Wenn man einmal Seefahrer war, ist ein neues Schiff keine riesige Umstellung. Aber einen Unterschied merkt man schon zwischen einer supermodernen Prima und einer Luna mit Jahrgang 2008. Nicht nur, dass alles hier sehr viel kleiner und enger beieinander ist – auch die internen Abläufe und das ganze Organisatorische im Team wirken irgendwie älter und eingefahrener.
Abends nach Schalterschluss passiert es selten, dass noch irgendwelche Büroarbeit anliegt. Das Schiff funktioniert schon so lang, es gibt keine Kollegen im Team, die frisch im ersten Vertrag sind, da läuft alles irgendwie von selbst. Wo auf der Prima so gut wie nie Feierabend war, wenn Feierabend auf dem Dienstplan stand, hab ich auf der Luna am üblichen Seetag 7 Stunden Arbeit und den Rest des Tages frei. Das ist schon richtig gemütlich, liegt aber vor allem daran, dass unser Shore Operations Team ziemlich groß ist. Da am Seetag weder Fahrrad noch Segway noch Stand-Up Paddle Board gefahren noch getaucht, geschnorchelt oder gegolft wird, haben die Kollegen aus dem Aktiv-Team relativ viel Zeit. Auf unserer Route durch die nördliche Karibik haben wir zwei Häfen, an denen neue Gäste kommen, und entsprechend zwei Seetage, an denen die Tickets für die Anreiser gedruckt werden müssen. Mit Bikern, Tauchern und Golfern zu unserer Verfügung und nur sechs Gästekabinen-Decks, haben wir heute für unsere gesamte Ticket-und-Brief-Routine gerade mal eine gute Stunde gebraucht, wo wir auf der Prima öfters mal drei oder vier Stunden dran saßen.
Es gibt außerdem die schöne Regel hier, dass alle unsere Briefe „inside cabin“ verteilt werden, also nicht von uns an die Türen gepinnt, sondern vom Housekeeping auf die Schreibtische gelegt
werden. Also nochmal weniger Arbeit für uns. Die Aktiven helfen gern, auch wenn man immer sehr genau erklären muss, was sie zu tun haben, wenn man später keinen Stress am Schalter haben will. Und
allemal eine tolle Gelegenheit, die Jungs (und die eine weibliche Aktive) auch ein bisschen kennenzulernen, damit man für die Nachmittagspause auf dem Sonnendeck wen zum Quatschen hat. Und auch
außerhalb der Seetage gibt es genug Zeit zum Teambuilding. Gleich in meiner ersten Woche gab es einen Team-Filmabend mit dem gesamten Shore Operations-Team im Kids Club. Da gibt es einen indirekt
beleuchteten Raum mit stufenförmig angeordneten Bänken mit Kissen und gigantischen Kuscheltieren in Form unserer Club-Maskottchen. Von denen haben wir dann aber doch ein bisschen Abstand
genommen, als die Kidsclub-Betreuerin sagte „Wie schön, dass ihr genauso gerne auf den Kuschel-Clubbies rumkuschelt und knabbert wie die Kiddies.“
Dann noch Popcorn aus Spucktüten dazu (man muss sich halt zu helfen wissen, wenn auf dem Schiff Sachen fehlen) und einen bescheuerten Film von der Biker-Festplatte – besser ging’s kaum.
Und wenn man erstmal seine Kollegen ein bisschen kennt, wird die Arbeitswoche schon sehr viel angenehmer. Auch das Essen schmeckt besser mit der richtigen Gesellschaft. Aber vergleichbar mit der
Prima ist es trotzdem nicht. Heute gab es Schnitzel. Aber bis wir Mittagspause hatten, waren die Schnitzel leer, also haben sie Koteletts paniert und gehofft, dass keiner den Unterschied
schmeckt. Mittagessen war also Fett-und-Knochen-in-Panade. Alle motzen, aber wenigstens macht es satt – und wenn man noch eine Notfall-Packung Kokoskekse aus St Kitts im Schrank auf Kabinski hat,
ist ja alles gut.
