Wie gut, dass Irland so viel Landschaft hat, da muss man sich nicht so viel in den Städten rumtreiben. Entlang unserer Route von Dublin nach Dublin kamen wir aber gezwungenermaßen doch durch die Metropolen und ein kleiner Stopp musste natürlich doch jedes Mal sein, wenn man schon mal dran vorbei kommt.
In Dublin begann unser Trip mit den ersten beiden Tagen mitten im Kneipenviertel Temple Bar, gleich um die Ecke vom Flussufer des Liffey. Interessanterweise gefiel uns Dublin beim ersten Mal gar nicht so sehr, sodass wir den zweiten Tag direkt abhauten und nach Howth entflohen, einer Halbinsel mit einem niedlichen kleinen Küstenort mit Leuchtturm und ganz wichtig: Seehunden! Zweiter Tag und schon gabs Wildlife! Dann im neuen Mietwagen plötzlich wieder links fahren und aus so einer riesigen Stadt rausfinden, das war auch gar nicht so einfach. Jedenfalls war der zweite Eindruck von Dublin dann sehr viel positiver als der erste. Als wir nämlich nach dreieinhalb Wochen und sieben Großstädten wieder zurück waren, war es plötzlich doch echt nett dort. Vielleicht muss ich also einfach mal wieder kommen (wie üblich) und mich noch einmal durch die Städte wurschteln, dann gefallen sie mir vielleicht alle plötzlich doch ganz gut.
Dublin ist extrem hektisch und voll, aber eben auch nur im irischen Vergleich. Irische Großstädte sind irgendwie alle ganz putzig, wenn man sie vergleicht mit Großstädten anderswo. In Berlin, Paris, Rom und London zum Beispiel fühlte ich mich bisher immer gehetzt und gedrängelt, als müsste ich permanent auf meine Siebensachen aufpassen. Obwohl Dublin Haupt- und größte Stadt Irlands ist, geht doch alles irgendwie gemütlich vonstatten. In der Grafton Street (laut Wikipedia übrigens die fünft-teuerste Straße der Welt) spielen Straßenmusiker, aber keiner zofft sich, denn man bewirbt sich um einen festen Zeitslot, in dem man spielen darf, und sobald der rum ist, haut der jeweilige Musiker wieder ab ohne zu murren und übergibt seine Bühne per Handschlag an den Nächsten. Wenn einer die traditionelle kleine Metallflöte oder eine irische Fiedel rausholt und zu spielen beginnt, dauert es meist nicht lang, bis irgendwo in der Nähe ein Mädchen anfängt, Stepp zu tanzen, und die ganze Straße applaudiert. Müll sieht man nirgends – offensichtlich hilft es, wenn alle 15 Meter ein Mülleimer in der Fußgängerzone aufgestellt wird. Kein Wunder, dass die Grafton scheinbar Mittelpunkt des Lebens am Tag ist. Nebenan, in Temple Bar, ist dann abends und nachts die Hölle los.
Temple Bar ist so richtig, wie man sich Irlands Städte vorstellt: enge kopfsteingepflasterte Gässchen mit typisch britischen Häusern, viele überquellende Blumenkästen vor den Fenstern in den
oberen Stockwerken und im Erdgeschoss ein Pub neben dem anderen. Für das gemütliche Feierabend-Pint war es uns aber meist doch zu voll und hektisch, also suchten wir uns lieber die
zweigeschossigen Etablissements aus, wo wir oben auch gleich noch Fish’n’Chips dazu bekamen und in Frieden unseren Cider trinken konnten. Naja, wir sind halt nicht die großen Partymäuse und
machen im Urlaub lieber gemütlich.
So ging es dann auch weiter, denn die nächste Stadt, die wir auf unserer Straßenkarte abhaken konnten, war uns gleich viel sympathischer. Cill Chainnigh oder Kilkenny hat Schloss und Kathedrale
und dazwischen eine Straße mit Häusern aus diesem wunderschönen rauen grauen Stein, den ich auch in England so liebe. Das hat auch einen Grund, denn die Stadt war lange Zeit englisch, wurde dann
aber tatsächlich auch mal irische Hauptstadt.
Städten mit Fußgängerzonen und Parkverbot in der Innenstadt gegenüber bin ich ja generell sehr freundlich gestimmt und da ist klar, dass mir Kilkenny gefällt. Außer Schloss und Kathedrale ist das wohl berühmteste Bauwerk ein kleines schiefes Häuschen, was von innen viel größer ist als von außen und in dem im 13. Jahrhundert eine Frau namens Alice Kyteler gewohnt und schließlich einen Pub eröffnet hat. Sie war eine wohlhabende Dame, die ihre Ehemänner wechselte, wie andere zu der Zeit ihr Badewasser. Als der vierte Mann im Sterben lag, wurden Gerüchte laut, dass Alice hinter der hohen Todesrate ihrer Männer steckte und sie wurde als erste Frau Irlands der Hexerei bezichtigt. Sie selbst entkam nach England, aber mehrere ihrer sogenannten Komplizen hatten nicht so viel Glück und wurden als Hexen gefoltert und verbrannt. Große Geschichte für so ein kleines Häuschen und es heißt, wenn man heute ins Kyteler’s Inn einkehrt und genau in die Ecken schaut, kann es gut sein, dass man dem Geist von Alice begegnet.
