Naturgewalten

Manchmal ist das Meer schon ziemlich krass. Von einem Tag auf den anderen sieht es plötzlich komplett anders aus, aber immer ist es wunderschön. So eine sturmgepeitschte See hat was sehr beruhigendes irgendwie. Für mich noch mehr als wenn es wie ein Ententeich daliegt. Dann warte ich immer drauf, dass irgendwas passiert. Aber im Sturm, da ist es einfach nur beeindruckend.

Island - moosig mysteriös
Island - moosig mysteriös

In den Fjorden mischt sich meist das Wasser vom Meer mit dem Wasser vom Gletscher, es entsteht ein getrennter Wasserkörper, sodass unten Salz- und oben Süßwasser liegt. Perfekt für die Fischzucht in den Fjorden, aber natürlich auch für die Fischliebhaber im Tierreich. Vor Islands Küsten tummeln sich zu dieser Jahreszeit die Tümmler. (Heißen die deswegen so?) Delfine zuhauf und wenn man ein kleines bisschen Glück hat auch der ein oder andere Wal. Buckelwale lieben die milden Gewässer besonders und die sieht man mit ein bisschen mehr Glück sogar tief im Fjord. Dadrüber kann ich nur noch den Kopf schütteln, denn ich hatte gleich eine ganze Wagenladung voll Glück.

soo nah am Boot!
soo nah am Boot!

Chef Jakob hat beschlossen, dass ich immer so schön in meiner Präsentation erkläre, was ein RIB-Boot ist (so ein Schlauchboot mit festem Rumpf, wie die von der Hafenpolizei), dass ich es endlich auch mal selbst ausprobieren sollte. Also schickte er mich in den Fjord vor Akureyri zur Walbeobachtung. Die Chancen stehen zu dieser Zeit des Jahres nicht schlecht, aber es sind halt Wildtiere und wir und unsere Agenturen garantieren natürlich nichts. Aber meine Kollegin von der Rezeption kam von ihrer Vormittagstour ganz happy zurück: „Fünf oder sechs Stück waren da! Wir haben drei Mal die Schwanzflosse gesehen!“ Ein bisschen hatte ich schon angefangen, mich zu ärgern, weil die uns sicher alle Wale weggeguckt haben. Und dann kommen wir da raus zur Fjordmündung und kaum sind unsere Motoren aus, ging das Spektakel auch schon los.

Sechs Buckelwale mitten im Fjord, vor uns und hinter uns und neben uns – und unter uns! Die Seitenflossen von Buckelwalen haben in diesen Breitengraden auf Ober- und Unterseite eine weiße Färbung, also kann man die Riesenviecher vom Boot aus sehr schnell ausmachen, bevor sie auftauchen. Wie Dressurpferde sind die neben uns synchrongeschwommen mit einer Parade aus Pust-Fontänen, Schwanzflossengewedel und winkenden Seitenflossen, die ja schon allein um die zwei Meter lang sind. Diese Riesen waren um die 13 Meter lang und ein ganz kecker hat sich auf den Rücken gelegt und über Wasser mit beiden Seitenflossen abwechselnd gewunken – drei Meter vor unserem Boot. Ein bisschen nass gemacht hat er uns auch, das ist schon ordentliches Gewicht, was da plötzlich neben so einem kleinen Bötchen auf die Wasseroberfläche klatscht. Aber nichts gegen die 30 Tonnen, die aufs Wasser prallen, wenn einer beschließt, zu springen. Wie die Irren, drei Mal, zehn Mal, vierundzwanzig Mal haben sie ihre Pirouetten gedreht und uns sind fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Sowas hab ich mein Leben lang noch nicht gesehen und werde es auch nie vergessen, und selbst wo ich das hier anderthalb Wochen später schreibe, kommt mir noch eine Gänsehaut.

besser kann man es nicht ausdrücken
besser kann man es nicht ausdrücken

Zurück an Land hat Island aber auch so einiges zu bieten. Vielleicht hab ich einfach schon zu viel in meinem Leben gesehen und bin jetzt abgehärtet, aber so richtig vom Hocker gehauen hat mich Island bisher noch nicht. Die Landschaften sind grün und mosig und sehen irgendwie mystisch aus, aber arg viel sonst hat die Landschaft nicht zu bieten. Bis man dann zu den wahren Sehenswürdigkeiten kommt. Die Wasserfälle sind schon beeindruckend und gigantisch groß. Kann man sich manchmal gar nicht vorstellen, was da für Massen an Wasser runterfallen und wie die Gletscher das alles so schön geformt haben (wobei ich ja immer noch ein bisschen überzeugt bin, dass es so war wie bei Allan Allmächtig – da sitzt irgendwo einer und bastelt aus Knetmasse die schönsten Fjorde und Wasserfälle und wird dafür Mitarbeiter des Monats). Nicht alles ist in Island von Gletschern geformt natürlich, die Vulkane haben da ihr übriges getan. Und am Gullfoss waren es wohl die tektonischen Platten, die einfach irgendwann diese Klippen freigelegt haben, als sich wieder irgendwas im Erdinneren verschob. Seinen Namen hat der „Goldwasserfall“ übrigens von den bösen Christen, die kamen um Island zu christianisieren. Und dann wurde alles Wikinger-Gold und aller Schmuck und alle Kunstgegenstände der Wikinger den Wasserfall runtergeschmissen, um die heidnische Kultur zu versenken.

