Den Spaß, den wir mit Gästen haben

So langsam aber sicher füllt sich meine To-Do-Liste mit den Ausflügen, die ich gerne noch machen möchte. Es gibt noch einen pro Hafen, auf den ich Lust hätte – allerdings sind 2 von 4 welche, die ich schon mal gemacht hab. Aber manche Orte sind einfach richtig hübsch und man kann gar nicht genug davon kriegen. Ich bin gespannt, ob ich es noch zu Madame Tussauds schaffe – aber an sich bin ich ganz froh, nicht ganz so oft in den Hauptstädten unterwegs gewesen zu sein.

Amsterdamer Panorama
Amsterdamer Panorama

Letzte Woche war ich sogar zum ersten Mal tagsüber in Amsterdam! Bisher nur zweimal für die Grachtenfahrt am Abend, aber endlich auch mal einen Tagesausflug. Amsterdam an sich kenne ich ja schon, und daher bot sich die viele Freizeit an, sie den wichtigen Telefonaten für Arzttermine und Arbeitsamtgesprächen etc. zu widmen. Aber ein grandioses Einkaufszentrum hab ich gefunden, das in einem alten Gebäude aufgemacht wurde – unglaublich toll. Zum Shoppen hab ich persönlich ja nicht so Lust wenn es kalt ist und ich bis unter die Ohren eingepackt bin. Mit dem riesigen Scout-Rucksack (der muss immer mit fürs 1.-Hilfe-Set und Wasser und Firmenhandy und so) und der fetten Winterjacke und der gigantischen Hose ist es einfach zu aufwendig, sich tausendmal umzuziehen. Aber ich beschwere mich nicht…ist ja mal ganz gut für den Geldbeutel und vor allem fürs Heimfahr-Gepäck, wenn ich nicht mit so viel mehr heimfahre als mit was ich gekommen bin.

 

Rouener Kirche ohne Namen
Rouener Kirche ohne Namen

Und in eine Hauptstadt habe ich mich ja so richtig verliebt: Rouen, größte Stadt und alte Hauptstadt der Normandie. Unglaublich schön und weil ich schonmal was erzählt hatte, gibt’s dazu nur Fotos. Je öfters ich irgendwo hinkomme, desto mehr gehe ich einfach mal der Nase nach und gehe erkunden. In Rouen kenne ich jetzt also nicht nur die Kathedrale Notre Dame de Rouen, sondern auch eine Kirche, deren Namen ich nicht mal rausgefunden habe. Unglaublich, wie so was aussieht, wenn sich niemand um die Erhaltung des Kirchenschiffs kümmert.
Und wenn ich das mitten in der Stadt in Rouen schon mochte, dann konnte der Ausflug ins Tal der Seine ja nur erfolgreich für mich sein: da stand früher alle paar Kilometer ein Kloster, unter den Wikingern sind viele davon geplündert worden, aber ein paar stehen noch.

 

Weltuntergangsstimmung in Boscherville
Weltuntergangsstimmung in Boscherville

So zum Beispiel die Abtei von Saint Georges in Boscherville mit einer grandiosen Kirche ganz in weiß und mit superschönen Schnitzereien an den Säulen. Beeindruckend, wenn man bedenkt, dass die das früher noch nicht vorher alles so genau mit Computern und so ausrechnen konnten. Den Klostergarten gibt es in Boscherville auch noch und vielleicht war er gerade deshalb so toll, weil die dunklen Wolken um die Ecke lugten. Und sogar Mitwohni-Moni, die früher als Fotograf gearbeitet hat, sagte gleich „Uuh, was war da denn für ne komische Stimmung?“ Wir haben es gottseidank eine Minute vor dem krassen Wolkenbruch in den Bus geschafft und so war es dann einigermaßen trocken, als wir nach Jumièges kamen. Dort stand auch eine Klosteranlage mit riesiger Kirche. Irgendwann hatte Frankreich kein Geld mehr, die ganzen Kirchen zu unterhalten, und ein reicher Geschäftsmann hat das Grundstück gekauft und systematisch gesprengt und als Steinbruch für Hausbau-Steine genutzt. Erst vor nicht allzu langer Zeit hat der Staat die Anlage zurückgekauft und unter Denkmalschutz gestellt. Prinzipiell natürlich schade, solche Gebäude als Steinbruch zu nutzen, aber andernfalls konnten vermutlich viele Menschen ein Dach über dem Kopf haben dadurch und außerdem macht es so viel mehr für Fotos her, wenn nicht mehr alle Wände stehen.