Zwei Nächte blieben wir in Kilkenny, denn es ist nicht nur voll von alten Geschichten, sondern auch noch schöner Ausgangspunkt für kleine Ausflüge in die Umgebung. Auf Anraten unserer Hostel-Bekanntschaften ging es also nach Waterford, „sooo einer schönen Stadt am Meer“. Begeistert waren wir nicht, also machten wir uns nach 20 Minuten Stadtbummel direkt wieder auf und fuhren richtig ans Meer. Alleine waren wir in Tramore zwar nicht am Strand, aber wenn man die Augen zu machte, sah man die anderen Millionen ja nicht. Wie schon erwähnt, waren wir ja genau im Jahrhundertsommer dort und eigentlich gibt es kaum was besseres, als bei dem Wetter am Strand rumzufläzen und sich so wenig wie möglich zu bewegen. Wäre da nur nicht immer so viel spannendes zu sehen…
Also ging es am nächsten Tag gleich wieder weiter, vorbei an diversen Kirchen, Burgruinen, Eseln am Straßenrand und Schafen auf dem Mittelstreifen. Kinsale hieß unser nächster Halt. Großstadt wäre hier aber wirklich übertrieben, denn es fühlt sich eindeutig an wie ein Dorf, wenn man abends am Fluss entlang spaziert und im Pub versackt, wo ein einzelner älterer Herr vor sich hin fiedelt und die Einheimischen die old Irish favourites mitgröhlen. Kinsale hatten wir vor allem auf dem Schirm wegen dem Old Kinsale Head, einem so genannten „Headland“, also einer Art Klippe, die wie eine Halbinsel ins Meer ragt und auf der man ganz hervorragend wandern kann. Oder so waren wir jedenfalls informiert von unserem schlauen Reiseführer. Es soll einen kleinen Leuchtturm geben und grandiose Ausblicke auf den Atlantik. Tja, Pech gehabt, dass wir nicht noch mal gecheckt haben, ob diese Infos auch noch aktuell sind – und so standen wir am Ende der Straße zum Old Head vor einem prächtigen gusseisernen Tor zwischen halb zerfallenen Mauern und erklärten dem netten Herrn im Frack von unserern großen Wanderplänen. Er war aber leider nur äußerlich nett und erlaubte uns nicht, in unseren bunten Wandersandalen das Tor zu durchwandern, sonst könnten uns ja die hochnäsigen Herrschaften im schicken Dress sehen, die das Headland heute für sich beanspruchen und viel Geld dafür bezahlen, hier golfen zu dürfen.
Aber es sollte noch genug andere Möglichkeiten geben zum Wandern und Klippen sehen, dazu aber später mehr. Am Wild Atlantic Way entlang dauert es nicht lang, bis man dann wieder in eine größere Stadt kommt, wenn man Kilkenny erstmal hinter sich gelassen hat. Cork ist praktisch gleich um die Ecke, und obwohl wir beide dachten, dass wir so viel gutes drüber gehört hatten, waren wir doch sehr enttäuscht. Nicht mal die alte Markthalle konnte das Bild ändern und mal wieder waren wir nach einer halben Stunde schon wieder on the road. Und dann kommt tatsächlich ganz lang nichts, was man Stadt nennen könnte. Killarney ist vielleicht die eheste Großstadt, aber da hält man sich nicht auf, weil man sofort weiter will in den Killarney Nationalpark, der sich direkt an die Stadttore anschließt. Und dann: Limerick. Auch hier Enttäuschung pur. Großstadt, grau in grau, und nicht mal einen sympathischen Pub zum WM-Schauen haben wir gefunden. Also sind wir am nächsten Morgen gleich wieder abgehauen, denn die wohl berühmtesten Klippen Irlands sind nicht mal hundert Kilometer weiter.
Ein letztes Mal wollten wir es aber doch noch versuchen und Irlands Metropolen eine Chance geben. Die Umgebung Galways ist schon sehr beeindruckend. Das Gebiet des „Burren“ macht so richtig doll
keine Lust auf Stadt, denn die blanken Hügel und Plateaus passen so gar nicht ins ewige Grün der Insel und sind gerade deswegen so besonders. Wir hätten locker den ganzen Tag auf unserer
Picknickdecke an der Kante hocken können mit unverbautem Blick bis Neufundland. Aber wir waren ja nicht zum Vergnügen da und hatten einen straffen Zeitplan einzuhalten, wenn wir es pünktlich zu
unserem Flug nach Dublin zurück schaffen wollten, also ging es weiter in die Bucht von Galway, wo man entlang der Küstenstraße die Stadt schon von weitem sieht, wie sie immer größer wird. Und
schließlich ist man da, wo Ed Sheeran und vor ihm schon Steve Earle ihre Galway Girls kennenlernten.
Und es gibt sie wirklich: die Großstadt, die wir mögen! Galway ist sympathisch und bunt, mit Fußgängerzone, kostenlosem Parken, Fluss mitten durch und Meer in der Nähe – was will man mehr? Den
Titel Lieblingsstadt Irlands hatte Galway sich damit schon nach den ersten Minuten in der Innenstadt verdient und keine der noch
folgenden Städte kamen da noch ran, auch wenn in Nordirland so viel mehr jüngere Geschichte zu finden ist.
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