und am Ende des Regenbogens wartet ein Wasserfall aus Gold
und am Ende des Regenbogens wartet ein Wasserfall aus Gold

Heute kommen auch noch Wikinger an den Gullfoss, aber das sind meistens kleine Jungs in Plastikhüten mit Pastikhörnchen mit Gewinde, dass man zur Not auch mal schnell ein Stier werden kann oder ein Schlappohr-Wikinger. Die kleinen Nachwuchs-Wikinger findet man überall. Jetzt wo auch noch Sommerferienzeit ist, sind wir nicht mehr die einzigen, die alles mit wuselnden Mengen überhäufen. Aber was solls – Hauptsache, man ist mal hier. Der Þingvellir-Nationalpark ist auch so ein Must-See, wenn man Island unsicher machen will. Þingvellir ist einer der wichtigsten Orte in der isländischen Geschichte. Das erste Parlament wurde hier Ende des ersten Jahrtausends gegründet und hat dann auch hier im Nationalpark jährlich im Sommer stattgefunden, bis es Ende des 18. Jahrhunderts nach Oslo umgezogen ist. Dort hat es sogar ein Gebäude zum Tagen, im Þingvellir haben die Abgeordneten der einzelnen Stämme gezeltet und auf Baumstämmen gesessen. Hätte ich so schöne Natur vor der Haustür, würde ich als Politiker auch lieber in der Wildnis wichtige Entscheidungen treffen. Und die wurden hier getroffen. Die Einführung des Christentums im Jahr 1000 wurde hier beschlossen und 1944 wurde mitten im Nationalpark die Republik ausgerufen.

Þingvellir Nationalpark
Þingvellir Nationalpark

Viele der sogenannten Sagas haben ihr Setting in Þingvellir. Das sind die alten Geschichten über Islands Geschichte. Die ersten Siedler hatten sich ihr Leben aufgebaut und dann kamen plötzlich die Christen und jemand hat beschlossen, dass alles aufgeschrieben werden muss, was man weiß, über alle, die man kennt in Island. Damit Jahrhunderte später immer noch die Geschichten gelesen werden über berühmte Menschen und was sie geleistet haben. Und die Stammbäume der wenigen, die sich heute noch „Einheimische“ nennen können, kann man meist zurückverfolgen bis zur Zeit der Sagas. Wahrscheinlich wurden einige der Geschichten auch hier geschrieben, denn auf dem, was hier besprochen wurde, beruhen die Grundlagen der heutigen isländischen Sprache. Sie ist am nächsten von allen skandinavischen Sprachen am alten Nors dran, der originalen Wikingersprache.

heute kann man zwischen den Platten laufen
heute kann man zwischen den Platten laufen

In Þingvellir kann man außerdem zwischen Amerika und Europa laufen, auch wenn das damals wohl noch keiner erahnt hat. Durch die Plattendrift von etwa vier Metern seit der ersten Parlamentssitzung in 930 n.Chr. ist die Tagungsstätte wohl öfters überflutet worden. Eine Platte links, die andere rechts und dazwischen ist vor einigen Jahren plötzlich eine Straße abgestürzt und dann wusste man „Ups, da verläuft wohl die Plattengrenze“.

 

