Every little thing...

…is gonna be alright“ brüllte aus dem Radio als ich ins Taxi stieg, das mich vom Flughafen abholte. Ich hatte schon eine knappe Stunde in der zugigen Ankunftshalle gesessen, bevor mein Fahrer mich aufgabelte, während draußen die Welt unterzugehen schien. Aber scheinbar hatte ich damit schon gelernt, nach welchem Motto die Seychellen funktionieren: alles wird gut.

Pointe d'Esny, Mauritius
Pointe d'Esny, Mauritius

Mein Einsatz an Bord von AIDAblu war von Anfang an aus unerfindlichen Gründen verkürzt worden auf drei statt vier Monate. Vielleicht haben sie gemerkt, dass ich letztes Jahr mit 257 Tagen doch relativ viel an Bord war und ein bisschen Urlaub gebrauchen könnte. Egal wieso, jedenfalls musste dringend Urlaub her und wenn man schon mal im Indischen Ozean ist, kann man auch gleich da bleiben. Also verlegte ich meinen Heimflug um zwei Wochen nach hinten und plante noch ein bisschen an der Urlaubsbräune zu arbeiten, damit man auch erkennen würde, dass ich frisch aus der Sonne komme. Zwei Tage in Mauritius war das Wetter auch noch richtig schön, aber sobald meine kleine Air-Seychelles-Maschine nach dreiviertel des Weges so krass ins Schlenkern kam, wie ich es noch bei keinem meiner inzwischen 86 Flüge, dachte ich mir schon, dass die Sonne wohl in Mauritius geblieben war. Obwohl wir extra früh losgekommen waren, wurde es nichts mit der extra frühen Landung in Victoria, denn zuerst mussten wir eine halbe Stunde Schleifen fliegen, bis sich die Sicht über dem Rollfeld wieder so weit gebessert hatte, dass unser Pilot die Landebahn finden konnte. Krass, wenn im Flieger alles kreischt und schreit und weint – aber soo schlimm war es jetzt auch wieder nicht. Ein guter Pilot tut da in meinen Augen schon Wunder, wenn er die Passagiere regelmäßig informiert, was eigentlich Sache ist und warum es wackelt. Der schönste Service kam aber erst nach der Landung: als wir auf der Rollbahn den Flieger verließen, standen am Ende der Treppe Mitarbeiter vom Flughafen mit riesigen Schirmen, die wir uns für den kurzen aber sehr nassen Weg ins Terminal ausleihen konnten, sodass ich wenigstens nicht in nassen Klamotten auf meinen Fahrer warten musste.

wictigstes Denkmal der Seychellen: Little Ben im Zentrum des größten Kreisverkehrs Victorias
wictigstes Denkmal der Seychellen: Little Ben im Zentrum des größten Kreisverkehrs Victorias

Wirklich besser wurde der Regen nicht die nächsten Tage, aber hey: alles wird gut und so. Und solange der Regen warm ist und ich ein dichtes Dach überm Kopf habe, kann doch eigentlich nichts schief gehen. Der perfekte Strandurlaub sah trotzdem anders aus und so verbrachte ich die ersten Tage am Hang hinter der Hauptstadt mit grandiosem Blick über den Sainte Anne Marinepark und die vorgelagerten Inseln und eines schönen und erstaunlicherweise sonnigen Morgens sogar den einlaufenden Kussmund der AIDAblu. Viel zu entdecken gibt es wirklich nicht in Victoria, wenn man zwei Mal dort war, aber ein Extra-Bummel über den Markt hat noch nie jemandem geschadet und so konnte ich mich eindecken mit tropischem Obst, auf das ich so lange gewartet hatte, denn das dürfen wir aus Hygienegründen nicht mit an Bord bringen. Das Zimmer, das ich in einer kleinen privaten Pension bewohnte, war so am Arsch der Welt, dass ich bergab zu Fuß eine gute Stunde ins Zentrum brauchte. Aber ganz gemütlich beim pladdernden Regen im Bett und riesige Flughunde, die direkt vor meinem Fenster vor der wunderschönen Kulisse durch die Gegend flatterten – ja, doch, ich war im Urlaub angekommen.