 

Jumièges
Jumièges

Die Hälfte unseres Biker-Teams hat uns Samstag verlassen und dafür sind drei neue gekommen und nächste Woche kommt auch schon wieder eine neue Scoutine. Irgendwie bleibt also nichts hier beim Alten und ich freu mich, bald wieder heim zu dürfen. Aber manchmal gibt es ja doch ganz ulkige, spaßige oder einfach nur verwirrende Zwischenfälle hier an Bord. Wir haben Herbstferien und somit ist das Schiff wieder voll mit Kiddies und Teens – insgesamt sind etwa 1.200 unserer 4.300 Gäste unter 16 und es ist immer voll und laut egal wohin man geht. Da gab es diesen Moment, wo ich gerade vom Schalter kam und vor der Rezeption von einem Herren angehalten wurde, der noch Fragen hatte. Und plötzlich tut es über uns einen riesigen Rumms, alles wird still. Rumms! Alle schauen sich verwirrt an, die Rezi guckt auch schon rum. Rumms! Da macht man sich echt Gedanken. Komische Geräusche, die keiner kennt, sind schlimm genug. Aber auf einem fahrenden Schiff mitten auf der Nordsee will man das eigentlich lieber nicht erleben. Und warum kommen die Rummse von oben, wo die Maschine doch unten ist? Rumms! Des Rätsels Lösung zeigte sich und in Form eines 14jährigen, der sich ab der Hälfte der Treppe aufs Geländer gestützt und den Rest der Stufen übersprungen hat. Rumms! – kommt er auf Deck 4 an und die versammelte Mannschaft atmete auf. Jugendliche…ernsthaft…

 

Weltuntergangsstimmung in Boscherville
Weltuntergangsstimmung in Boscherville

Dann war da der 16jährige, der von einem älteren Paar an die Rezi gezerrt wurde. „Wir haben ihn gefunden oben am Pooldeck. Er hatte einen Fuß auf der Reling.“ Stellte sich raus, dass er stockbesoffen war und ein Bad in der Nordsee nehmen wollte. Der wird wohl nie wieder mit Onkel und Tante in den Urlaub fahren dürfen.
Die ein oder andere medizinische Ausschiffung hatten wir auch schon. Meist, wenn besonders Ältere an Bord sind. Bisher ist glücklicherweise nie was wirklich schlimmes gewesen und alle Betroffenen kamen schnell wieder auf die Beine. Aber vielleicht sollte man eben doch nicht auf so einem riesigen Schiff Urlaub machen, wenn man ein schwaches Herz hat – allein in den knapp 6 Monaten, die ich jetzt hier bin, gab es 8 Herzinfarkte, von denen ich was mitbekommen habe. Nur einer davon war mitten in der Nacht, sodass wir wach wurden, denn dann gibt es den Alarm fürs medizinische Notfall-Team.

 

typischer Amsterdamer Vorgarten
typischer Amsterdamer Vorgarten

Ausgeschifft wird im Hafen ganz normal mit Krankenwagen. Wie in Rotterdam letzt, da ist ein Mann umgekippt direkt vor dem Terminal und dann wurde ein Polizist extra abgestellt, um unsere Ausflugsgruppen zum Busparkplatz zu guiden. Die Woche drauf wieder in Rotterdam was an Bord passiert, dann wurde die Person abgeholt und das Ablegen hat sich einfach ein bisschen verzögert.
Auf See ist das ganze natürlich nicht ganz so einfach. Zweimal wurde per Hubschrauber ausgeschifft, aber einmal war der Wind so krass, dass das nicht möglich gewesen wäre und so mussten sie ein Boot schicken, was den Patienten abgeholt hat. Und einmal haben wir sogar umgeroutet und sind nachts auf dem Weg nach Le Havre nochmal Richtung Dover abgedreht, um dort an der Lotsentonne ein Ambulanzboot zu treffen. Der Mann ist abgestiegen, hat sich die Batterie seines Herzschrittmachers austauschen lassen und war den nächsten Tag in Frankreich wieder da.

 

das einzig schöne am ultrafrühen Aufstehen in Frankreich: Sonnenaufgang
das einzig schöne am ultrafrühen Aufstehen in Frankreich: Sonnenaufgang

Auf unserer Route sind wir nicht allzu unfall-anfällig wie auf anderen. Zwar übersieht jeder mal eine Bordsteinkante oder fällt fast in einen Stadtkanal (wirklich so passiert in Gent, wo einer meiner Ausflugsgäste so hastig einem Fahrradfahrer ausgewichen ist (obwohl wir immer sagen, dass die plötzlich von allen Richtungen kommen könnten), dass er rückwärts gestolpert ist und mit dem Kopf bis über der Grachtenkante hing – gottseidank: ein bisschen weiter vorne wäre er mit dem Hinterkopf aufgeschlagen, ein bisschen weiter hinten und er wäre im Kanal gelandet), oder vergisst die Anweisungen der Biker, immer rechtwinklig über Gleise zu fahren und immer beidhändig zu bremsen. Aber Martina hat mich schon auf meine Karibikroute im nächsten Vertrag ab Februar vorbereitet: Da gibt es wohl schon feste Brief-Vorlagen für den Unfallbericht à la „auf Seeigel getreten: linker Fuß verletzt“, „auf Seeigel getreten: rechter Fuß verletzt“, „an Koralle gestoßen: rechte Hand verletzt“, „Kokosnuss-Malheur“, …