Geysir
Geysir

Im direkten Umfeld der Plattengrenze passiert ja auch sonst einiges unter der Erde. Wenn kaltes Wasser vom Gletscher unterirdisch abläuft und auf eine der Heißwasserquellen oder Magmaströme trifft, erhitzt sich das kalte Wasser so plötzlich bis zum Siedepunkt, dass es mit einem Mal wie eine große Blase durch ein Loch in der Erdoberfläche nach oben bricht und dann steht da eine der größten Sehenswürdigkeiten Islands: der große Geysir. Eigentlich auch nur „der Geysir“, er ist der Geysir, der allen anderen Phänomenen dieser Art auf der ganzen Welt den Namen gab. Den originalen Geysir gibt es heute zwar noch, aber er ist jahrelang nicht ausgebrochen, dann vor ein paar Jahren plötzlich wieder ein paar Mal kurz hintereinander, jetzt wieder nicht. Aber nebenan pustet jetzt das Wasser aus der Erde, und das bis zu drei Mal in sieben Minuten und meist bis zu 40 Meter hoch. Wenn man auf den Geysir wartet, muss man ein bisschen schauen, welche Schuhe man anhat und wo man sich damit hinstellt, denn das überschüssige Wasser läuft über die Ebene ab und das ist teilweise richtig heiß. Einfach so neben den Weg treten sollte man Island also nirgends und einfach so den Finger in irgendwelches natürliches Gewässer stecken auch nicht.

Paradies der Lofoten
Paradies der Lofoten

Das sollte man in Norwegen auch nicht, aber nicht wegen der Hitze. Da besteht immer die Gefahr, dass man plötzlich mitgerissen wird, ob von einem reißenden Fluss, einem Wasserfall oder den speziellen Strudeln und Sögen unter der Wasseroberfläche in den Fjorden. Aber schön aussehen tut das Wasser in Norwegen. Die Strände der Lofoten sehen wirklich aus wie in der Karibik, wenn die Sonne scheint und das Wasser so wahnsinnig türkis scheint, denn der Grund am Fjordrand ist steinig und durchzogen von Sandstreifen und die glänzen natürlich besonders schön. Durch diesen besonderen Boden konnte sich vor Norwegens Küste auch was ganz besonderes entwickeln: das größte Tiefsee-Korallenriff der Welt. Leider kann man nicht hintauchen, oder vielleicht auch ganz gut, dann geht es nicht kaputt. Das Wasser ist in den Fjorden verhältnismäßig warm, da der Golfstrom direkt vor der Küste liegt und schönes warmes Klima mitbringt. Ohne Trockenanzug würde ich mich hier allerdings trotzdem nicht ins Wasser trauen. Aber unsere Biker-Jungs waren ja letzte Woche in Spitzbergen schon anbaden…

Troll
Troll

Wer nicht dran glaubt, dass die Gletscher diese wahnsinnige Landschaft der Lofoten geschaffen haben, der kann trotzdem noch dran glauben, dass das alles nicht möglich wäre ohne die Trolle. Die werden zu Stein, wenn sie von einem Sonnenstrahl getroffen werden und deswegen liegen überall diese moosigen Felsblöcke in der Gegend rum, weil Trolle so neugierig sind und nicht auf den Sonnenstand achten. Ein besonders großer und hässlicher Troll soll in Ramberg ein Mädchen kennengelernt und sich in sie verliebt haben. Sie war aber nicht interessiert und so hat er sich an den Strand von Ramberg gesetzt und geweint. Bis zum Morgengrauen saß er da und so wurde der Troll von den Strahlen der Morgensonne getroffen, wurde zu Stein und noch heute sieht man sein Gesicht im Fels über Ramberg. Und wenn es regnet, sieht man noch heute die Tränen in seinen Augen.

Þingvellir Nationalpark
Þingvellir Nationalpark

Man geht übrigens davon aus, dass die Sache mit den Trollen in Norwegen auf wahren Sichtungen von Trollen beruht. Die Wikinger glaubten nicht an einen oder mehrere Götter, für sie war Mutter Natur die größte Macht. Und so wurden Kinder, die behindert auf die Welt kamen, nicht von den Eltern getötet, denn kein Mensch durfte über Leben und Tod entscheiden, das war allein Mutter Natur vorbehalten. Also wurden diese Kinder und auch ungewollte Töchter im Wald ausgesetzt. Sie ernährten sich so gut es ging, sie sahen nach einem Tag dreckig und zerzaust aus, hatten verfilzte Haare und zerrissene Kleider. Um nicht gesehen zu werden, blieben sie im Tageslicht versteckt und kamen nur zur Dämmerung in die Nähe vom Waldrand. Als dann die Christen kamen, machten die Wikinger ihnen Angst, indem sie ihnen sagten „Passt auf, wenn ihr in den Wald geht. Im Wald gibt es Trolle und die lieben Christenblut.“ Und so kam es zur Legende der Trolle.

 

Seht ihr, schon wieder was gelernt. Und damit ein schönes Wochenende.

 


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Kommentare: 2
  • #1

    Sonja Widmaier (Samstag, 24 Juni 2017 09:30)

    Das mit den Walen ist der Hammer!!!!!

  • #2

    Bettina Frerichs (Donnerstag, 29 Juni 2017 01:29)

    Das sind ja absolut irre Bilder! Irrrrre!!!