Kinder in Norwegen muss man gut im Auge behalten, besonders wenn man ein Haus auf dem Land hat. Überall sind reißende Bäche und Stromschnellen und Felsbrocken und Lawinen und Erdrutsche und plötzliche Abhänge. Damit die Norwegerchen trotzdem draußen spielen dürfen, erzählt man ihnen genau, wo die Trolle leben und die dürfen unter keinen Umständen gestört werden, da sie gerne kleine Kinder essen.
Etwas brutal, wie ich finde, aber es scheint zu funktionieren und man beklagt erstaunlich wenige Unfälle von Kindern in der norwegischen Wildnis. Die Trolle leben natürlich immer genau da, wo es
für die Kleinen am gefährlichsten ist. So geht alles gut, bis die Kinder alt genug sind, um zu verstehen, dass es unfair ist, alle Trolle über einen Kamm zu scheren – dann rennen sie los zu genau
diesen Orten, um die Trolle vor den Erwachsenen zu warnen. Naja, man kann nur so viel tun…
Man erzählt den Kindern auch richtig krasse Geschichten. Zum Beispiel, dass man immer ganz genau überlegen muss, was man zu einem Troll sagt, wenn man mal einen treffen sollte. Dann muss man ihn
nur so lange beschäftigen, bis die Sonne kommt. Denn wenn die Sonne kommt, verwandeln sich Trolle in Stein. Also kann man zum Beispiel mit ihm wetten, dass man viel mehr essen kann als er. Dann
tut man so, als isst man, aber hat unterm Tisch eine leere Tüte, wo man alles reinwirft, und irgendwann ist der Troll so vollgefressen, dass er sich nicht mehr bewegen kann und bei Sonnenaufgang
zu Stein wird.
Von unseren Gästen werden wir immer im Spaß gefragt, ob sie denn nicht auch einen Troll sehen könnten. Und grinsen, weil die Frage so blöd ist. Und dann sagen wir immer „Na, aber wir haben doch
schon Dutzende gesehen“ in einem ganz ernsten Ton und dann sind alle verwirrt, bis wir erklären, dass alle Felsbrocken am Straßenrand mal Trolle waren…
An Trolle glaubt man nicht. Genauso wenig wie an Elfen. Aber dass sie existieren, daran zweifelt keiner. Deswegen werden manchmal auch Umwege in Straßen gebaut, nur damit ein Elfenhaus in einem
großen Felsblock nicht zerstört wird.
Wenn man mit der Flåmsbahn fährt, dann sieht man sogar eine echte Elfe, wobei die Männer teilweise so dreinschauen, als wäre sie ihr wahrgewordener Traum. Da wird man aus dem historischen Zug gekippt mit gefühlten dreieinhalbtausend Japanern und dann kommt ganz mystische Musik und ein Mädchen in wallenden Gewändern und wehenden Haaren tanzt entlang des Wasserfalls, gerade lang genug, damit jeder ein unscharfes Foto machen kann, und dann geht es weiter im Zug und besonders die Japaner haben viel zu erzählen und nerven alle Nicht-Japaner. Nicht, dass ich etwas gegen Japaner hätte – aber so ein bisschen bedient das ja schon das Klischée.
Dann doch lieber ganz allein mit einer kleinen süßen Gruppe unterwegs in Norwegens Fjorden und durchs Hinterland und in der Stille vor einem der vielen Wasserfällen zu sitzen und einfach zu genießen. Oder noch besser: hinter dem Wasserfall! Am Steinsdalsfossen geht das. Es hieß, das ist einer der Top 10-Wasserfälle auf der Welt, wenn man danach googled findet man ihn aber nicht. Naja, wahrscheinlich die „World’s best waterfalls in Norway“ oder so. Aber toll ist er schon – es gibt einen kleinen Spazierweg, auf dem man hinter den Wasserfall gehen kann, direkt wo Millionen Liter Wasser jeden Tag runterrauschen.
Direkt weiter zum nächsten Wasserfall, der Tvindevossen (Zwillingswasserfall). Noch viel toller, weil irgendein schlauer Mensch vor vielen, vielen Jahren eine tolle Treppe aus Steinplatten
angelegt hat, über die man mitten durch die Natur an den Fluss oberhalb laufen kann. Und da sieht man auch ganz viele Trolle in der Wilnis. Manche haben sogar so hübsche Kissen aus Moos
obendrauf, dass man schwören könnte, sie hätten im Leben bestimmt eine Perücke getragen. Vielleicht war es auch ein Troll, der die tolle Treppe gebaut hat, damit die Kinder schneller zu ihm
finden…hmm.
Am Tvindevossen gibt’s auch noch was richtig cooles. Oben am Fluss, der den Wasserfall speist, gibt es eine öffentliche Toilette, die ist direkt am Fluss gebaut und da auf der gegenüberliegenden
nur blanke Felswand ist, haben sie die Wand einfach komplett verglast, genauso wie den Boden. Also sitzt man praktisch mitten in der Natur, um sein Geschäft zu verrichten.
Damit es nicht zu langweilig wird, ging es natürlich auch allzu bald wieder in die Zivilisation. Oslo erwartete uns mit richtigem Schiet-Wetter. Immerhin konnte man das obere Ende der Holmenkollen-Sprungschanze grade noch so im Nebel erahnen und im Vigelandpark sind die Bronze- und Steinfiguren so nah, dass man sie auch noch sieht. Aber scheinbar war es das jetzt mit dem Sommer in Norwegen. Kopenhagen auch im Regen und Göteborg im kalten Sturm.
Aber es ist ja nicht so, als würden wir nie eine zweite Chance bekommen. Drei Tage drauf schon wieder Oslo, schon wieder Kopenhagen und endlich nochmal ein bisschen Sonne, bevor es dann in den Norden hoch geht, wo wir über jedes Extra-Grad dankbar sein werden.
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Flo (Montag, 05 Juni 2017 12:00)
Herrlich, diese Landschaften. Nur gut, dass man beim Anschauen der Fotos nicht den Sturm und die Kälte abbekommt. Du machst es einem echt schwer, den nächsten Urlaub zu planen, weil einfach jedes Ziel bei dir toll aussieht :-)