Das tolle an einer zweiwöchigen Kreuzfahrtroute ist, dass man an supervielen verschiedenen Häfen vorbeikommt. Wir haben neun auf unserer Luna-Tour durch die nördliche Karibik und die besten Erlebnisse hat man in meinen Augen immer dort, wo man überrascht wird und das ist meist in den Ländern, über die man vorher nicht wirklich viel weiß.
So ein Land ist Belize. Die wenigen, die davon gehört haben, haben keine Ahnung, wo es ist. Entsprechend wissen auch die wenigsten unserer Gäste, wie man es ausspricht. Von „Belietze“ über „Bellis“ bis „Brilz“ hören wir am Schalter alles. Wir sagen „Beliis“, wie die Einheimischen. Belize liegt südlich von Mexiko und nordwestlich von Guatemala und hat das größte Barriereriff der Welt nach dem australischen. Wer hätte das gedacht? Das ist schon richtig cool, was hier unter Wasser los ist, aber auch an Land kriegt man viel zu sehen.
Wir liegen auf Reede und müssen mehr als eine halbe Stunde mit den Tenderbooten bis an Land fahren. Dort ist eine tolle Hafenpromenade mit Bars und Restaurants und Souvenirläden, da kann man sich echt gut aufhalten. Dort den Ausflugstreffpunkt zu haben, ist super. Da steht man einfach mit der Chefin rum und fängt die Tenderboote ab, macht Fotos von den Gästen vor dem riesigen Belize-Logo und tankt Sonne. Am Mittag ist zwischen zwei Ausflügen eine Stunde Platz, sodass TM Steffi mich mitgenommen hat in den „Wet Lizard“, eine kleine Kneipe an der Pier zu Nachos und Cocktails, frei nach dem Motto „Irgendwo ist immer Zeit für Cocktails“ – und wenn die Chefin das erlaubt…
Der Hafen von Belize City ist toll, aber trotzdem ist Belize der einzige Hafen, wo wir unseren Gästen davon abraten, auf eigene Faust rauszugehen. „Raus“ heißt raus aus dem Hafengelände, denn Belize ist ein Land, das mit teilweise extremer Armut und ziemlich heftigen Bandenkriegen und entsprechender Kriminalität kämpfen muss. Die Einheimischen, die ich dazu gefragt habe, sagen „Nö, wenn man nicht selbst in den Banden ist, passiert einem nichts. Normalerweise.“ Wenn man sich fernhält von den „Grenzen“ innerhalb der Stadt, scheint es für die Einheimischen relativ sicher zu sein. Auch Touristen werden nicht absichtlich involviert, weil alle wissen, wie wichtig die für das Land sind. Aber wenn man halt grad zufällig um eine Ecke biegt und da sitzt jemand mit dem geladenen Gewehr und wartet auf den Feind und drückt ab sobald sich was bewegt…
Drogen soll es laut den Einheimischen auch nicht geben. Jedenfalls nichts, was in Belize angebaut wird, denn das Klima passt wohl einfach nicht für den üblichen Drogen-Anbau. Kann ich mir persönlich kaum vorstellen, wo ja Mexiko direkt umme Ecke ist und dort auch alles mögliche angebaut werden kann. Aber die Gewalt hat anscheinend wenigstens nichts mit Drogen zu tun, sondern ist einfach da, „weil es halt verschiedene Familien und Banden gibt“. Wirklich schade, eigentlich. Belize City sieht jetzt echt nicht so aus, wie man das aus den Dokus über Banden-Kriege kennt, sondern eigentlich echt nett mit schönen Parks und toller Küstenpromenade. Aber wir sind eben auch nur auf den Hauptstraßen unterwegs, wo sich alles illegale wohl eher nicht abspielt.
