Wo die Platten sich treffen

Der Plan, 30 Länder bereist zu haben, wenn ich 30 werde, kann ich wohl vergessen. Auf dem Schiff geht das super schnell, viele verschiedene Länder zu sehen: allein seit meinem Aufstieg auf die Prima letztes Jahr sind neun neue Länder auf meiner been-there-Liste dazu gekommen. Auf eins der neuen Länder habe ich mich aber schon besonders gefreut, weil es so was spezielles sein soll: Island.

Auslaufen aus Akureyri, Island
Auslaufen aus Akureyri, Island

Auf der Messe wurde ich am Cook Islands-Stand von unzähligen alten Leuten angesprochen, was genau wir denn genau in Island so anbieten. Die absoluten Profis kamen an mit „Wir würden uns gern informieren über die Kochkurse in Island“…naja, ist ja auch klar, dass es sich um Island handelt, wenn da weiße Strände, Palmen und Menschen im Bikini auf den Plakaten zu sehen sind. Also war ich ja eigentlich schon fast da, in Island. Aber dann wirklich hin zu kommen, war doch ganz geil.

 

über die Churchill Barrier auf eine der Skapa Flow Inseln
über die Churchill Barrier auf eine der Skapa Flow Inseln

Damit wir ganz gemütlich mit unserer Sommerroute im Norden beginnen können, ging es in bekannten Gefilden los. Großbritannien liebe ich ja sowieso, aber Schottland ist nochmal ein Spur toller irgendwie. Und weil wir ja auf einem Schiff sind und eh Richtung Norden unterwegs, warum dann nicht gleich nochmal ein paar mehr Inseln abfahren. Erster Stopp der Nordroute also: die Orkneyinseln vor Schottlands Nordküste. Und schon beim Anlegen der erste Bissen britischen Humors: die Hauptinsel heißt Mainland.
Das Hauptörtchen Kirkwall hält, was Schottland verspricht: klein, gemütlich, langsam. Die Laternenpfosten sind in rote Klatschmohnwiesen eingehäkelt, jeder zweite Laden hat ein „Insel-“ im Namen.

 

die italienische Kapelle - Holz von versunkenen Fischerkähnen, Metal von alten Fleischbüchsen, Geländer aus Beton, Hülle aus Kasernenbunker
die italienische Kapelle - Holz von versunkenen Fischerkähnen, Metal von alten Fleischbüchsen, Geländer aus Beton, Hülle aus Kasernenbunker

Der Bus ist eigentlich das falsche Transportmittel für die Orkneys, es gibt so viel zu sehen, da ist ein Busfenster immer im Weg. Aber das ist hier schließlich kein Urlaub, also darf ich mir nicht alles aussuchen. Es gibt so tolle kleine Strände und Buchten, eigentlich würde man gern hier Rad fahren, wenn man das sieht. Auch, wenn das Wetter typisch schottisch undefinierbar war. Es gibt ein paar kleine Inselchen vor der Bucht Skapa Flow, also gab es mehrere Zugänge zu der Bucht. Um die Bucht im Krieg zu schützen, wurden in allen Zuflüssen zwischen den Inselchen alte Schiffe versenkt, damit keiner mehr durchkam. Dann kam doch einer durch und hat die britische Flotte angegriffen, also hat Churchill beschlossen, die Barrieren in den Zuflüssen permanent zu machen und so wurden die Kriegsgefangenen eingesetzt, um die sogenannten Churchill Barriers aufzuschütten – und deswegen kommt man jetzt mit dem Bus auch auf die Inselchen und zur Kapelle, die die italienischen Kriegsgefangenen aus all den Materialien zusammengezimmert haben, die sie eben hatten. Richtig schön, dafür dass es von außen nur ein rohrförmiges Kasernenhaus ist.

 

Verabschiedung aus Kirkwall
Verabschiedung aus Kirkwall

Der beste Whisky der Welt soll übrigens von hier kommen. Highland Park heißt die Destillerie, wo wir eine Führung hatten. Und so gerne ich auch übersetze auf den englischsprachigen Ausflügen – die Prozesse der Whiskyherstellung von schottisch zu übersetzen, war dann doch kein Spaß.
Am Ende des Tages liebten uns die Insulaner so sehr, dass sie uns drei kleine Mädels an die Hafenmauer schickten, die uns mit Highland Dance in traditioneller Tracht beglückten und begleitet wurden von einem alten Herrn mit Dudelsack, der so laut getrötet hat, dass selbst an Bord die Scheiben geklirrt haben.

