Am Abgrund

Mehr oder weniger weit weg von den Städten wird es spektakulär an Irlands Küste – und weit ist die Küste ja eigentlich nie weg. Wenn man irgendwann genug hat von Grün und Schafen, hält man sich Richtung Atlantik und weiß schon vorher, dass man mit gigantischen Ausblicken belohnt werden wird. Ganz oben auf unserer Liste stand eins der Highlights jedes Irland-Reisenden: die Cliffs of Moher.

Cliffs of Moher - die weniger besuchte Seite
Cliffs of Moher - die weniger besuchte Seite

Als gut vorbereitete Touris wussten wir natürlich, dass die Parkplätze am Besucherzentrum an den Cliffs of Moher super überlaufen sein würden und auch noch 12 Euro pro Person dafür wollen, dass man dort parkt. Also machten wir uns schlau und parkten acht Kilometer entfernt mitten im Nichts bei einer Familie, die ein Teil ihres Landes planiert und geteert haben, um den alternativen Parkplatz anzubieten. Hier zahlten wir 3 Euro Parkgebühren und wanderten entlang der Klippen fast allein, bis es dann in der Ferne glitzerte, wo hunderte von Bussen und PKWs auf einem fast quadratischen Fleck parkten und deren Insassen diese wahnsinnigen Ausblicke entgingen. Wir erwarteten Großes von den Cliffs of Moher, doch es stellte sich heraus, dass der Weg zum Besucherzentrum eigentlich das spektakulärste Stück war. Die Steilküste ist 14 Kilometer lang, wovon wir ja schon acht erlaufen haben. Am Parkplatz erfuhren wir dann auch, dass der Eintritt ins Besucherzentrum sogar umsonst ist, wenn man nicht auf dem Parkplatz parkt, also waren es tatsächlich drei gut angelegte Euros und nach einem kleinen Stärkungseis ging es den gleichen Weg entlang der über hundert Meter hohen Klippen zurück zum Auto mit Halfway-Picknick unter pinguinartigen Vögelchen, die Schwierigkeiten hatten, im starken Aufwind die Balance zu finden.

Mizen Head Bridge
Mizen Head Bridge

Dafür, dass die Cliffs of Moher eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Irlands sind (unglaubliche anderthalb Millionen Menschen kommen jedes Jahr!), fanden wir praktisch jeden anderen Abschnitt Steilküste entlang des Wild Atlantic Way beeindruckender. Zum Beispiel gibt es ganz unten auf der Irland-Karte den Mizen Head, den südlichsten Punkt Irlands, der durch eine tiefe Schlucht vom Festland getrennt wird, somit fast eine Insel ist und heute durch eine Brücke über diese Schlucht erreichbar ist. Eine alte Signalstation, die zur Navigation diente, steht oben und überblickt die unendlichen Weiten des Atlantiks. Und sowas ist doch viel cooler, als eine riesige Fläche Beton mit hunderten von Autos drauf und eine Klippe, von der man vor lauter Köpfen kaum was sieht. Wir waren bei weitem nicht allein am Mizen Head natürlich, aber der Unterschied war schon spürbar und wir konnten sogar ein paar Fotos ohne Menschen drauf machen.

Dunmore Point
Dunmore Point

„From Malin to Mizen“ heißt es oft, wenn man vom nördlichsten Punkt Irlands, Malin Head, bis zum südlichsten am Mizen Head fährt. Wir haben es andersrum gemacht und waren auch am nördlichsten Punkt der Insel. Oder auch „from Fair to Mizen“, also vom nordöstlichsten zum südwestlichsten Zipfel, und auch den Fair Head konnten wir auf unserer Karte abstreichen. Alle drei waren in unseren Augen beeindruckender als die Cliffs of Moher, was mal wieder zeigt, dass es sich doch lohnt, seine Hausaufgaben zu machen und im Urlaub eher den kleinen braunen Schildern zu folgen als sich nur den Tripadvisor- und Touristeninfo-Vorschlägen anzuschließen.
Am Malin Head waren wir so früh, dass wir sogar noch einen der beliebten oberen Parkplätze erwischt haben, als wir wegfuhren, stand unten tatsächlich eine kleine Schlange Autos. Eine Wetterstation steht auf dem blanken Fels, unter dem die Brandung ganz wunderbar Muster in den Atlantik malt. Sogar die Drehbuchautoren von Star Wars waren begeistert, denn einige Szenen aus den Letzten Jedi wurden hier gedreht.

