Kurzreisen sind nichts neues für mich, aber wirklich viele hab ich tatsächlich noch nicht mitgemacht. Mit Prima, Perla und Blu ging es für mich immer nur die regelmäßigen Routen entlang, bei denen es üblicherweise keine großartigen Katastrophen gibt. Wir wissen vorher, wie sich die Gästeschaft zusammensetzt: je nach Saison sind mehr oder weniger Kinder an Bord und je nach Fahrtgebiet sind es mehr oder weniger spendable Gäste.
Sogar die Küchen planen so im Voraus ihre Bestellungen. Wenn Ferien sind, braucht es eben mehr Fanta, wenn man in den Norden fährt mehr Rotwein als Weiswein und wenn man im Oktober unterwegs ist, braucht man mehr Bier. Getränke sind immer ein großes Thema an Bord, aber nie so sehr wie auf Kurzreisen. Wenn da falsch kalkuliert wurde, ist die Hölle los und alle haben super viel zu tun, um alles wieder ins Reine zu bringen. Einmal auf der Nordroute mit der Luna war eine Gruppe älterer Männer an Bord, die haben jeden Abend flaschenweise diesen einen Rotwein aus Südafrika getrunken. Egal, in welchem Restaurant sie essen waren, sie haben sich den Wein aus der Weinbar bringen lassen. Der war recht hochpreisig und entsprechend wurde er eher selten bestellt, aber diese Herren wollten nichts anderes. Den Wein spontan nachzubestellen war auch nicht so einfach möglich, also haben alle Kellner versucht, der Gruppe was anderes tolles zu empfehlen – aber ohne Erfolg. Sechs Tage vor Ende der 17-Tages-Tour war der Wein aus. Unser Proviantmeister hat dann für jeden der kommenden Häfen nach Lieferanten recherchiert und hat es dann tatsächlich geschafft, vor Ort noch ein paar Flaschen einzukaufen, sodass die Männer nur zwei Tage ohne ihren Wunschwein waren. Große Sache sowas, und natürlich hagelt es danach Beschwerden.
Noch schlimmer ist es, wenn das Bier aus ist. Die meisten finden irgendein Alternativ-Bier, wenn das von der Lieblingsmarke alle ist. Aber wenn einfach alles Bier plötzlich leer ist, weil so viel
mehr getrunken wird als kalkuliert war, ist das richtig unschön. Ebenfalls auf der Luna hatten wir da eine dreitägige Kurzreise von Hamburg. Abends haben wir losgemacht und waren mitten auf der
Nordsee Richtung England, als uns am ersten Seetag um 10 früh die Horrornachricht erreichte: das Bier ist leer! Dann wird natürlich erstmal alles aus der Crewbar abgezogen, um die Bars im
Gästebereich zu versorgen, aber trotzdem hat es nicht lang überbrückt. Da steigen sie einem alle aufs Dach und am meisten freut man sich nicht mehr auf die Häfen wegen der Ausflüge und festem
Boden unter den Füßen, sondern sehnt sich den Moment des Andockens herbei, in dem hoffentlich die lokalen Bierlieferanten schon auf der Pier stehen.
Hier auf der Bella schien jemand besser planen zu können und wir konnten unsere Kurzreisen in der Ostsee gut rumbringen. Selbst drei Tagen Mittelmeer ab Mallorca hielten die Biervorräte
einigermaßen stand – allerdings auch hier nur mit Zwischenlieferungen. Unser Proviantmeister hier ist schlau und hat standby-Bier bestellt, das wir vier Stunden vor Festmachen zu- oder absagen
konnten.
Kurzreise von Malle nach Malle war etwas besonderes, aber nicht unbedingt im guten Sinne. Die paar wenigen Pärchen und Familien, die an Bord waren, um Kreuzfahrt mal auszutesten, waren alle super
freundlich und sehr pflegeleicht. Bei Häfen wie Marseille und Barcelona, wo man eigentlich alles alleine machen kann, verkaufen wir eh hauptsächlich unseren Shuttlebus und kaum Ausflüge. Die
schlimmen waren die eher typischen Kurzreisenden: Kegelclubs, Junggesellenabschiede, Hausfrauenvereine, Geburtstagsgesellschaften, Familientreffen, … Die meisten Gäste gehörten einer Reisegruppe
an. Wir hatten Familien, die mit elf oder auch 17 Leuten an Bord waren. Die müssen erstmal unter einen Hut gebracht werden, egal ob im Spa oder in den Restaurants oder im selben Shuttlebus.