Alle vier Wochen wiederholt sich der Meal Plan und man merkt so richtig, wie alle ganz aufgeregt werden, wenn es langsam wieder auf den Burger-Tag zugeht. Und alle paar Tage bauen die Kollegen
aus der Galley eine extra Theke auf, wo es irgendwas Besonderes gibt: frische Crêpes, frische Waffeln, frische Toasties oder eine riesige Schüssel Chef-Salat mit echten Käse- und Schinkenraspeln.
Eis gibt es donnerstags und sonntags, das scheint flottenweit einheitlich geregelt zu sein. Aber da die kleinen Schüsselchen immer auf Wärmeplatten gestapelt werden und der Weg zu unseren
Scout-Tischen zu weit ist zum Zweifach-Laufen, gibt es meist nur Eismatsch.
Der Nachtisch ist ansonsten relativ geschmacksfrei oder unidentifizierbar. Ist vielleicht ganz gut so, sonst würden wir alle noch mehr essen; so stürzen wir uns eher auf die frischen super-sauren
Passionsfrüchte und ganz besonders auf frische Weintrauben, wenn es sie denn mal gibt. Wenn einer tagsüber irgendwo mitkriegt, dass es Weintrauben gibt, versucht das gesamte Team, überpünktlich
Feierabend zu machen, um noch welche abzukriegen.
Nachts gibt es den Mitternachtssnack für all jene Kollegen, die komische Schichten arbeiten müssen. Meist ist der cooler, als das gesamte Essen des Tages zusammen, denn da wird alles von oben
runtergebracht, was bei den Gästen über war. Da kann es dann sogar mal sein, dass man ein Stückchen Räucherlachs ergattert.
Unser Golfer („Golfi“ genannt) hat Offiziersstatus und kann entsprechend in die Offiziersmesse, isst aber lieber bei uns Streifenlosen. Wenn es was gutes dort gibt, rennt er aber alle paar
Minuten rüber und holt uns das gute Ciabatta-Brot.
Unsere Side-Duties teilen wir uns mit den Aktiven. Es gibt keine Blümchen-Hilfe wie auf der Prima, wo wir am Seetag im Blumenladen ausgeholfen haben. Dafür brauchen die Gäste bei dem Wetter hier unglaubliche Mengen an frischen Pool-Handtüchern und die Pooltowel-Duty wird stundenweise unter den Abteilungen aufgeteilt. Da steht man dann auf dem Pooldeck (aber wenigstens im Schatten) und tauscht gebrauchte gegen frische Handtücher aus. Und ich sag’s euch: so ziemlich das Schlimmste, was an einem sonnigen heißen Seetag passieren kann, ist eine kaputte Waschmaschine und plötzlich keine Pooltowels mehr. Oh, da wird man dann plötzlich von allen gehasst, wenn man sagen muss, dass die nächste Ladung erst in zehn Minuten kommt und sich die Gästeschlange bis quer übers Pooldeck zieht.
Aber wir können vieles wieder wettmachen, wenn wir einen Ausflug begleiten und die englischen Reiseleiter übersetzen. Auf unserer Route ist es eher ungewöhnlich, deutschsprachige Reiseleiter zu haben, und so finden die Gäste das natürlich besonders toll, wenn jemand von uns mitfährt. Man merkt dann schon auch, dass die Luna kleiner ist als die Prima. Hier erkennen einen Gäste schnell wieder und man selbst sie auch. Eine coole Sache gibt es hier, da dürfen Gäste einen Zettel schreiben mit ihren „Lächelmomenten“ und dann passiert es, dass im Teammeeting vorgelesen wird, was man in der Woche so toll gemacht hat, dass die Gäste eine kleine Notiz über einen geschrieben haben. Geht dann auch zum General Manager und das ist dann natürlich besonders toll, wenn man sowas mal bekommt. Ich hoffe noch, dass ich diese Woche einen bekomme, denn ich habe sehr viele Gäste zum Lächeln gebracht, als ich mich im Theatrium mit meinem Schildchen vor 400 Leuten auf den Weg zu den Bussen gemacht habe und prompt volle Kanne gegen die Säule im Treppenhaus gerannt bin. (Wieso die aber auch an den unmöglichsten Stellen hier Säulen und Palmen hinstellen müssen…)
Intern gibt es auch wieder den Smiling Star Award, wobei ich bisher noch nicht mitbekommen habe, dass der so viel wie auf der Prima zelebriert wird. Dass die Crew immer lächelt und ihr Lächeln an
den Gast bringt, ist aber immer wichtig und so gibt es viel, was hier für die Crew gemacht wird. Es gibt regelmäßige Volleyball- und Fußballturniere auf dem Sport-Außendeck ganz oben. Dann wurden
alle Scouties letzte Woche vom Security Officer eingeladen zum Selbstverteidigungskurs, wo wir ihn alle mal hauen und boxen und treten durften, das war cool.