Viel tolles hat Belize aber auch. Es ist der einzige Staat in Mittelamerika, wo Englisch die Haupt-Amtssprache ist. Für uns erleichtert das natürlich sehr unsere Arbeit auf Ausflug, wenn wir übersetzen müssen. Wo es in Mexiko manchmal schon echt anstrengend ist, das halb-Spanisch-halb-Englisch zu verstehen und in Jamaika alle einfach alles so unglaublich seltsam aussprechen und überall ein „Jah Maan!“ dranhängen, ist Belize eigentlich nicht arg anders als England. Es war früher britische Kolonie, aber seit einiger Zeit unabhängig. Interessanterweise fährt man ganz untypisch auf der rechten Straßenseite. Gibt aber einen ganz einfachen Grund dafür: Mexiko und Guatemala fahren auf der rechten Seite und der Haupthighway quer durchs Land hatte irgendwann so viele Unfalltote, dass man beschloss, dass Belize auch lieber den Rechtsverkehr einführt.
Jeder denkt, dass Belize City die Hauptstadt ist, das war auch früher so, aber die Hurrikans und Überschwemmungen sind immer genau dort angelandet, sodass viele wichtige Einrichtungen öfters zerstört wurde, also wurde kurzerhand die Hauptstadt umgelegt nach Belmopan (wovon ich persönlich noch nie im Leben irgendwas gehört hatte). Der Hafen ist trotzdem noch in Belize City, aber weil sich durch das vorgelagerte Riff so viel Sediment gesammelt hat, ist ein kilometerbreiter Streifen vor der Küste so flach, dass man als großes Schiff mit gescheitem Tiefgang keine Chance hat ohne alles kaputt zu machen. Deswegen liegen wir eben draußen und tüddeln da alle zwei Wochen mit den Hafen-Tendern und einem Heidenlärm rüber an Land.
Das flache Wasser vor der Küste hat aber einen großen Vorteil: weil der Boden so nah an der Wasseroberfläche ist, wachsen da gigantische Wiesen von Seegras und Haie und andere Meeres-Fieslinge bleiben lieber in den tiefen Gewässern hinterm Riff. Perfekte Bedingungen für Seekühe, die sich hier richtig wohl fühlen. Bei einer kleinen Bootsfahrt haben TM Steffi und ich auch zwei gesehen, klingt aber spannender als es war. Die hüpfen nicht wie Delfine oder so, sondern grasen halt so vor sich hin und kommen nur alle drei Minuten mal an die Oberfläche zum Luftholen, also sieht man wenn überhaupt dann nur die Nasenlöcher. Die Flussdelfine, die wir um die Ecke sahen, waren dann doch ein bisschen aktiver, aber hey – ich hab eine wilde Seekuh gesehen!!
Den Old Belize River entlang sieht man allerhand sonstiges Wildlife, das ist richtig toll. Mit dem Motorbötchen kommt man vorbei am Grundstück einer alten britischen Familie, die vor einigen Jahrzehnten eingewandert sind und allerhand für die Gegend und ihre Infrastruktur getan haben. Das Logo des Familienbetriebs war ein Leguan, also haben sie angefangen, hinter ihrem Haus am Fluss jeden Morgen eine große Obstplatte in den Garten zu stellen und seitdem kommen die ganzen Leguane der Nachbarschaft zum Chillen vorbei. Für uns und besonders unsere Gäste natürlich das Beste, was passieren kann – wenn man Leguane aus 20cm Entfernung fotografieren kann, sind alle happy.
