Gruß aus der Hölle

Die eine Insel, die so richtig raussticht aus dem Gewusel anderer Inseln auf unserer Karibikroute, ist Grand Cayman. Es ist bunt und fröhlich und warm und sandig wie überall sonst auch. Aber eins fällt jedem auf, der von Bord geht – egal ob auf Ausflug oder auf eigene Faust. Keiner schaut uns schief an. Nicht nur im Hafen, sondern überall. Wir sind plötzlich nicht mehr die „reichen Europäer“ oder „die Weißen“ oder „die Ausländer“. Hier gehört man irgendwie dazu.

Tenderboot und Luna auf Reede vor George Town
Tenderboot und Luna auf Reede vor George Town

Drei Inseln gehören zu den Caymans: Grand Cayman, Little Cayman und Cayman Brac. Wirtschaftliches, touristisches und auch sonstiges Zentrum ist Grand Cayman, vor dessen Hauptstadt George Town wir jeden zweiten Samstag festmachen. Zehn Minuten müssen wir an Land tendern und das ist wohl die anstrengendste Tenderei der Route, denn man ist schon so nah an Land, dass alle immer aufstehen und Fotos machen wollen und wir zehn Minuten lang durch die Gegend rufen „Sitzen bleiben bitte!“. Aber eigentlich mögen wir Grand Cayman alle. Die höchste Erhebung der Insel ist um die 20 Meter, also bleiben kaum je Wolken hängen und regnen tut es in der Trockenzeit praktisch gar nicht und es ist ja allseits bekannt: Lacht der Himmel, lacht der Gast, lacht der Scout.

 

Downtown George Town
Downtown George Town

Die Caymans sind bekannt als Steuerparadies und das hat auch eine Geschichte. Ein britischer Seefahrer war mit seinem Schiff in den caymanischen Gewässern unterwegs, als er Schiffbruch erlitt. Die Einheimischen wussten, dass er kam, um sie zu unterdrücken, aber trotzdem sind sie rausgefahren, um die Besatzung zu retten und nur ein Seemann starb. Der Brite war so dankbar, dass er der Insel versprach, niemals Steuern zahlen zu müssen. Und so ist es noch heute: es gibt keine Einkommenssteuer und keine Mehrwertsteuer.
Irgendwie muss das Land aber ja an Geld kommen, also gibt es sogenannte Duties, die man auf das Einführen von Waren zahlen muss. Außerdem gibt es ein Programm der Regierung namens „Citizenship by Investment“, was vereinfacht heißt „Wer investiert, wird Bürger“. Wenn man ein leeres oder bebautes Grundstück kauft, das für das Programm infrage kommt (meist ab 250.000$), bekommt man automatisch die Staatsbürgerschaft. Da die Caymans ein britisches Überseegebiet sind, bringt ein Cayman-Pass allerlei Vorteile mit sich und die Regierung freut sich, dass ganz Grand Cayman niegelnagelneue Straßen haben kann, weil immer genug Geld in den Staatskassen ist.

 

ältestes Haus der Caymans - hat schon drei Hurrikanes überstanden
ältestes Haus der Caymans - hat schon drei Hurrikanes überstanden

Man sieht den Unterschied zu Jamaika sobald man aus George Town rausfährt: keine Holz- und Blechhütten, keine offenen Küchen, keine streunenden Hunde, keine Verkaufsverschläge an der Straße. Die Häuser sind sauber und grade und mit kompletten Dächern und hübschen Vorgärten, es gibt einen Fußgängerweg und Verkehrsinseln und Ampeln. Man sieht junge weiße Frauen und Kinder alleine an der Straße laufen. Und die schwarzen sieht man auch. Aber alle gehören zusammen. Alle sind Caymanians und scheinen sich weder als schwarz noch als weiß zu fühlen.
Auch ganz cool: Die Caymans waren Teil der karibischen Föderation der West Indies. Geographisch sind sie das auch noch, aber in den 60ern wurde die politische Föderation aufgelöst und die meisten der Staaten wurden unabhängig. Die Caymanians haben sich aber gegen die Unabhängigkeit entschieden und wollten weiterhin zu Großbritannien gehören und so ist heute die Queen Staatsoberhaupt und die Tanja traurig, dass sie offiziell kein weiteres Land auf die „been there“-Liste schreiben darf (es aber trotzdem tut).

 

Straße in die Hölle
Straße in die Hölle

Mir gefällt es richtig gut auf Grand Cayman. Landschaftsmäßig gibt es nichts aufregendes, aber irgendwie ist es eine freundliche Insel und es fühlt sich ganz anders an, nach George Town zu kommen, als in die anderen Häfen. Jetzt hatte ich auch mal ein bisschen Freizeit in der Stadt und war bummeln. Und wie könnte mir ein Land unsympathisch sein, wo die internationalen Briefmarken nach Deutschland billiger sind als die deutschen Briefmarken nach Deutschland?