Weil jetzt mehrere neu ins Team gekommen sind, haben die Chefs Steffi und Vicky uns einen Teambuilding-Abend organisiert. In Zweierteams mussten wir einen Parcours durchlaufen, wo es vor allem
durch Kommunikation ging. Mein Buddy Corinna und ich waren sogar richtig gut, weil wir als einzige sofort hinbekamen, unsere Situps abwechselnd zu machen, als die anderen alle gleichzeitig.
Tanzlehrer Matthias hat einen Tanzkurs für die Crew angeboten und irgendwie ist unser Shore Ops-Team das einzige, was bei sowas immer gut vertreten ist. Also waren Corinna, Isa, Patricia und ich
auf Deck 3 an der Pier 3 Bar (weit weg von den üblichen abendlichen Gäste-Wegen), einer der Sporties kam auch dazu und so musste einer von uns als Herr tanzen. Das war lustig. Isa und ich haben
uns so gut angestellt, dass wir zusammen tanzen durften und alle paar Minuten das Geschlecht gewechselt haben. Wie die Jungs aber nun mal so sind, mussten sie doch alle gucken kommen, und so
hatten wir zwischendurch minutenweise dann doch auch mal ein paar Herren dabei.
Am Valentinstag war das ganze Schiff pink. Das mag ich ja gar nicht. Wir wurden sogar gezwungen, was pinkes zu tragen und wer meinen Kleiderschrank zu Hause kennt, kann sich denken, dass sich in
meinem Schrank hier kein einziges Teil in pink befindet. Aber die Rezi war gut vorbereitet und hat uns Tüddelkram für die Haare ausgeliehen, der sich ganz fürchterlich mit unseren roten Blusen
gebissen hat. Zur Pink Valentine-Party in der Crewbar hat mich abends keiner gekriegt, aber in der Messe konnte ich dem Rosa nicht entgehen. Ganz süß hatte das Speakers‘ Commitee „Compliments to
go“ aufgehängt, die man sich abreißen konnte. Aber irgendwie war es doch alles zu viel für mich: beim Mittagessen hab ich schon halluziniert und zwei Engel haben sich neben mich gesetzt…
Die Luna ist so klein, dass man manchmal ein bisschen improvisieren muss wenn es um unsere Ausflugs-Abwicklungen geht. Weil das große Gäste-Treppenhaus einfach manchmal nicht reicht um alle pünktlich zu ihren Tender-Booten zu bringen, weichen wir aus aufs Crew-Treppenhaus. Das ist immer richtig spannend für die Gäste, denn die kommen ja sonst nie in den Crew-Bereich. Dann haben wir schön was zu erzählen am Treffpunkt, die Gäste freuen sich, mal ein bisschen was internes über die Crew zu erfahren und der Ausflug geht gleich schon in guter Laune los. Komisch ist es aber trotzdem, die Gäste in unser Zuhause zu lassen – ist ja doch irgendwie unser Privatbereich hier.
Wir müssen auch ab und an durch den Gästebereich, wenn wir auf dem Weg von Crewbereich zu Crewbereich sind. Manche Direkt-Verbindungen wurden einfach nicht gebaut. So müssen wir auf Deck 6 an ein
paar Gästekabinen vorbei (immer hoffend, dass grade keiner rauskommt, wenn wir mal wieder unser Namensschild vergessen haben), um ganz nach vorne zu kommen, wo unser Sonnendeck ist. Quer drüber
ist die Brücke und dazwischen die Gäste-Suiten, also fühlt man sich immer etwas beobachtet. Aber hey – Sonne! Und vor allem Frischluft!
