Nach so viel See und vor allem so viel Gästekontakt mit den immer gleichen Gästen auf den ewigen Transreisen musste endlich mal wieder Urlaub her. So schön die Kreuzfahrt zu Neujahr auch war – irgendwie ist es eben doch Urlaub am Arbeitsplatz und das ist auf Dauer uncool. Also wurde endlich, endlich abgehakt, was schon seit Jahren auf Platz Nummer Eins meiner Places-To-See-Liste stand: Irland!
Mit Kollegin Isabel (den treuen Fans bekannt von den Einsätzen auf Prima und Perla) ging es also für dreieinhalb Wochen auf die „Emerald Isle“, die Grüne Insel, denn wo sonst findet man noch Leute, die so spontan so lang in Urlaub fahren können, wenn nicht unter den Seebären. Ganz spontan wollten wir sein und so haben wir immer nur ein paar Tage im Voraus unsere Unterkünfte gebucht und abends gemütlich im Pub mit Straßenkarte geschaut, wo wir die nächsten Tage rauskommen würden. Wir hatten einen kleinen Mietwagen gemietet, der dann glücklicherweise doch so groß war, dass beide Koffer und Rucksäcke komfortabel Platz hatten und sogar noch eine Ecke des Kofferraums für die Fress-Tüten frei blieb. Großes hatten wir vor, also mussten wir auch schnell aus Dublin verschwinden, wo wir die ersten Nächte verbrachten – dazu aber später mehr. Uns zog es möglichst schnell ins möglichst Grüne, denn das ist es schließlich, was den gemeinen Touristen nach Irland zieht. Wir wollten Wiesen, Weiden, sanfte Hügel und besonders wichtig: Schafe!
Und wir wurden nicht enttäuscht. Irlands Großstädte sind eigentlich gar nicht so groß und wenn man erstmal auf Dublins Ring Road ist, ist man gefühlt in ein paar Minuten aus der Hauptstadt
draußen. In Irland fährt man natürlich links, was kein großartiges Problem für mich darstellt, denn die beiden Autos, die ich selbst besessen habe, waren schließlich beide auf der linken
Straßenseite unterwegs. Um die Zweiter-Fahrer-Gebühr zu sparen, war ich der auserkorene Fahrer für den gesamten Urlaub und Isi der Navigator. Vielleicht ganz gut so, denn wer mich kennt, weiß um
mein unglaubliches Untalent mit Straßenkarten jeder Art.
Ich bin immer noch sehr stolz drauf, nur einmal im gesamten Urlaub angehupt worden zu sein, und das im Kreisverkehr, wo ich eigentlich schon drauf gewartet hatte, wann es endlich so weit ist.
Kreisverkehre sind wie in Australien auch irgendwie immer gigantisch groß oder winzig klein, was normalgroßes wie bei uns scheint es nicht wirklich zu geben. Man blinkt, wenn man hineinfährt
schon in die Richtung, in der man rausfährt, und meist gibt es mehrere Spuren und es ist relativ übersichtlich geregelt, auch wenn es von außen aussieht, als müsste es jeden Moment knallen.
Die Iren lieben Schilder. Ich meine mich zu erinnern, irgendwann mal gehört zu haben, dass Deutschland die meisten Verkehrsschilder pro Fläche hat. Das mag immer noch stimmen, denn in Irland sind
die meisten Schilder nicht wirklich verkehrsrelevant. Jedes Bed & Breakfast macht Werbung am Straßenrand, üblicherweise auf einem braunen Schild mit weißer Schrift. Sehenswürdigkeiten und
Aussichtspunkte werden teilweise schon Kilometer vorher angekündigt, immer auf einem braunen Schild mit weißer Schrift. Verwirrung ist da schon mal vorprogrammiert. Dann gibt es noch Restaurants
und Pubs auf dem Weg, die Werbung für sich machen, und Plakate, die das nächste Dorffest ankündigen. „Frische Eier“, „Frische Tomaten“, „Frische Erdbeeren“ wechseln sich ab mit „Torf zu
Verkaufen“ und „Frische Heuballen an Selbstabholer zu Verschenken“. Irgendwann gewöhnt man sich an, alle Schilder zu ignorieren, außer die braunen, denn schließlich sind wir vor allem für die
Sehenswürdigkeiten und Aussichtspunkte da.
Die regelmäßige Frage „Äh, wie schnell darf ich denn hier eigentlich?“ wurde mit ratlosen Blicken meines Navigators beantwortet und so wurschtelten wir uns halt immer irgendwie über die
Landstraßen. Es gibt klare Regeln in der gesamten Republik Irland, wie schnell man wo fahren darf: 50 innerorts, 80 auf Landstraßen, 100 auf der National und 120 auf dem Motorway. Damit fährt man
üblicherweise auch ganz gut, aber dann gibt es auch wieder diese Straßen, die nur noch von Schlaglöchern zusammengehalten werden und so ruckelig sind, dass man sich fühlt wie in einer Achterbahn,
und da werden die 80 plötzlich aufgelöst und man darf 100. Und das, obwohl man meist nur mit 40 unterwegs ist. Kurz vor Kreisverkehren haben die Iren die seltsame Angewohnheit, die
Geschwindigkeitsbegrenzung wieder höher zu legen. Wenn man also 70 in der Autobahnausfahrt darf, kommt ein 100er-Schild und dreihundert Meter drauf ist der Kreisverkehr. Naja, man muss nicht
alles verstehen – und wenigstens hatten wir sehr viel Spaß uns zu überlegen, wie hoch man wohl abheben würde, wenn man auf manchen dieser Straßen so schnell fahren würde, wie man dürfte.