 

Island: Meer, Lava, Wikinger, das wars
Island: Meer, Lava, Wikinger, das wars

Noch kälter und ekliger wurde das Wetter dann, je weiter wir nach Norden kamen. An die Zeiten, in denen wir in der Mittagspause zwei Stündchen auf dem Pooldeck in der Sonne lagen, erinnern wir uns nur mit einem müden Lächeln zurück. Scheint, als ist das schon Monate her, wenn man die Suppe vor den Bullaugen schon beim Frühstück sieht. Der erste isländische Hafen brachte uns ganz schnell auf den Boden der Tatsachen zurück und bewies uns, dass es in der Tat sinnvoll ist, fünf verschiedene Jacken im Schrank zu haben. Für mich ging es zur Landschaftsfahrt durch dicken Nebel. Aber immerhin die Lavafelder zu beiden Seiten der Straße hat man noch einigermaßen ausmachen können, das ist schon recht beeindruckend. Man ist kaum aus Reykjavík draußen, da ist die „Autobahn“ einspurig in jede Richtung, die Außenbegrenzungen hat man sich gleich gespart und 20 Zentimeter neben der Fahrbahn fängt so richtig unwegsames Gelände an. Der Boden ist schwarz, ein bisschen Moos auf den Lavabrocken, aber kein Baum, kein Strauch, kein Leben.

 

auf der Vogelinsel vor Isafjördur gibts dann doch ein bisschen Leben
auf der Vogelinsel vor Isafjördur gibts dann doch ein bisschen Leben

Wieso Menschen hier beschlossen, zu siedeln, ist mir ein Rätsel. Es ist nicht mal die Art vulkanischer Boden, die super fruchtbar ist, nein. Einfach nur das große Nichts. Direkt an der Küste ist das schon verwirrend. Da stehen Häuser auf Pfählen, weil der Grund so uneben ist und es ist einfach nicht erkennbar, wieso jemand genau da sein Haus baut – kein erkennbarer Weg zur Wasserkante, kein Strand, kein Wald, keine Berge, keine Straßenanbindung und trotzdem direkt um die Ecke von der Autobahn, die man durch die Plätte der Gegend ja auch bis zum Horizont hört. Naja, Küste also nicht so meins. Aber dann ging es ins Hinterland und das stellte sich als wirklich toll raus, jedenfalls in den nächsten Tagen, denn die nächsten Häfen hatten immerhin ein bisschen weniger Nebel in Petto als Reykjavík.

 

Námafjell Hverir, wo alles dampft und brodelt
Námafjell Hverir, wo alles dampft und brodelt

In Island ist das Land entweder karg und leer oder alles brodelt und dampft. Da ist so viel geothermale Aktivität, dass man daran gar nicht vorbeikommt. Neuseeland war zwar beeindruckender, aber es ist schon immer toll, wo es sowas gibt. In Sachen Schwefelgestank kann Island in meinen Augen Neuseeland toppen – da hat es mir schon ab und an den Atem verschlagen, wenn der Wind drehte und ich plötzlich mitten in den Ausdünstungen so eines natürlichen Schornsteins stand.
Wir sind direkt an der Schlucht vorbeigefahren, wo sich die eurasische und die amerikanische Erdplatte treffen. Das führt zu mehreren hundert Erdbeben in der Woche, wovon man die meisten aber nicht spürt. Und auch dass die Platten auseinander driften bemerkt man nicht – nur am Ende eines Jahres, wenn die linke Wand der Schlucht zweieinhalb Zentimeter weiter weg ist von der rechten als vorher.

 

Gođafoss-Wasserfall
Gođafoss-Wasserfall

Island hat es alles: blubbernde Schlammpfützen, meterhohe Geysire, Dampflöcher, riesige Wasserfälle und gigantische Gletscher. Es gibt also immer was zu sehen, und besonders die Vulkane zeichnen die Landschaft. Ganz bizarre Lavaformationen stehen da einfach so in der Gegend rum und es gibt ein Gebiet, wo Dutzende Krater in der Erde sind, wo aber nirgends ein Vulkan in der Nähe ist. Man nennt die „Pseudo-Krater“ und das ist dort, wo heiße Magma über stehendes kühles Wasser geflossen ist, erkaltet ist und sich das Wasser drunter so plötzlich so schnell erhitzt hat, dass es eine kleine Dampfexplosion gab und der heiße Wasserdampf die Magmaschicht aufgebrochen hat. Richtig interessant. Leider ist dieses Gebiet genau am Myvatn-See, dem „Mücken-See“, und das unterschreibe ich sofort. Die Mücken stechen zwar hier nicht, aber es war doch eine eher unangenehme Erfahrung auf dem Weg zum Mittagessen durch Schwärme und Schwärme von Abertausenden Fliegviechern zu müssen.

 

Sobald die Bustüren dann beim nächsten Stopp aufgehen, hat der Spuk ein Ende und alle der mitgebrachten Mücken sind auf einen Schlag aus dem Bus verschwunden. Komisches Land, dieses Island.

 

 

 

 


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