So eine halbe Weltumrundung ist schon was beeindruckendes. Während man unterwegs ist, merkt man eigentlich gar nicht, wie viel Strecke man zurücklegt, aber wenn man dann am Ziel ist und mal zum Reflektieren kommt, hat sich doch ganz schön viel verändert seit dem Beginn der Reise. Und besonders die letzte Woche unseres Weges hat viel Veränderung mit sich gebracht.
Plötzlich weht statt heißen Wüstenwinden nur noch eine angenehme Brise. Statt durch plattes Land fahren unsere Busse durch sanfte Hügel und statt dem ewigen Sand sehen wir Bäume und Sträucher und Gras. Ich glaube, ich habe mich selten so sehr gefreut, Gras zu sehen. Und damit änderte sich natürlich auch der erste Eindruck, den wir von einem Hafen haben: statt sandfarbener Landschaft ist es endlich wieder grün, wenn man rausschaut! Innerhalb von zwei Tagen haben wir nicht nur den afrikanischen Kontinent hinter uns gelassen, sondern auch die Aufteilung des Jahres in trockene und feuchte Zeiten. Innerhalb von zwei Tagen ist plötzlich wieder Frühling. So richtig bewusst wurde mir erst, wie sehr ich Frühling doch mag, als ich in Olympia zwischen den Ruinen der Tempel und alten Sportarenen umherspazierte. Mich störte gar nicht, dass nirgends ein Kamel in Sicht war, denn alles blühte, raschelte, duftete und strahlte in Grün, Weiß und Rosa. Mann, war das schön nach so langer Zeit im ewig gleichen Licht. So sehr ich Wüste auch mag, irgendwann reicht es dann halt doch. Und wie ein Kollege so passend kommentierte: „Der Sommer ist rum, endlich Frühling!“
Europa empfing uns mit strahlendem Sonnenschein – und das, obwohl wir extra schon unsere dicken Pier-Jacken bekommen hatten und uns auch schon die Softshell-Jacken aus dem Shop holen durften. Und dann haben wir uns in langen Hosen und Schal halb totgeschwitzt beim Spaziergang durch Knossos auf Kreta und beim Aufstieg auf die Akropolis in Athen. Am dritten Tag Griechenland hatten es dann aber doch alle Scout-Kollegen begriffen und wir schlappten endlich wieder in kurzen Hosen durch die Ausgrabungsstätten von Olympia. Knossos und die Akropolis kannte ich schon von meinem Urlaub bei Camilla vor ein paar Jahren, aber Olympia war neu. „Schon wieder so ‘ne Ausgrabungsstätte“ haben einige der Kollegen und auch viele der Gäste gesagt, aber Olympia ist wirklich eine tolle Anlage. Vor allem war es morgens noch fast leer und dadurch so still wie seit meinem Aufstieg in Kuala Lumpur auf keinem einzigen meiner Ausflüge. Die Anlage hat etwas total friedliches wenn die Sonne erst halbhoch am Himmel steht und noch keiner unterwegs ist außer der Spatzen.
Olympia ist nicht nur die Ausgrabungsstätte des antiken Olympia, sondern auch der Ort nebenan. Der ist auch richtig niedlich mit vielen Geschäften und Restaurants an einer hübschen Fußgängerzone, aber eigentlich kommen Leute her wegen den Überresten der alten Tempel und Sportstätten. Man schätzt die erste Bebauung auf sehr sehr weit vor unserer Zeitrechnung, aber im 11. Jahrhundert wurden hier die Tempel und Stätten zu Ehren des Göttervaters Zeus errichtet. Das Gelände galt als Heiligtum, aber ein paar Jahrhunderte später begannen die Einheimischen, hier sportliche Wettkämpfe abzuhalten. Das waren die ersten Olympischen Spiele der Antike. Erst 550 n. Chr. rum wurden sie wohl vollends eingestellt, da die Stätte zerstört wurde. So ganz genau weiß man nicht, warum, aber heutzutage können die Archäologen ja mit ihren Pinseln und Mikroskopen sehr viel rausfinden und man geht davon aus, dass es ein Erdbeben oder eine Flutkatastrophe war, was die Gebäude zum Einsturz brachte und im Laufe der Zeit wurde alles von Sand und Erdreich bedeckt. Erst vor zweieinhalb Jahrhunderten fand man Olympia wieder und erst Ende des 19. Jahrhunderts hat man angefangen, hier zu graben und freizulegen.
Heute kann man sich gar nicht mehr richtig vorstellen, wie das damals wirklich alles aussah. Aber so ging es mir in Knossos und auf der Akropolis auch – man sieht zwar Zeichnungen und Modelle,
aber für mich wirkt das immer sehr unwirklich. Ich kann mir das nicht vorstellen, wie so eine zerbröckelte Säule mal Teil eines gigantischen Tempels war, oder dass im Stadion mal jemand ernsthaft
gerannt ist um zu gewinnen, und nicht wie heute eine Horde Jugendlicher, die sich mal wie Olympioniken fühlen wollten. Und wie man früher sowas überhaupt errichten konnte, wird mir wohl auf immer
ein Rätsel bleiben.
Weil ich aber nun eben doch schon sehr viele alte Tempel und Ausgrabungsstätten gesehen habe, faszinierte mich eigentlich wirklich hauptsächlich die Ruhe an dieser doch sehr bekannten
Touristenattraktion. Klar, waren ein paar unserer AIDA-Gruppen gleichzeitig dort – von vier Ausflügen, die wir in Katakolo anbieten, gehen alle vier ins antike Olympia – aber irgendwie wird doch
jeder ein bisschen andächtig, wenn man an einem so friedlichen blühenden Ort ist. (Und das natürlich ganz besonders am Tag nach der Akropolis, die von Gästen gleich dreier Kreuzfahrtschiffe im
Hafen von Piräus bevölkert wurde.) Und außerdem wird hier alle vier Jahre das Olympische Feuer entfacht und die Fackel tritt hier ihren Weg in Richtung des Austragungsortes der Olympischen Spiele
an.
Zurück in Europa fühlt es sich für mich immer an, als wäre ich grade erst weg gegangen. Wenn man wieder kommt, nachdem man „im Exotischen“ unterwegs war, fühlt sich alles seltsam vertraut an, wie
ich finde, und das obwohl Griechenland ja nun wirklich nicht Zuhause ist.
Je mehr ich von der Welt sehe, desto seltsamer wird auch mein Zeitempfinden. Jetzt bin ich seit sechs Wochen an Bord und einerseits wirkt es viel kürzer als die Länge der Sommerferien in der
Schulzeit und andererseits muss ich mich schon selbst dran erinnern, dass ich in den sechs Wochen in neun verschiedenen Ländern war. Verrückt, wie man manchmal selbst nicht mehr hinterher kommt,
bei allem, was so passiert. Aber jetzt gibt es zum Glück nur noch einen Hafen und dann kommt das nächste Highlight meiner Reise, bei dem hoffentlich ein bisschen mehr Zeit zum Reflektieren und
Fotos-Sortieren bleibt.
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