Richtig anstrengend sind aber die Gruppen junger bis mittelalter Männer oder Frauen, die nur im Pulk auftreten und öfters mal das gleiche Outfit tragen. Besonders aufregend: die AIDAholics waren
an Bord. Das ist eine Gruppe junger Leute, die sich vor vielen vielen Jahren mal auf einer AIDA-Reise kennengelernt haben und seither gemeinsam verreisen. Für sie ist AIDA das Größte und ein
anderer Urlaub kommt nicht in Frage. Sie haben ein Internet-Forum, wo sie ihresgleichen suchen und inzwischen ist das eine riesige Community, von denen immer Teilgruppen irgendwo zusammen
unterwegs sind. Wir hatten 90 von ihnen, die sich lautstark überall ankündigten, damit auch ja jede Abteilung wusste, dass sie da sind.
Zum ersten Mal in meiner Schiffskarriere musste ich meinen zugewiesenen Bereich bei der Seenotrettungsübung wirklich evakuieren. Normalerweise drehen wir eine Runde, prüfen, dass alles ruhig ist
und keine Gäste mehr unterwegs sind und das wars. Aber auf den Kurzreise mussten wir sogar ein bisschen laut werden und einmal sogar Hilfe von einem der kräftigen Barmanager mit Streifen auf der
Schulter holen, weil die Pooldeck-Nutzer einfach nicht einsehen wollten (oder alkoholbedingt nicht einsehen konnten), wieso genau sie jetzt ihre Rettungsweste anziehen müssen.
Wir hatten auf unserer Überführung nach Deutschland glücklicherweise nur zwei Kurzreisen und davon nur eine in Mallorca, sodass wir nicht allzu ballermanngeschädigt sind. Wir freuen uns dann doch eher auf die langen Trans-Fahrten und die schönen Wochenrouten, wo wir mehr Vielfahrer haben, die sich schon auskennen und für die es mehr Urlaub als Party an Bord ist. Wobei es ja auch unter denen alles mögliche gibt. Es gibt schon ziemlich verrückte AIDA-Fans, das muss man schon sagen. Wir sehen regelmäßig selbstgemacht T-Shirts, auf denen alle Schiffsreisen des Trägers vermerkt sind; teilweise gehen die Jahreszahlen darauf zurück bis Mitte der Neunziger, damit auch ja jeder sofort weiß, dass sie AIDA-Fans der ersten Stunde sind und jedes einzelne Schiff in- und auswendig (und meist besser als ein Großteil der Crew) kennen. Manche Gäste wechseln extra für ihren Urlaub die Brille zu der mit dem AIDA-Logo auf den Bügeln. Frauen kommen teilweise mit frisch gegelten Nägeln, auf denen der Kussmund prangt. Und die absolute Höhe: Auf der Blu kam mal eine etwa 40jährige Frau bei mir am Schalter vorbei, die den Kussmund auf dem Knöchel tätowiert hatte.
Solche Vielfahrer haben dann unweigerlich eine sogenannte Clubstufe, sie sind also so lange schon dabei und fahren so regelmäßig, dass sie Seemeilen sammeln (ja, wirklich) und dann im Bonusprogramm aufsteigen. Sie bekommen dann an Bord ein paar Vergünstigungen und immer auch ein sogenanntes Club-Geschenk. Das kann alles mögliche sein, ein kleines Täschschen oder ein schicker Kugelschreiber oder eine hübsche Tasse, alles natürlich mit dem AIDA-Schriftzug oder dem Kussmund-Logo drauf. Dazu gibt es immer einen Pin mit Jahreszahl und zu den Taufreisen einen mit Schiffsname und zum Firmenjubiläum und so weiter. Solche Logo-Artikel sind heiß begehrt bei den wahren Fans. Es gibt ganze Online-Foren, in denen AIDA-Pins getauscht werden und auch ebay hat ein großes Angebot an Kussmündern. Zum Beispiel findet man da „Fan-Sets“ bestehend aus einem Pin, einem Kugelschreiber (den man bekommt, wenn man lieb fragt, den man aber üblicherweise einfach mitgehen lässt), fünf Papiertüten aus dem Shop und fünf Logo-Servietten vom Mittagstisch. Verrückt. Aber offenbar bezahlen Leute dafür dann zehn Euro und mehr. Ich frage mich ja, ob es manchmal Gartenfeste mit AIDA-Motto gibt, während wir in der Crewmesse uns ärgern, dass die Servietten schon wieder aus sind.
