich praktisch jeden einzelnen Tag meines Urlaubs komplett vorweg durchgeplant. Das mache ich eigentlich ungern, denn vor Ort findet sich dann doch immer noch was
tolleres und man wirft eh alles wieder über den Haufen. Aber ich brauchte einfach eine richtig intensive Urlaubsplanungs-Session nach so langer Zeit am gleichen Ort. Im Endeffekt entsprach mein
wirklicher Reiseinhalt dann ziemlich meinem Plan von vorher, also habe ich alles gesehen, was ich sehen wollte und vermisse nichts.
Erstmal blieb ich in Valletta und allein dort lohnen sich ein paar Tage absolut. Es ist eine der südlichsten Hauptstädte Europas und die kleinste Hauptstadt in der EU. Das ist viel wert, denn
eigentlich kann man praktisch alles in Valletta zu Fuß erreichen. Ein bisschen wie in Rom sieht es manchmal aus, denn auch hier scheint alles aus einem Guss gemacht worden zu sein. Alles, was
heute Altstadt ist, war früher eine riesige Festung, die im 16. Jahrhundert angelegt wurde. Weil Malta kaum bewaldet ist, hat man von früh an mit dem auf der ganzen Insel vorhandenen Kalkstein
gebaut und so sieht eben alles gleich aus und erstrahlt je nach Wetter und Tageszeit in ganz tollen beige-Tönen. Malta hat einen ganz eigenen Baustil und so wird die langweiligste Gasse zu einem
echten Highlight, vor allem wenn die Bäume außenrum noch in Blüte stehen und Farbe in die Straße klecksen. Eben genau deswegen, weil alles so schön zusammenpasst und ein hübsches Gesamtbild
macht, wurde die komplette Stadt 1980 zum UNESCO-Welterbe.
Valletta wurde als riesige Festung gebaut weil der Malteser Ritterorden der Johanniter den Plan geäußert haben und die anscheinend viel zu sagen hatten. Weil es vorher auf der Halbinsel von Valletta nicht wirklich Bauwerke gab, wurde die Stadt komplett geplant – und das erkennt man noch heute in den sehr strengen geraden Linien der Altstadt-Straßen und den sehr rechtwinklig dazu verlaufenen Gassen. Zuerst war es nur eine Burg am äußeren Zipfel der Halbinsel, heute heißt es Fort St Elmo. Nachdem die Ottomanen Mitte des 16. Jahrhunderts besiegt wurden, wurde die Burg auf die gesamte Halbinsel ausgeweitet mit riesigen Stadtmauern zum Hafen hin. Man erkennt noch, dass die Stadt von und für Ritter gebaut wurde, denn die steilen Straßen säumen heute ganz flache Stufen, die von einer Ebene der Stadt zur nächsten führen. Mit mehreren hundert Kilo schweren Rüstungen konnte man höhere Stufen in der sommerlichen Hitze einfach nicht bewältigen. Auch dass es früher eine riesige Festung war, ist heute unverkennbar. Ganz viele der alten Häuser haben im Erdgeschoss keine Fenster oder nur ganz kleine, denn man wollte vorbereitet sein auf etwaige Angriffe und jede Öffnung im Vorderhaus war eine potenzielle Gefahr. Mit großen Innenhöfen, die viel Licht reinlassen, braucht man die Fenster vorne zur Straße hin auch üblicherweise gar nicht.
Wenn man durch die Straßen schlendert, fällt das richtig auf mit den Fenstern. Ganz oft gibt es auch mehrere schmale Eingangstüren ganz nah beieinander in einer Häuserfront oder stattdessen eine
schmale Tür und ein breites Tor, was manchmal auch noch erstaunlich hoch ist. Das Erdgeschoss der meisten Häuser hat drei Meter hohe Decken, denn die Ritter mussten ja ihre Pferde irgendwo
unterbringen um möglichst wenig laufen zu müssen, also sind diese Tore noch heute als „Garage“ bekannt, wo erst die Pferde, später die Kutschen im Haus abgestellt wurden. Deshalb wurden auch nach
der Ritterzeit nicht unbedingt Fenster im Erdgeschoss gebraucht, weil dort sowieso hauptsächlich die Stallungen waren.
Der traditionelle Aufbau dieser Häuser gibt nicht wirklich was her für den für uns typischen Hausflur. Es gibt einen großen Raum direkt hinter der Haustür – entweder lässt man ihn ziemlich blank
und nutzt ihn auch heute noch als Garage oder Abstellbereich, oder wenn das Haus zu Einliegerwohnungen umfunktioniert wurde, dann wird dieser große Raum zum Wohnzimmer oder zur Wohnküche. Wenn
man also abends mal an offenen Haustüren vorbei läuft, schaut man den Leuten meist direkt auf Couch und Esstisch.