Wer hier wohnt, kann in der Hölle leben. Es gibt einen kleinen Ort, der heißt Hell. Man würde aber maßlos übertreiben, wenn man sagen würde, dass da die Hölle los ist. Die Einheimischen sagen „It’s hot as hell“, mehr aber auch nicht. Ich glaube, man muss schon echt eine kreative Ader und einen Sinn für Marketing haben, um aus Hell eine Touristenattraktion zu machen. Hinter der Straße ist ein Stück plattes Land, wo schwarze Steine liegen. Keiner weiß, wo die herkommen (es gibt keinen Vulkan, der die herspucken hätte können), also ist es eine Art Wunder und jeder denkt, dass es so in der Hölle aussehen muss. Und wenn man einen Stein gegen einen anderen wirft, soll es einen ganz tiefen Ton geben, der klingt als würde er aus ganz tiefer Tiefe aus der Erde kommen.
Jetzt gibt es Souvenirläden und ein eigenes Postamt, von dem aus man Grüße aus der Hölle mit eigenem Poststempel schicken kann. Hier kostet die Briefmarke mit Stempel natürlich noch Bearbeitungsgebühren, also hab ich meine dann doch lieber aus George Town abgeschickt.

 

...und wenn sie mit den Füßen wedeln, sieht es aus als würden sie tanzen
...und wenn sie mit den Füßen wedeln, sieht es aus als würden sie tanzen

Die nächste Attraktion ist wirklich eine: die Schildkrötenfarm im Westen Grand Caymans. Das ist jedes Mal toll (besonders, weil es da die richtig schönen Postkarten im Shop gibt). Im großen Pool leben die älteren Herrschaften mit privatem Strand, wo sie in aller Ruhe ihre Eier ablegen können. Die älteste der Damen dort hat in ihrem um die 80-jährigen Leben geschätzte 400.000 Eier gelegt. In der Farm liegt die Überlebensrate bei über 70%, wo in der Wildnis nur etwa 25% des Nachwuchses die ersten Tage überleben. Die Eier werden eingesammelt und im Inkubator ausgebrütet, dann werden die Schildkröten zu Forschungs- und anderen Zwecken großgezogen. Etwa ein Drittel wird ausgewildert, wenn sie so groß sind wie eine Hand. Die anderen werden in die Zucht genommen, wo auch geschlachtet wird, um die Einheimischen mit Fleisch zu versorgen. Ganz normal hier und für die Touristen eine Delikatesse und die Schildkrötenfarm hat es in den paar Jahrzehnten, die sie existiert, geschafft, dass es praktisch keine Schildkrötenwilderei mehr vor der Küste gibt und dass der wilde Bestand sich so weit erholen konnte, dass die grüne Meeresschildkröte nicht mehr zu den gefährdeten Arten zählt. Ist immer schwierig, das den Gästen zu erklären – wie kann ich Tiere schlachten und damit den Bestand retten? Ich finds immer super dort, vor allem weil man auch ein paar Tiere streicheln darf und die lieben es so offensichtlich, unterm Kinn gekrault zu werden…

 

Absolutes Highlight sind die Schildkröten aber nicht, das sind die Rochen. Wer einen küsst, hat sieben Jahre lang Glück. Wer einen Knutschfleck von einem bekommt, hat den Rest seines Lebens keine Sorgen. Aber das passiert denkbar selten. Es gab mal einen Gast, der hat auf dem Boot noch einen Müsliriegel gegessen, sich die Hände am nackten Oberschenkel abgewischt und ist dann ins Wasser. Kam ein Rochen vorbei, dachte sich „Hmm…Müsliriegel!“ und hat sich prompt an den Oberschenkel geklebt und genuckelt. Zähne haben die ja nicht, aber der gute Mann hatte danach anderthalb Wochen lang einen gigantischen Kutschfleck über die Hälfte seines Oberschenkels.
Das sind riesige Viecher, diese Rochen. Beeindruckend und vor allem von unten sehr freundlich, weil man immer denkt, dass die „Nasenlöcher“ die Augen sind.

 

Die Straße in die Hölle
Die Straße in die Hölle

Wofür die Caymans sonst noch sehr bekannt sind, sind die reichen Leute. Es gibt einen, der hat ein Hotel gekauft, das aus 17 einzelnen Häusern besteht. Es heißt, dass Madonna und Robbie Williams je ein Penthouse dort gekauft haben für 4 Millionen Dollar. Und weil das nicht genug ist, hat der gute Mann kurz drauf einen Sumpf gekauft, den er für ein Heidengeld trocken legen hat lassen und dadrauf hat er eine Stadt gebaut. Mit Marktplatz und Geschäften und Gewerbe und Wohnraum und einer eigenen Anbindung an die Schnellstraße. Verrückt.
Aber ich könnte es hier auch länger aushalten, glaube ich. Im Süden der Insel war ich noch gar nicht, will ich aber auch nicht, weil ich hoffe, nochmal zum Schnorcheln zu dürfen. Im Hafen liegt ein altes Marineschiff, an dem sich langsam eine Korallenschicht bildet und wenn man die drei Meter runtertaucht und am Steuerrad dreht, soll man Glück haben, wann immer man auf den Caymans ist. Wenn ich da mal nicht platze vor lauter Glück.

 

Tauchen steht auch noch auf dem Plan und dann wars das auch schon fast wieder mit der Karibik. Ein kurzes, aber nettes Vergnügen, aber noch bleiben mir ein paar Wochen, bevor es dann wieder rüber geht über den Teich zurück nach Europa.

 

 

 

 


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Kommentare: 2
  • #1

    Sonja Widmaier (Sonntag, 26 März 2017 08:28)

    Wunderschön ! Und damit meine ich nicht die Socken in Sandalen.....

  • #2

    Birgit (Montag, 27 März 2017 08:10)

    Ich überlege gerade, ob wir nicht mal wieder umziehen sollten.....