nur ab und an ist es mal platt auf Mahé
nur ab und an ist es mal platt auf Mahé

Raufzus wollte ich mir die Bergstraße nicht antun – ich schätze, ich hätte bei der Steigung vermutlich um die drei Stunden gebraucht. Und weil Taxis den Seycheller Preisen entsprechend vergleichsweise viel kosten, nahm ich eben den Bus den Berg rauf. Ich wohnte noch oberhalb der allerletzten Haltestelle über Victoria, also war ein kleines Stück bergauf sowieso immer drin, aber Bus fahren auf Mahé ist auch was sehr besonderes. Offizielle Bushalteschilder habe ich nur am Bus-Terminal der Hauptstadt gesehen, ansonsten sind die Haltestellen irgendwo entlang der Straße verteilt, meistens dort, wo man sie am wenigsten erwartet. Wenn man Glück hat, ist am Rand der Straße ein großes „Bus Stop“ auf den Boden gemalt, wenigstens auf einer Straßenseite. Ich als doch-recht-häufig-Bus-Fahrer ging also davon aus, dass der Halt in der Gegenrichtung dann direkt gegenüber ist. Aber nein, man kann winken und fuchteln wie blöd wenn ein Bus vorbei rattert, aber der Fahrer guckt dann meist nur blöd und fährt weiter bis zur Haltestelle, die dann meistens noch drei Ecken weiter ist. Naja, wenn man’s weiß, wird alles gut. Und der nächste Bus kommt bestimmt. Meistens mindestens einmal in der Stunde, manchmal auch alle halbe, aber keiner scheint genaues zu wissen. Es gibt feste Zeiten, zu denen die Busse in Victoria losfahren und dann weiß man halt ungefähr, wie lang sie zu deiner Station brauchen. Auf meine Frage, wann denn meine Linie abends zum letzten Mal verkehrt, bekam ich als Antwort „Bis fünf. Etwa. Oder sechs. Oder war es sieben? Nein, ich glaube eher fünf oder sechs.“

Mittagessen mit bester Aussicht
Mittagessen mit bester Aussicht

Bus fuhr ich dann tatsächlich relativ viel und recht bald ist man ein kleiner Profi im Busfahren. Man plant schon vorher alle Ausgaben so, dass man immer sieben Rupien in Münzen im Geldbeutel hat, denn jede Fahrt kostet so viel. Egal, ob man nur zwei Stationen fährt oder quer über die ganze Insel, einmal einsteigen kostet sieben Rupien, egal wie lange man sitzen bleibt. Das entspricht etwa 46 Cent. Beim Einsteigen gibt man dem Fahrer seine Münzen und er verstaut sie sehr diebstahlsicher in einer der drei offenen Plastiktüten, die er in einer kleinen Kiste ohne Deckel neben sich auf der Ablage liegen hat. Jeder könnte einfach reingreifen, aber ich denke, hier tut man das einfach nicht. Einmal hatte ich nur noch großes Geld und musste ihm einen 50-Rupien-Schein geben (etwa 3,20€). Der Fahrer legte meinen Schein neben seine Plastiktüten und als ich zwanzig Minuten später ausstieg hatte er genug Fahrscheingeld gesammelt, um mir mein Rückgeld auf die Rupie genau zurückzugeben. Die Busfahrer scheinen alle super freundlich zu sein, auch wenn sie alle fahren wie die Henker. Um es dem Fahrer leichter zu machen, eine Haltestelle nicht zu vergessen, drückt man den Stop-Knopf generell mindestens zwei Mal hintereinander und dann nochmal kurz vor der Haltestelle. Wenn man sich immer noch nicht sicher ist, ob der Fahrer das schrille Läuten direkt über ihm auch wirklich gehört hat, ruft man noch mal laut von hinten – dann sind die Chancen relativ gut, dass er am gewünschten Halt auch wirklich hält, oder wenigstens doch am darauf folgenden.