Weil deshalb die Wohnzimmertür gleich die Haustür ist und direkt auf die Straße führt und die alten Haustüren nicht wirklich dicht sind, bauen sich viele Malteser eine zweite Tür innen ein, fast wie ein Windfang, das ist dann oft eine Glastür, damit eben doch noch Licht von der Straße reinkommt, wenn man die Haustür abends aufmacht. Wenn die Sonne weg ist und die Luft abkühlt, wir dann auch die Glastür aufgemacht. Weil auf den Dörfern bis vor nicht allzu langer Zeit noch die Ziegen und Schweine frei rumgelaufen sind, musste man natürlich verhindern, dass Nachbars Bock plötzlich im Wohnzimmer stand, also hat sich ein Großteil der Hausbesitzer noch eine Art Gitter oder Gartentörchen vor die Haustür gebaut. Heute dient das vor allem dazu, dass Kinder und Hunde nicht auf die Straße rennen, denn der Verkehr donnert üblicherweise keinen halben Meter vor der Tür vorbei. Fußgängerwege gibt es, aber sie sind meist gerade breit genug für eine schlanke Person, wenn überhaupt. Das macht dann also drei Türen hintereinander. Verrückt. In Gozo hatte ich genau den Fall in meiner Unterkunft und mit dickem Rucksack ist das gar nicht so einfach, wenn man jede Tür speziell anheben und aufschließen muss, weil sich über den Tag alles hölzerne und metallene in der Hitze verzieht.
In meiner ersten Unterkunft in Vallettas Zentrum gehörte das gesamte Haus dem einen Eigentümer, sie funktionierten die „Garage“ zum Hausflur um und stellten alles voll mit alten Artefakten aus Jahrhunderten Familiengeschichte. John, der Haus-Ritter wachte über jeden, der reinkam und der Besitzer erklärte mir, dass man ihn besser jedes Mal nett grüßen solle, denn im Haus spukt es und man will ja Johns Geist wohlgesonnen bleiben. Der drei Meter hohe Hausflur öffnet sich zum Innenhof ohne separate Tür. Wenn man also im strömenden Regen das Haus verlässt, muss man sich im Treppenhaus schon die Regenjacke überziehen, weil man durch den Innenhof muss, in dem es dann auch regnet. Man fühlt sich aber gleichzeitig gar nicht, als wäre man draußen, denn mit vier Stockwerken drüber, merkt man von der frischen Draußen-Luft nicht viel. Die Stechmücken finden trotzdem rein und mit allen Fenstern nur Richtung Innenhof war das mein größtes Problem in den ersten vier Nächten auf Malta. Aber urig und gemütlich war es halt irgendwie schon.
Balkons hat man üblicherweise nur ganz schmale und sehr oft sind sie mit Holz und Glas geschlossen und dann schön farbig gestrichen – weitere Farbkleckser in den typischen maltesischen Straßen.
So einen hatte ich auch in Gozo, wirklich schön zum Frühstück morgens. Wirklich Licht kommt halt nicht unbedingt in die Räume dahinter, was ich etwas störend finde. Wenn alles zugebaut ist mit
extra Türen und Scheiben und Holzverschlägen, und Fenster dabei irgendwie zu kurz kommen, wird es manchmal sehr dunkel in den Zimmern. Andererseits wird es im Sommer auch sehr heiß und stickig
draußen, also ist es dann auch wieder verständlich, dass man alles zu macht, was nur irgendwie geht.
Ich habe sogar oft gesehen, dass Fenster im Erdgeschoss, die offensichtlich nachträglich eingebaut wurden, fast immer ein sehr breites Fensterbrett und eine zweite Scheibe und/oder Fensterläden
dahinter hatten. Das Fensterbrett wird dann für Pflanzen genutzt oder oft auch für die Zurschaustellung von religiösen Statuetten oder Heiligenbildern.
Allgemein scheinen die Malteser sehr religiös zu sein. Kirchenglocken bimmeln mehrmals täglich zu den Gottesdienst-Zeiten – auf Gozo hatte die Kirche in der Nachbarschaft täglich zehn
Gottesdienst-Termine, am Sonntag sogar stündlich zwischen 5 und Mittag und wieder stündlich ab 16 Uhr. Dann gibt es zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten, Todesfeiern, Namenstagen oder hohem
Besuch extra Kirchenglocken, die wirklich extrem penetrant sind. Es hört sich manchmal an, als würde jeder Glöckner seine Lieblingsglocke wählen und seinen Lieblingsrythmus und dann geht der
Radau los und zwanzig Minuten lang hört man sein eigenes Wort nicht mehr.