Der Old Belize River steht bis zur Grenze von Guatemala komplett unter Schutz, es darf weder mit Netzen noch mit Harpunen gefischt und keine Abwasser reingeleitet werden. Wenn man Glück hat, sieht man dadurch sogar manchmal Süßwasserkrokodile am Ufer. Die Einheimischen haben da einen guten Blick für und haben sogar vier gesehen, wir haben aber nur zwei entdeckt wo sie hingezeigt haben. Die Krokos hier sind recht klein und ungefährlich. Total schüchtern, deswegen sieht man eher die Jungtiere, die noch nicht die Angst vor Menschen entwickelt haben. Salzwasserkrokos sieht man ganz selten auch mal, die kommen ab und an von Nordamerika in die warmen Gewässer. Aber die Kinder spielen hier am Fluss und schwimmen quer rüber und nie ist was berichtet worden, dass jemand verletzt wurde, also alles gut. Die Leguane haben die Angst vor Menschen natürlich längst abgelegt, werden dem Menschen auch nicht gefährlich und wirken, als genießen sie total die Aufmerksamkeit. Im Moment ist Paarungszeit bei den karibischen Großechsen und die Männchen, die normalerweise grünlich-braun sind, färben sich orange und plustern ihren Halsbeutel auf, um den Männern zu sagen „Das ist mein Revier, hau ab!“ und den Frauen „Das ist mein Revier, komm doch rein!“
Und dann gibt es ja noch das Highlight eines jeden Ausfluges in Belize: Brüllaffen! Die hocken in den Bäumen rum und futtern bis zum Umkippen. Da haben auch wieder die Einheimischen den Blick für und zeigen in der Gegend rum, wo überall einer sitzt und bei vielleicht 20% sehen wir und die Gäste die Viecher auch. Und die sind aber auch tolle Fotomotive! Wahnsinn, wenn man die recht nah vor die Linse bekommt. Zwei Wochen nach meiner Flussfahrt war ich nochmal um die Ecke auf dem Regenwaldpfad und da ist Guide Carlos ins Gestrüpp abgehauen und hat dann irgendwann gerufen, wir sollen mal alle kommen, weil er die Familie gefunden hat, die da morgens noch rumgehüpft war. Und dann hatten wir sie alle direkt über uns: Papa, Mama, Tante, Cousine und den kleinen Neuzugang. Beeindruckend, ich sags euch. Einfach so mitten in der Wildnis ohne Zaun und so, sitzen die da einfach so rum und lassen sich gar nicht beirren. Denen geht es in Belize auch echt gut. 80% des Waldes im Land sind originaler Urwald, der schon seit Jahrhunderten da wächst. Und davon stehen 45% unter Schutz, ziemlich cool für ein Land, das mit so vielem zu kämpfen hat, dass sie noch Geld und Motivation aufbringen können, ein Waldschutzprogramm am Leben zu erhalten.
Für die sonstige Infrastruktur fehlt dann doch oft das Geld an allen Ecken und Enden. Alte amerikanische Schulbusse werden ins Land geholt, wenn sie für die USA nicht mehr die Vorgaben erfüllen.
Busfahrer dürfen ihre Busse gestalten wie sie möchten, also sieht man alles mögliche auf Bussen gemalt und gesprayt und gebastelt und immer den Namen des Busses, das ist ganz cool. Und ab und an
sieht man Busse, die praktisch nur noch vom Rost zusammengehalten werden, dann schreiben die Fahrer vorne den passenden Namen drauf: „Chocolate“ und keiner beschwert sich mehr.
Wir sind auch in einem der alten Busse gefahren und als er nicht anspringen wollte, schraubte der Fahrer mal eben das Armaturenbrett ab und vertauschte ein paar Kabel und bums, gings wieder. Wir
fuhren dann eine halbe Stunde mit offenem Armaturenbrett und einer leicht panischen Stimmung im Bus weiter, aber wenn wir dafür dann mehr Affen sehen, beschwert sich halt doch keiner. Immerhin
haben wir auf unseren Ausflugstickets extra den Hinweis drauf gedruckt „Transfer in landestypischen Bussen“ und wenn das nicht landestypisch war, weiß ich auch nicht.
Am Old Belize River gibt es auch viel kulturelles zu entdecken. Es gibt ein jährliches Ruderrennen, das auf der alten Maya-Transport-Strecke über den Fluss stattfindet. Das geht über fast 300 Kilometer und über drei Tage und es dürfen alle mitmachen, egal ob Profi- oder Amateur-Teams. Für einzelne Teilstrecken gibt es Preise und für den Gesamtsieg und Firmen, die entlang des Flusses liegen, haben oft extra Preise für das Team, was als erstes bei ihnen vorbei kommt. Find ich cool, so haben auch die Amateure eine Chance und durch dieses Rennen kommt super viel Geld in die Staatskasse, was dann auch den Ärmeren zugute kommt.
Kommentar schreiben
Melanie (Samstag, 07 Januar 2023 09:21)
Danke für den Link! Ich werde berichten, auf welchem Teil des Flusses wir unterwegs sein werden! ☺️