Wenn man an einer Haltestelle steht, kann man davon ausgehen, dass innerhalb einer halben Stunde irgendwann mal ein Bus auftauchen wird, mit etwas Glück sogar einer der richtigen Linie. Kommt jemand anderes zur Bushaltestelle dazu, wird man üblicherweise gefragt „Wie lange stehst du hier schon?“, worauf man entweder antwortet seit wann man da ist oder wann man den letzten Bus vorbei hat fahren sehen. Daraus entwickelt sich recht häufig eine freundliche Unterhaltung, wodurch die Langeweile beim Warten erheblich gemindert wird. Ich habe sogar ein paar Freunde gefunden, die mich die nächsten Tage öfters am Straßenrand stehen sahen und grüßten oder für einen Plausch stehenblieben. Nette Leute, diese Kreolen.
Wenn man den Einheimischen näher kommen will, gibt es wohl nichts besseres als Busfahren. Die Kurven in den Straßen sind teilweise so extrem und die Fahrweise der Busfahrer so rasant, dass man nicht nur hin und wieder durch die Gegend purzelt. Die Busse haben links Reihen mit je zwei Sitzen, recht mit je drei. Die Busse sind nicht breiter als unsere europäischen, eher im Gegenteil, also könnt ihr euch vorstellen, wie eng das sein kann. Durch den Gang in der Mitte muss man sich quetschen, egal wie schlank man ist, und innerhalb der Grenzen eines Sitzes bleibt eigentlich keiner außer Kinder. Es ist heiß und alle schwitzen, also hilft es vermutlich, um nicht aus dem Sitz zu rutschen, wenn man sich möglichst eng an seinen Sitznachbar klebt. Berührungsängste darf man keine haben wenn man Bus fährt, aber wenigstens sind die Kreolen meist ein bisschen schlanker als die Südsee-Insulaner…

...und plötzlich war I-56 weggenickt
...und plötzlich war I-56 weggenickt

Vielleicht nehmen die sich einfach alle ein Beispiel an den Schildkröten, denn die gibt es hier gefühlt überall, auch wenn sie natürlich nicht mehr wild auf den Hauptinseln von Seychellen und Mauritius vorkommen. Die sind auch alle sehr entspannt und chillen ihr Leben. Sie können auch mal richtig flott sein, wenn man ihnen mit großen Blättern winkt, aber im Normalfall sind es doch sehr gemächliche Gesellen. Riesenlandschildkröten gibt es nur noch in zwei Sorten weltweit, einmal von den Galapagos-Inseln und einmal von Aldabra, einem Atoll, das zu den äußeren Inseln der Seychellen gehört. Alle Schildkröten, die man irgendwo auf den anderen Inseln findet, sind Aldabra-Schildkröten, die eingeführt wurden und heute vor allem zu Forschungs-, Zucht- und touristischen Zwecken dienen. 250 Kilo kann so ein Ding auf die Waage bringen und wenn man sich die Füße anschaut, will man nicht wirklich unter einem landen. Ihr Alter sieht man ihnen meistens an, denn nicht nur die Größe deutet natürlich darauf hin, sondern auch die Anzahl und Tiefe der Falten um die Augen. Ganz treudoof schauen sie in die Gegend, jedenfalls so lange bis man genau die richtige Stelle am Hals gefunden hat und so lange krault, bis die Augen zufallen. So geschehen bei einem meiner Ausflüge in Mauritius, wo ich auf die kleine Insel Île aux Aigrettes („Reiher-Insel“) rüber fuhr, wo die Schildkröten frei rumlaufen und die Wälder unsicher machen. Während der Ranger uns alles über die Insel erzählte, kam I-56 (hier haben die Riesenschildkröten alle Zahlen auf dem Panzer für die Forscher) ganz gemächlich angeschlendert und als ich begann, unterm Hals zu kraulen, wurde sein Kopf ganz schwer und er schlief doch tatsächlich nach drei Minuten einfach ein. Das war eine schwierige Operation, seinen Kopf so abzulegen, dass er sich nicht verletzte, und ich hatte am nächsten Tag Muskelkater im Unterarm.