Fast alle Häuser haben einen Namen, das ist vielleicht der britische Einfluss, da wimmelt es an den Dorfstraßen ja auch vor „Ivy Cottages“ und „Pebble Houses“. Auf Malta sind das ganz oft
religiöse Namen oder auch nur eine Plakette mit dem Schutzheiligen des Ortes oder der Familie.
Die Kirchen stehen den ganzen Tag über offen. Ich erinnere mich an Anne und meinen Tagesausflug nach Gützkow im Frühjahr, wo wir gerne in die Dorfkirche schauen wollten und am Tor hing ein Zettel
„Die Kirche steht jedem Interessierten offen. Hierfür klopfen Sie bitte an die Tür von Hausnummer 12 die Straße runter, holen Sie den Schlüssel fürs Kirchentor und bringen Sie ihn nach Ihrem
Besuch dahin zurück.“ Das würde es in Malta wohl nicht geben. Kirchen haben offen zu sein und jeder kann rein wie er möchte und es gibt üblicherweise nur eine Kleiderordnung und das wars.
Richtig drin war ich in zwei Kirchen. Die St John’s Co-Cathedral in Valletta könnte von außen auch ein Rathaus oder die Verkehrsbehörde sein, ganz schlicht ohne Schnickschnack. Wenn man drinnen
ist, wird man aber dann erschlagen vor lauter Gold und Stuck und unglaublichen Marmormosaiken auf den Grabplatten im Boden.
Weil es auf meinem Weg lag, besuchte ich später auch noch das Nationalheiligtum. Das ist eine monströse Kirche, die auch von weitem schon danach aussieht, denn sie steht mitten in der Gegend mit
nichts außenrum außer einer großen Straße und einer Bushaltestelle. Die Basilika ta‘ Pinu liegt auf Gozo und wurde 1920 gebaut weil 150 Jahre vorher eine Frau aus dem nahen Dorf eine Erscheinung
der heiligen Maria hatte. Es heißt, die Frau wurde von der Gottesmutter aufgefordert, mehrere Ave Maria zu beten und daraufhin ist die totkranke Mutter gesund geworden. Seit dem Bau der Basilika
pilgern Menschen da hin und bringen Beweise für die Wunder, die ihnen geschehen sind. In einer seitlichen Kapelle hängen mehrere Wände voll mit Gipsverbänden, Krücken, Stützkorsetten,
Baby-Bildern, …
Weil außenrum aber wirklich so gar nichts war, blieb ich nicht lange nachdem ich die ganz wunderbar bunten Mosaike auf dem Kirchenvorplatz bestaunt hatte. Aber der Bus hält hier mindestens alle halbe Stunde, also kommt man genauso schnell weg wie man hingekommen ist, aber zum Busfahren auf Malta ein andern Mal mehr.
Kommentar schreiben
Michael aus Fulda (Donnerstag, 11 November 2021 18:07)
Vielen Dank für den Bericht über Malta. Das war eine gute Entscheidung, nicht in modernen Großhotels außerhalb der Stadt zu übernachten, sondern in Privatwohnungen direkt in der Altstadt. Dadurch warst Du viel näher am Leben der Einheimischen dran und hast, wie man heute so sagt, authentisch Urlaub gemacht. Bericht und Fotos sind so lebensnah, dass man meint, selbst dort gewesen zu sein.
Weil Du leidenschaftlich gern reist, gefällt Dir vielleicht das folgende Buch, das gerade erschienen ist und auf meinem Wunschzettel für Weihnachten steht. Es beschreibt, wie und wohin man in der Vergangenheit gereist ist.
Sabine Arqué: The Grand Tour. The golden Age of Travel (Sprache: Englisch, Französisch, Deutsch)
https://www.thalia.de/shop/home/artikeldetails/A1060284708
Joachim (Freitag, 12 November 2021 09:40)
Liebe Tanja,
wie immer habe ich deinen Blog mit Interesse und Gewinn gelesen. Dank dir!
Was ist denn eine "Co-Cathedral"? Du sprichst von St John's Co-Cathedral.
Freu dich auf den November und Dezember, dann wird es früher dunkel und man/frau kann zu Hause im Schaukelstuhl lesen mit einem guten Tee.
Z. B. das oben genannte Buch über die Grand Tour, die im 18. Jahrhundert alle wichtigen und noch mehr unwichtige Engländer gemacht haben - zur Bildung, nicht zum Vergnügen!
Gruß und Dank,
Joachim