Kinderstube
Kinderstube

Danach also hoch in den Nordosten zum Fair Head. Der Parkplatz dort hat Platz für ein Dutzend Autos, es steht eine ältere Dame rum und sammelt die zwei Euro Parkgebühr pro Auto ein und freut sich über einen kleinen Plausch. Das Auto abgestellt, schlappten wir über Schafsweiden und Traktorspuren und waren bis auf vier andere Wanderer und drei Kletterer in der näheren Umgebung allein auf einer knapp 200 Meter hohen Klippe, auf der die Schafe sich nicht mal von lauten Hüpfbildern aus der Ruhe bringen lassen.
Auch an der Nordküste waren sie kreativ beim Brückenbau. In 30 Meter Höhe baumelt eine Hängebrücke namens Carrick-a-Rede über einer Schlucht zwischen Festland und vorgelagerter Insel, sogar noch schöner als am Mizen Head. Die Einsamkeit sucht man hier vergeblich, denn auch hier kommt eine knappe halbe Million Besucher jährlich vorbei. Aber lohnen tut sich die Eintrittsgebühr allemal, denn die Brücke ist nicht nur spektakulär zum Überqueren, auch die Geschichte hat es in sich: Die Fischer der Region bauten die erste Brücke zur Insel schon vor 350 Jahren, denn ihre Fischerboote konnten nur an der Insel anlegen und nicht am Festland und irgendwie musste der Fang ja an Land transportiert werden. Fast jedes Jahr zerstörten die starken Winde im Winter die Brücke und sie wurde aufs neue über die Schlucht gespannt. Noch in den 1960ern war es eine Art Drahtseilakt, auf die Insel zu kommen. Heute ist die Brücke in einer Stahlkonstruktion verankert, die Überquerung erfolgt über feste Holzdielen, die seitlich mit einem Netz verstärkt sind, und man hat auf beiden Seiten stabile Handläufe. Trotzdem fühlt man ein kleines bisschen mit den alten Fischern, die bei welchem Wetter auch immer jeden Tag aufs Neue, zur Insel kraxeln mussten.

The Gobbins
The Gobbins

Wenn man in den Norden kommt, ist der Wild Atlantic Way zu Ende und wird fast lückenlos von der Causeway Coastal Route abgelöst, die sich bis an die Ostküste Irlands zieht. Eher zufällig hörten wir von „The Gobbins“, einem Wanderweg nicht etwa auf den Klippen, sondern entlang der Klippen. Nur ein paar Meter über der tosenden Brandung sind auch hier schon vor Jahrhunderten die Fischer, Piraten und Schmuggler an den Felsen entlang gestiegen, aber erst 1902 wurde das touristische Potenzial erkannt. Ein Eisenbahnbauer legte die Wege an, bis heute wurden ein paar Teilstücke ersetzt und umgeleitet, aber die Idee ist noch die gleiche. Wir hatten ein bisschen mehr sportliche Aktivität erwartet, denn knöchelhohe Wanderschuhe sind Pflicht und man darf kaum etwas mit auf den Pfad nehmen. Tatsächlich ist der Weg aber gut angelegt und das anstrengendste Stück ist der Fußmarsch hinauf bis zur Straße, wenn man vom Klippenpfad zurückkehrt.
Aber so nah ans Rauschen des Meeres kommt man nicht so oft ohne nass zu werden, also war es den Umweg doch wert. Und zur Krönung des schon gelungenen Tages, gab es endlich wieder ein bisschen Wildlife: Papageientaucher, ganz dicht über uns an der Felswand!

 

 

 

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Sonja (Samstag, 08 September 2018 10:23)

    Ganz wunderbar, die Weite und vermutlich auch die Stille (außer Wind).