Den Regen konnten wir leider nicht in der Normandie lassen und er hat uns verfolgt bis Belgien. Der Herbst hat also so richtig Einzug gehalten jetzt und es wird von Tag zu Tag kälter. Ohne Fenster in der Kabine sind wir gezwungen, uns auf den Wetterbericht zu verlassen, und da der praktisch täglich „welchselhaft“ sagt, gehört die Thermo-Strumpfhose inzwischen zum Standard-Inventar vor Ausflügen.
In Gent war es dann so übel, dass die Fahrt im Kanalbötchen so richtig ins Wasser fiel und die gesamte Gruppe mit nassen Hintern ausstieg. Sogar ein Dach hatten die Bootsmänner draufgesetzt, ganz
modern elektrisch, damit man es für die niedrigen Brücken runterfahren kann. Mit Wind von allen Seiten allerdings nicht wirklich soo hilfreich. Schade…dann bringt der Ausflug irgendwie so gar
nichts, denn sehen tut man ja auch nicht wirklich und Fotos machen kann man schon gleich gar nicht. Zu lachen hat man aber immer viel, wenn die Reisegruppe cool drauf ist.
Nicht ganz so viel zu lachen gabs in Gouda, da wehte so ein eisiger Wind, dass wir den Aufenthalt in der St. Janskerk um die Hälfte verlängerten, denn da war es vergleichsweise kuschelig warm
drin. Wenigstens schien die Sonne und wir hatten was von den grandiosen Buntglasfenstern, die nicht nur biblische sondern auch lokalhistorische Geschichten erzählen. Erster Stopp in der Freizeit
war dann der Euro-Shop, aus dem ich zehn Minuten später um 3 Euro ärmer, aber um Mütze, Handschuhe und Stulpen reicher herausspazierte.
Die andere Seite des Herbstes gab es dann in Winchester. Sonne und Windstille und einen Park in so richtig schönen Herbstfarben, wie man es sich nur erträumen kann. In Winchester war ich jetzt 6
Mal und kenne inzwischen alle Geschichten. Normalerweise bin ich dort mit Steve, der kennt mich und mein Zahlen- und Namensgedächtnis inzwischen und dann macht er mir das Übersetzen superleicht.
Er sagt auch immer dazu, welch Glück die Gäste haben, weil ich die beste bin. Aber für Trinkgeld hat sein Lob bisher immer noch nicht gereicht. Naja…dafür mach ich den Job ja auch nicht.
Beim letzten Ausflug nach Winchester dann die herbe Enttäuschung: Steve hatte Urlaub und Carmen machte die Tour. Auf Deutsch! Voll uncool, da trabt man nur hinterher und denkt sich die ganze Zeit
„Aber Steve erzählt das viel schöner“. Rettung nahte allerdings in Form einer älteren Dame, die zwei neue Hüften (geht das?) hatte und Diabetikerin war und ja gaaar nicht wusste, dass man in
Winchester laufen muss. Also hab ich sie am Arm gepackt und hab ihr eine Privattour in der Kathedrale gegeben. Mann, war sie begeistert. Hat sich auch sogar meinen Namen ganz genau
aufgeschrieben. Für Trinkgeld oder wenigstens eine Erwähnung im Gäste-Feedback war ich dann aber wohl doch nicht nett genug…
Vor lauter Kälte entschieden Scout-Kollegin Tina und ich uns für einen heißen Abend im Nightfly, das ist unser Nachtclub, wo allabendlich Kabarett, Gesang und Artistik aufgeführt wird. Da gibt es
zwei muskelbepackte Russen namens Oleg und Boleg (jedenfalls heißen sie in der Show so), die wahre Wunder an den Stangen vollführen, die unter der Decke hängen. Wahnsinn, in welche Richtungen
sich so ein menschlicher Körper doch drehen und verrenken kann! Ein trauriger Clown ist auch dabei, der auf den Händen stehend Kunststücke auf sich drehenden Tellern auf Stangen macht, und zwei
Mädels, die allen den Kopf verdrehen mit ihrem Tanz in Reifen, die von der Decke baumeln.