Vor Maltas Küste schippert ein kleines Holzbötchen umher, das unseren Kussmund trägt, und das immer in Valletta liegt, wenn eins unserer Schiffe dort ist. Aber einer unserer größten Fans ist
Inacio auf Madeira. Seit fast zwei Jahren ist er ein Facebook-Freund, denn er scheint regelmäßig seine AIDA-Kontakte zu durchforsten und Anfragen zu verschicken, an alle, die nach AIDA aussehen.
Seit Anfang des Jahres in Funchal kenne ich ihn auch persönlich, denn er hat auch mich fast mit seinem riesigen selbstgemalten „Willkommen AIDA“-Schild fast von der Pier gefegt. Wenn keins
unserer Schiffe im Hafen liegt und er somit auch nicht im Hafen sein muss, ist er zu Hause bei seinen elf Hunden. Die heißen Cara, Vita, Aura, Diva, Bella, Luna, Blu, Sol, Mar, Stella und Prima –
und ja, das sind die Namen aller unserer Schiffe außer dem neusten. Ihr Zwinger steht direkt neben der Garage, die er zu einem AIDA-Museum aus Logoartikeln aus zwanzig Jahren AIDA-Geschichte
umfunktioniert hat.
Und Inacio ist der einzige, der es schafft, dass sich auch die längste Transreise mit den entspanntesten Gästen für ein paar Stunden wie eine Ballermann-Kurzreise anfühlt, nämlich dann wenn er an
Bord eingeladen wird und kostenlos an einer der Bars für alle Poncha mixt.
Zwei Kurzreisen haben mir definitiv gereicht und ich beneide die Kollegen auf der Sol absolut nicht, die in sechs Wochen sieben Kurzreisen hatten. Für uns hieß es hauptsächlich wieder ganz entspannte Transreise „nach Hause“, denn ab Mai fahren wir wieder unsere Sommerroute ab Kiel. Die Überführung war nichts allzu spektakuläres, denn ich kannte bis auf einen Hafen tatsächlich alle schon. Aber Valencia war auch eine schöne Sache, so typisch spanisch und eine schöne Ergänzung zu Coruña. Von Cádiz durfte ich nichts sehen, denn für mich ging es direkt in den Bus und ab Richtung Süden, so weit, dass ich schon fast in Afrika war. Nur vierzehn Kilometer weg, um genau zu sein, denn die Straße von Gibraltar ist tatsächlich nicht breiter an der engsten Stelle. Beeindruckend wirklich: da erfreut man sich an der sehr spanischen Landschaft, durch die man fährt, und dann hält der Bus, man steigt aus, läuft 200 Meter und bums, ist man in England! Es gibt Fish’n’Chips und Tea Shops und rote Telefonzellen, … Ich dachte ja immer, Gibraltar wäre nur der Fels und die Affen, die drauf leben, aber es gibt tatsächlich am Fuß des Felsens einen richtig putzigen Ort, in dem es wimmelt von Touristen. Aber wenn man wie ich Glück hat, trifft man im Schuhladen tatsächlich einen echten Briten und kann mal wieder so richtig herzlich über den englischen Humor lachen. Übrigens hat der mir erklärt, wer hier tatsächlich lebt: eigentlich nur Engländer, die England lieben, aber das Wetter dort hassen.
Ich hätte tatsächlich nicht gedacht, dass es so schön ist, in einen Hafen zu kommen, den man so richtig gut kennt. Aber so war es – als ich die Industriekräne im Hafen von Le Havre von weitem ausmachen konnte, überkamen mich schon leichte Heimatgefühle. Als ausgewählt wurde, wer die Ausflugspräsentation halten sollte, konnte ich nicht anders als gewinnen: mit 24 Anläufen in Le Havre und damit nur drei Ausflügen, die ich nicht persönlich mitgemacht habe, war ich Wunschkandidatin des ganzen Teams und konnte die wohl beste Präsentation meines Lebens halten. Schön war’s, wenn man nichts mehr vorbereiten muss, sondern eine gesamte Powerpoint von hundert Folien mit eigenen Fotos füllen und einfach aus dem Nähkästchen plaudern kann. Und wenn dann auch noch das Theatrium bis zum letzten Platz besetzt und man einen 600 Mann starken Applaus von drei Decks bekommt…hach, war es vielleicht doch die falsche Berufswahl und ich gehöre eigentlich auf die Bühne?
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Eltern (Samstag, 26 Mai 2018 11:25)
Falsch!!! Im Päckchen waren auch Aufkleber und 'ne Karte