Zu den Stoßzeiten ist unser Sonnendeck voll mit Shore Ops-Kollegen, vor allem an Seetagen. Es gibt einen kleinen Whirlpool und das Titanic-Feeling ganz vorne am Bug. Beim Auslaufen in Samaná hat
unser Speakers‘ Commitee (sowas wie die Klassensprecher) Vanilleeis und Kakao organisiert, damit wir alle gemeinsam nach Walen Ausschau halten konnten. Sehr spaßig. Dauernd brüllt jemand
„Wuuuuuuh!!“ und alle rennen auf eine Seite, dann brüllt jemand von der anderen Seite und so weiter. Aber wir haben tatsächlich zwei in weiter Ferne gesehen und ein paar Delfine, die uns kurz
begleitet haben. Teambuilding auf einer anderen Ebene.
In der Crew-Außenbar auf Deck 5 halte ich mich praktisch gar nicht auf, obwohl es mein Lieblingsplatz auf der Prima war. Aber hier ist das Raucherbereich und wenn man vorne gucken kann, ist das
doch viel cooler, als hinten zu gucken.
Die normale Crewbar gibt es natürlich auch, die sieht auch so richtig gelebt aus auf der Luna. Als das Show-Ensemble ausgetauscht wurde, hat die Band an ihrem letzten Abend eine Jam-Session für
die Crew organisiert. Das war richtig gut, vor allem weil sie vorher keinen Plan hatten, was sie spielen würden. Wenn man beim Abendessen nix gefunden hat, gibt es immer noch die Snacks in der
Crewbar. Man kann immer zur halben Stunde Pizza bestellen, die man dann zur vollen Stunde abholen kann. Oder Hotdogs – die gibt es immer.
Egal, wie mineralienvoll das Essen in der Messe ist, manchmal braucht man eben doch ein bisschen Fast Food. Für einen Chips-und-Spiele-Abend sind die meisten im Team immer zu haben. Vor allem, weil man neben der Crewbar eine Toilette hat und wenn mal wieder in einer gesamten Nachbarschaft die Spülung ausfällt, braucht man sich wenigstens keine Sorgen zu machen. In Boston, wo ich wohne, hat heute zum zweiten Mal in zwei Wochen das Klo das Wasser nicht abgezogen. Unsere Deckenlampe flackert auch. Aber naja…ist halt nicht mehr das jüngste Schiff. Wenigstens kann man sich hier nicht aus der eigenen Kabine aussperren, denn es gibt noch Schlüssel statt Schlüsselkarten und die Türen müssen manuell abgeschlossen werden, wenn man die Kabine verlässt.
Man kommt also schon zurecht hier, wenn man sich mal an die Enge und die kurzen Wege gewöhnt hat. Die Gäste erinnern sich schnell an einen wenn man mal auf Ausflug mit war. Besonders lustig ist
es bei unserer Restaurant-Duty, wo wir eine halbe Stunde vor einem der Restaurants stehen abends und zu jedem Gast sagen „Hallo, schönen guten Abend. Ich wünsche einen guten Appetit!“ und sie
freundlich darauf hinweisen, dass sie sich die Hände desinfizieren. Da bekommt man dann öfters mal zu hören: „Sie waren doch grade noch auf Ausflug mit uns. In wie vielen Abteilungen arbeiten Sie
denn hier?“
Naja…wir sind halt doch ein bisschen Mädchen für alles. Aber wenigstens lernen wir den Rest der Kollegen kennen.
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Mellie (Montag, 20 Februar 2017 12:54)
Mein Gott, ist das ein schönes Fleckchen Erde... <3
Flo (Montag, 20 Februar 2017 22:58)
Ein eigenes Sonnendeck für die Crew! Mit Whirlpool!
In der Karibik wissen sie offenbar, wie man die Mitarbeiter glücklich macht :-)