 

Abteikirche in Boscherville
Abteikirche in Boscherville

Und dann gibt es ja noch die einfach Unfähigen. Wie oft wir schon jemanden in Paris oder London gelassen haben, weil der Busfahrer angeblich den Treffpunkt falsch auf der Karte eingezeichnet hatte – komisch nur, dass 48 andere im Bus zur richtigen Zeit am richtigen Treffpunkt sind. So die Tage passiert, als eine dreiköpfige Familie, nennen wir sie mal Meierschmidt, in Paris nicht zum Treffpunkt erschienen ist und auch eine dreiviertel Stunde später noch nicht aufgetaucht war. Also hat der Scout das Schiff informiert, dann entscheidet der Kapitän, wie lange er warten kann und wie lange dementsprechend der Bus warten soll. So wurden die Busse zurück nach Le Havre geschickt, denn woher soll man auch wissen, wo sich die Vermissten aufhalten in einer Stadt wie Paris.

 

Abschiedspicknick mit Isabel am letzten schönen Tag in Zeebrügge
Abschiedspicknick mit Isabel am letzten schönen Tag in Zeebrügge

Die Gäste können bei der Anreise eine Handynummer im System hinterlegen, eben für genau solche Fälle. Hatte besagte Familie natürlich nicht getan und konnte somit nicht erreicht werden. Knapp 2 Stunden nach Treffpunktzeit haben sich Meierschmidts nicht etwa bei der Notfallnummer, die jedem Paris-Ausflügler mitgegeben wird, sondern bei der Prima-Rezeption gemeldet. Für Rückruf durch TM Marie haben sie eine Handynummer hinterlegt. Als Marie anrief, kam sie bei jemand komplett anderem raus. Inzwischen war der Ausflugsbus auf halbem Weg von Paris nach Le Havre. Herr Meierschmidt rief noch einmal an, brüllte am Telefon unseren Rezeptionsmitarbeiter an, bis dieser das Gefühl hatte, gar nicht mehr zu Wort zu kommen und einfach auflegte. Das nächste Mal, als Herr Meierschmidt anrief, war Marie an der Reihe, ließ sich auch eine Runde lang anbrüllen und erklärte ihm dann, dass es keine Möglichkeit gebe, den Bus aufzuhalten. Die einzige Möglichkeit sei es, mit dem Taxi nach Le Havre zu kommen oder die Reise abzusagen. Doch als sie fragte, wann wir sie erwarten können, war plötzlich die Verbindung weg.

 

Jumièges
Jumièges

Später wurde klar, dass Herr Meierschmidts Handy so schlechten Empfang hatte in Paris. Aber auf die Idee zu kommen, den Taxifahrer nach seinem Telefon zu fragen, das wäre ja zu viel verlangt gewesen. Wir also keine Ahnung, ob Meierschmidts nun auf dem Weg waren oder nicht oder wo genau sie denn eigentlich gerade waren.
Und so entschied der Kapitän eine dreiviertel Stunde nach offiziellem Ablegetermin, dann doch endlich abzulegen, denn wir hatten ja keine Möglichkeit Meierschmidts zu erreichen auf ihrer falschen Nummer, die er auch beim zweiten Mal angegeben hatte. Als die Prima drei Kilometer von der Pier war und gerade die Hafenmole von Le Havre passiert hatte, bog Meierschmidts Taxi um die Ecke des Hafenterminals. Tja…dumm geloffe. Einfach umdrehen und wieder anlegen ist nicht bei einem Kahn wie unserem. Den gebrüllten Androhungen, Meierschmidts müssten jetzt mit dem Kapitän telefonieren oder mit dem Lotsenboot der Prima hinterhergebracht werden, gab der Kapitän nicht nach, und so musste unser armer Hafenagent zweieinhalb Stunden einen brüllenden Herrn Meierschmidt ertragen, bevor das Lotsenboot mit Reisepässen und Bargeld aus dem aufgebrochenen Kabinen-Safe der Meierschmidts zurück an Land kam.

 

Für den kurzfristigen Ein-Weg-Mietwagen von Le Havre nach Zeebrügge und das Hotel dort bezahlt man etwa so viel wie für eine Woche auf der Nordseeroute mit der Prima.
Und was lernen wir daraus? Na, hauptsächlich haben die Prima-Scouts jetzt eine neue Story, die sie am Ausflugstreffpunkt erzählen können, um Gästen einzutrichtern, dass es wichtig ist, am Treffpunkt zuzuhören, was ihnen gesagt wird…

 

 

 

 


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