Und durch den Abend führt ein alter Zirkusdirektor, der Geschichten erzählt und singt und besonders charmant ist zu den Gästen, die besonders grantig dreinschauen.
Damit wir es uns nicht zu gemütlich machen, entschied TM Marie für den nächsten Tag, mich früh aus den Federn zu holen und nach sehr langer Zeit mal wieder nach Deauville zu schicken. Den Strand-Ausflug dorthin gibt es inzwischen glücklicherweise nicht mehr (obwohl ihn letzte Woche tatsächlich noch sechs Leute gebucht hatten…), also in Verbindung mit Honfleur. Ist ja alles schön und gut – nur geht das ganze ja schon um halb 8 früh los! Von der Fahrt bis dorthin hatten wir rein gar nichts, denn erst war es dunkel und dann war es so neblig, dass wir nicht mal die Seine von der Brücke runter gesehen haben. Dann ist es noch so früh am Tag, dass die Geschäfte noch nicht offen haben, und so spät im Jahr, dass die öffentlichen Klos überall schon geschlossen sind. Also eine tolle Truppe müder, verärgerter, verfrorener Gäste beim Stadtspaziergang durch eine Stadt, in der noch alles schläft außer Müllabfuhr und Baustellenarbeiter…was kann es schöneres geben? Richtig, es geht ja noch weiter nach Deauville. Gerade als die Sonne über Honfleur aufging, die ersten Geschäfte aufmachten, und es aussah als könnte es doch ein ganz netter sonnig warmer Tag werden, alle wieder zurück in den Bus gesteckt und weiter gings nach Deauville. Dort angekommen: kein Strand! So arger Nebel, dass man kaum die andere Straßenseite sehen konnte. Na klasse. Ich hab mich trotzdem auf den Weg gemacht, das Wasser zu suchen, hab ja sonst nix zu tun, wenn alle Gäste vor lauter Kälte und Ärgernis direkt ins nächste Café geflüchtet sind ohne Reiseleiter oder mich eines weiteren Blickes zu würdigen.
Inzwischen haben wir die Uhren auf Winterzeit umgestellt und es gibt eine extra Stunde. Diese Woche geht’s für mich nochmal nach Paris – 3 Stunden Fahrt im Nebel hat auch was. Von der Autobahn
sieht man eh nicht viel, da sind die Wiesen in den Nebelschwaden doch eigentlich ganz nett. In Paris war der Nebel dann gottseidank weg, eine Eiseskälte mit beißendem Wind erwartet uns, aber wenn
man eine hübsche Bank in einer windstillen Ecke in der Sonne findet, lässt es sich sogar im Polo-Shirt aushalten.
Mir persönlich sind die Großstädte ja zu hektisch. Und das selbst heute, wo Allerheiligen ist und die Straßen praktisch leer sind. Ist man schon mal zum vierten Mal in fünf Monaten in Paris
(wofür einen sicherlich viele beneiden), und alles wonach mir ist, ist eine nette Bank am Seine-Ufer zu finden und ein Blögchen zu schreiben. Und obwohl ich es absolut hasse, in aufregenden
Städten mit Stöpseln im Ohr rumzulaufen, ist es hier so nervig mit Verkehr, Sirenen, Tourbooten mit brüllend lautem Kommentar, da brauch ich einfach ein bisschen Harry Potter im Ohr.
Ich bin halt doch der lieber-Honfleur-als-Paris- und lieber-Winchester-als-London-Typ. Oder Salisbury, da ists auch super! Weil diese Woche meine letzte Woche ist, darf ich ein paar Wünsche äußern und durfte nochmal zu Stonehenge mit anschließendem Bummeln in Salisbury. Hier sogar so angenehm, dass ich den ganzen Tag im Polo rumlaufen konnte. Irgendwie kann ich mich nicht entscheiden, ob ich Herbst hier gut finde oder nicht…
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