Irlands Straßen sind eigentlich auch ziemlich eindeutig gekennzeichnet mit Buchstaben vor der Nummer, so wie bei uns. Jede Straße hat einen Namen, teilweise sogar Zufahrten zu Weiden, das sind
dann Local Roads und je kleiner die Straßen, desto mehr Ziffern haben sie hinter dem L. Wo immer es zeitlich ging, hielten wir uns an die Regionals und Locals, denn da sieht man am meisten von
der unglaublichen Natur, hat die besten Chance, einem Schäfchen über den Weg zu laufen und allein das Fahrerlebnis ist nicht zu unterschätzen. So aufregende Straßen hatte ich wirklich noch nie
und Isi hing regelmäßig halb in der Botanik am Straßenrand, wenn plötzlich ein unerwarteter LKW oder Reisebus entgegen kam. Erstaunlicherweise scheint es aber nie wirklich Unfälle zu geben, denn
die Einheimischen wissen um die Verwirrung der Touristen und helfen wo sie können. Man blinkt und winkt und ruft und wenn alle schön langsam machen, kommt man auch auf der engsten Straße
irgendwie aneinander vorbei.
Meistens wird man auch von entsprechenden Schildern gewarnt vor den extremsten Kurven (manchmal aber auch nicht, dann wird’s spannend) und vor versteckten Einfahrten und vor „Hidden Dips“, also
Kuppen, hinter denen ein Auto entgegen kommen könnte, was man nicht sehen kann. Die großen Schlaglöcher sind meistens auch angekündigt, die größten davon aber üblicherweise nicht. Wanderer,
Reiter und Radfahrer scheinen generell überall erlaubt zu sein außer auf dem Motorway. Einen halben Kilometer hinter der Auffahrt steht da ein Schild, was diese Leute warnt, dass sie hier nichts
verloren haben. Wie genau sie dann aber vom Motorway weg kommen könnten, wenn sie schon so weit gekommen sind, hat sich mir nicht erschlossen. Auf den Landstraßen trifft man auch regelmäßig auf
Radler am Wegesrand oder Wanderer, die sich gegen die Steinmäuerchen am Straßenrand drücken, wenn ein Auto (oder besser noch eins von jeder Seite) vorbeikommt.
Fahren macht einfach Spaß in Irland! Und am dritten Tag on the Road trafen wir tatsächlich die ersten Schafe mitten auf der Fahrbahn. Jeder ist sehr freundlich gegenüber Schafen und wir haben
kein einziges tot irgendwo liegen sehen (dafür extrem viele Dachse). Überraschend haben wir auch keine Cattle Grits gesehen, diese metallenen Gitter auf der Straße, die verhindern, dass Hufgetier
seine Farm verlässt. Offensichtlich wissen die einfach wie weit sie dürfen und farblich und mit Ohrring markiert sind sie sowieso alle. Jedenfalls passiert es öfters mal, dass ein Schäfchen seine
Herde verliert, manchmal mit einem treuen Kumpan im Schlepptau. Wie sich das gehört, bleiben sie natürlich auch immer mitten auf der Fahrbahn stehen, sodass auch ja jeder ausweichen muss, lassen
sich aber absolut nicht beirren von anderen Verkehrsteilnehmern.
Witzig wird es allerdings erst, wenn die Farmer den Verlust ihrer Schäfchen schon bemerkt haben und zum Einfangen aufbrechen. Dann stehen am Straßenrand Männer in Warnweste und rufen und
trampeln, bis die Entwischten das Loch im Zaun wiederfinden, aus dem sie ausgebrochen sind, oder die Stelle, an der man am leichtesten über die Mauer zurück auf die Weide hüpfen kann. Einmal
kamen uns zwei Widder auf einem Feldweg entgegen, hinter ihnen auch Fußgänger – da waren sie aber verwirrt und wussten gar nicht mehr weiter. Alle Fußgänger sind vorbildlich stehen geblieben,
aber erst als der Schäfer mit dem Quad auf der rechten Weide Lärm machte, trauten sie sich zurück auf die linke Weide, die zwar nach Hause aber vorbei an Kühen führte. Großes Kino, ich sag’s
euch!
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Michael aus Fulda (Donnerstag, 09 August 2018 20:48)
Sicherlich hast Du es als großen Kontrast empfunden, als Du nach dem Urlaub in Irland mit grünen Wiesen und angenehmen Temperaturen ins hitzegeschädigte Deutschland mit sonnenverbrannten gelben Wiesen und Temperaturen von 35 °C zurückgekommen bist. Weil Du in Irland warst und zur See fährst, habe ich hier einen irischen Komponisten. Charles Villiers Stanford hat die Liederzyklen „Songs oft the sea“ und „Songs oft the fleet“ geschrieben. Daraus das Lied „The Middle Watch“.
Video: The Middle Watch - Songs of the Fleet - C.V. Stanford https://www.youtube.com/watch?v=YZ_B2MZhzTo
Sonja (Samstag, 11 August 2018 08:21)
Die Schafe sind so cooooool! Eine tolle Reise, oder?