Schlemmerzeit
Schlemmerzeit

Weil ich einfach nicht genug kriegen konnte von den sanften Dinos, ging es nochmal auf eine der Schildkröten-Inseln. Sie heißt Curieuse und ist nur per Fähre über die zweitgrößte bewohnte Seychellen-Insel erreichbar. Man könnte vermutlich auch hinschwimmen, denn sie liegt nur einen knappen Kilometer vom Strand an der Côte d’Or („Goldküste“) von Praslin entfernt, aber es gibt auch ein kleines Taxiunternehmen, das ein Wassertaxi anbietet, das einen zu jeder beliebigen Zeit nach Curieuse bringt und wieder abholt, wann man abgeholt werden möchte. Auf Curieuse war das Wetter auch tatsächlich ganz schön, wo es in Victoria noch zu regelmäßigen heftigen Schauern neigte, also war es ein perfekter Tag für eine Wanderung über die Insel. Curieuse ist Schutzgebiet und auch hier leben die Riesenschildkröten wild. Es gibt eine Aufzuchtstation für den Nachwuchs, der hier im Wald auf die Welt kommt, damit die Kleinen gleich perfekt versorgt werden und keinen Vögeln zum Opfer fallen. Die kleinen Riesenschildkröten sind winzig und wahrscheinlich ist es ganz gut, dass die Mama sie zum Schlüpfen allein lässt, sonst könnten die schnell mal unter die Räder kommen. Ab dem fünften Geburtstag dürfen die Schildkröten dann in die Wildnis und leben ganz entspannt in einem großen Garten am Strand. Außenrum wird drauf geachtet, dass immer genug Bäume mit großen saftig grünen Blättern rumstehen, damit die Schildkröten auch immer genug Touristen haben, die sie füttern.

schon sehr fotogen
schon sehr fotogen

Nach meinem Umzug näher zum Strand hatte ich sogar eine Haus-Schildkröte namens Francis. Als es dann aber vier Nächte am Stück so richtig krass gestürmt hat, dass die Palmwedel durch die Gegend flogen und meine Balkontür ratterte wie blöd, musste Francis aus der Gefahrenzone Garten gerettet und in einer Nacht-und-Nebelaktion an einen sicheren Ort gebracht werden. Da hatten es meine Geckos besser, die in meinem kleinen Bungalow mit mir wohnten und mich immer ganz keck hinter Vorhang vor beobachteten, während ich abends an meinem Blog saß. (Übrigens meine erste Unterkunft ohne Ameisen…yeay!)
Das Wetter scheint zu kommen und zu gehen, wie es grade lustig ist. Tagsüber war meistens wirklich die Sonne draußen, so dass wenigstens ein kleines bisschen Strand und Balkon möglich war, aber das perfekte Paradieswetter, das man von den Seychellen erwartet, war das beileibe nicht. Wie einer der Reiseleiter mir erzählte: ein frisch verheiratetes Paar hatte sich den Traumurlaub schlechthin für ihre Flitterwochen vorgestellt und da das Wetter der letzten Wochen einfach gar nicht ihren Erwartungen entsprach, sind sie nach drei Tagen wieder heimgeflogen. Schön blöd, wenn man sich einreden lässt, dass Regenzeit im Paradies immer noch so paradiesisch ist. Aber wie haben wir gelernt? Every little thing is gonna be alright!

 

 

 


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Kommentare: 2
  • #1

    Nancy (Mittwoch, 20 Februar 2019 09:21)

    Voll schön! Die Schildkröte �
    Ich beneide dich grad hehe
    Viele Grüße aus den sonnigen (seit Freitag) Ludwigsburg

  • #2

    Michael aus Fulda (Mittwoch, 20 Februar 2019 18:25)

    Das ist wieder ein unterhaltsamer Bericht mit schönen Fotos. Als Alleinreisende erlebst Du die Insel natürlich ganz anders als Pauschaltouristen.
    Ich habe mich lange gefragt, wie der Panzer bei den Schildkröten entwicklungsgeschichtlich entstanden ist und habe es dann zufällig gelesen. Heute fragt man einfach das Internet. Die Rippen haben sich verbreitert, sind zusammen gewachsen und die äußere Fleisch- und Hautschicht hat sich zurückgebildet.
    Übrigens gab es früher in guten Restaurants Schildkrötensuppe. Sie schmeckt so ähnlich wie Ochsenschwanzsuppe, aber pikanter. Dann kam die Suppenschildkröte unter Artenschutz und man bot die „falsche Schildkrötensuppe“ an, die „Mockturtlesuppe“ mit Kalbfleisch.