Das europäische Festland hat uns tatsächlich wieder. Nach sechs super entspannten Seetagen mit vier Stunden Schalter-Öffnungszeiten am Tag wussten wir vor allem durch die Temperatur auf dem Außendeck, dass wir doch wieder in nördlichere und weniger karibische Gefilde gekommen sein mussten. Plötzlich wieder an Land zu müssen, hat sich in der Tat seltsam und ungewohnt angefühlt, aber auch daran gewöhnt man sich wieder.
Madeira als unser erster europäischer Hafen begeisterte uns alle. Nicht umsonst hat es den Beinamen „Insel der Blumen“: so grün und bunt überall, und das zu der Jahreszeit! Für mich als absoluter Madeira-Neuling (der weniger über die Hauptstadt Funchal weiß als die meisten Gäste an Bord) ging es mit dem Bus einmal quer über die Insel über leicht halsbrecherische Straßen rauf und runter und kreuz und quer entlang der Schluchten, die sich ziemlich extrem durch die Landschaft ziehen. Wenn man da runterschaut in die Idylle der kleinen Örtchen in den Tälern, kriegt man fast schon Fernweh, obwohl man so nah ist. An jeder Ecke stehen die Papageienblumen und auf jeder noch so kleinen Steinmauer tummeln sich die Eidechsen in der Frühjahrssonne.
Mit Häfen in Europa kommen auch wieder die europäischen und damit deutschsprachigen Reiseleiter und damit das Nichts-Tun auf Ausflug. Die meisten Kollegen finden das super, einfach ein paar Stunden hinten im Bus zu sitzen und ein bisschen beim Gästezählen zu helfen. Aber mir wird da ehrlich gesagt immer recht schnell langweilig. Egal wie toll der Reiseleiter ist, ich fühle mich ein bisschen unnütz so ganz ohne Übersetzen. Für die dummen Fragen kommen unsere Gäste natürlich trotzdem immer zu mir, auch wenn der Reiseleiter deutsch ist. So ganz verstehe ich das nicht, denn am Treffpunkt sage ich doch immer wenn ich auch neu bin, à la „Es ist auch mein erstes Mal in Madeira, also freue ich mich ganz besonders auf den Tag mit Ihnen“ und dann kommen sie alle an und fragen „Sagen Sie, dieser Botanische Garten, da geht man doch links raus und dann ist da das Café oder?“ oder „Wo ist denn hier der nächste Briefkasten?“ Ääh…
Madeira ist richtig cool. Überall sind Bananenplantagen in den Dörfern verteilt, teilweise auch nur ganz kleine. Die Steilküste ist atemberaubend. Die Häuser sind an den Hang gebaut und sehen aus wie dran geklebt. Alle Dächer sind orange. Ist zwar eine Insel, aber irgendwie halt doch Portugal. Ähnlichkeiten sieht man schon, wenn man kurz drauf in Porto anlegt, aber an die Natur und Grünheit Madeiras kommt das Festland halt einfach nicht ran. Als Großstadt gefällt mir Porto aber richtig gut: der Douro fließt mitten durchs Zentrum und auch da an den Ufern sind die ganzen orangenen Dächer wie an den Hang gebastelt, genauso dass es hübsch aussieht. Man hat früher Steuer auf den Grund gezahlt, den man bebaute, also baute man möglichst schmal und hoch. Leider verfällt vieles in Porto, weil es unglaublich teuer ist, so ein Haus in Schuss zu halten; einerseits schade, andererseits macht das aber auch ein bisschen den Charme von Porto aus.
Charmant ist auch Spanien wie immer. Letzter Hafen unserer Trans-Atlantikreise bevor wir wieder deutschen Boden betreten konnten, war La Coruña. Wobei das inzwischen nicht mehr so heißt, denn irgendwelche schlauen Leute haben letztes Jahr beschlossen, dass die Stadt lieber einen original galicischen Namen haben sollte. Also strichen sie einfach mal das L und jetzt ist es A Coruña. Ob man dann „Auf nach A Coruña“ sagt wie „Vamos a A Coruña“? Ganz seltsam und Verwirrung pur für alle Beteiligten. Was ein kleiner Buchstabe für eine riesige Diskussion an Bord entfachen konnte…
Coruña ist ganz nett, aber natürlich nichts gegen Santiago de Compostela, wo auch die meisten unserer Ausflüge hingehen. Beeindruckende Altstadt und so eine gigantische Kathedrale mitten drin – schon ziemlich toll. Die Schlange vor dem Kathedralentor hat sich fast einmal ganz außenrum gezogen, das hab ich mir dann doch nicht angetan, aber einfach auf dem Vorplatz zu sitzen und zuzugucken, wie die Wanderer vom Jakobsweg an ihrem Ziel ankommen, ist ganz lustig. Da kommen alle möglichen Gestalten an – in Shirt und Shorts und Latschen oder in Wanderstiefeln und riesigen Rucksäcken mit Schlafsack und Topf und Ersatz-Wanderstiefeln dranbaumelnd. Interessanterweise haben zwar fast alle einen Wanderstock, aber nur die wenigsten einen der traditionellen hölzernen mit der großen Jakobsmuschel dran. Die scheinen vor allem die Touristen zu kaufen, die nur für einen Tag oder ein paar Kilometer nach Santiago oder auf den Jakobsweg kommen. Unsere Gäste kriegen auch einen für den winzigen Teil, den sie mit uns laufen können und Scout-Kollegin Melli erzählte von ihrer Tour hier letztes Jahr, wo danach unsere Zimmerer an Bord allerhand zu tun hatten, um jeden einzelnen Wanderstock fachmännisch auseinander zu sägen, sodass die Gäste sie alle in ihre Koffer bekamen und zu Hause an die Wand hängen konnten.
Gut, dass wir weiterfahren nach Deutschland und alle Zug fahren können…
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Pzibi (Sonntag, 14 Mai 2017 10:30)
wie immer Tanja ! sehr coole Stories und schöne Bilder