Vor der Kamera und hinter den Kulissen

Ich bin inzwischen eine kleine Berühmtheit hier an Bord. Die Berühmtheit hält bei den Gästen natürlich nur eine Woche, weil dann ist ihr Urlaub rum und sie holen ihr Gehirn wieder in Hamburg ab, was sie eine Woche vorher an der Gangway abgegeben hatten (der Urlaub auf der Prima wird von GM Harald sogar so verkauft: „Lassen Sie Ihr Gehirn einfach mal zu Hause!“). Aber unter der Crew bin ich inzwischen bekannt wie ein bunter Hund.

wir haben einen neuen Scout - er hat den ersten Tag nicht überlebt.
wir haben einen neuen Scout - er hat den ersten Tag nicht überlebt.

Die Berühmtheit unter der Crew kommt einfach von allein. Wenn man, wie ich, dauernd im Gäste-Bereich unterwegs ist, jeden Abend in den Korridoren Briefe an Kabinentüren verteilt und dauernd irgendwo am Schalter steht, ist es einfach unvermeidlich, diverse Kollegen dauernd zu sehen. Bei den Securitys komme ich jeden Hafentag mit mehreren Ausflugsgruppen vorbei. Die Kellner auf Deck 7 sehen mich dauernd am Schalter stehen. Die Housekeeper sind immer in den Gängen unterwegs, wenn ich meine Briefe verteile. Und mindestens einmal am Tag stolpert man irgendwo über ein Staubsauger-Kabel, also kennen mich auch die Staubsaugerjungs so langsam nach dreieinhalb Monaten an Bord. Die Männer in Hellbraun, die gefühlt alle zwei Tage die Glasschiebetür vor unserem Office reparieren, kennen mich inzwischen auch, weil sie mir die Türen aufhalten müssen, wenn ich vorbei stürme.

 

Scout-TV mit Christiana
Scout-TV mit Christiana

Die Philipinos haben ein unglaubliches Talent dafür, in Millisekunden dein Namensschild zu lesen, sodass praktisch jeder von ihnen dich mit Namen ansprechen kann, wenn er dich zum ersten Mal sieht. Und erstaunlicherweise scheinen sie sich auch deinen Namen sofort zu merken.
Und die Crew bekommt ja die gleichen Fernsehsender wie die Gäste und so kommt es, dass ich doch auch auf den Crew-Kabinen immer recht präsent bin, wenn ich rauf und runter auf Kanal 2 laufe. Denn da läuft Scout-TV, unser Ausflugs-Fernsehen, was wir ursprünglich täglich von Samstag bis Dienstag live gefilmt und dann 24 Stunden in der Dauerschleife gezeigt haben. Da haben wir die nächsten Häfen vorgestellt und die schönsten Ausflüge, damit die Gäste auch wissen, dass da noch Kapazitäten frei sind.

 

jeden Donnerstag empfängt uns der Shanty-Chor in Rotterdam
jeden Donnerstag empfängt uns der Shanty-Chor in Rotterdam

Das war immer ganz schlimm für mich am Anfang. Auf der Bühne stand ich am Seetag morgens für die Ausflugspräsentation mit Kevin oder Christina, das fand ich ganz entspannt, auch wenn das Theatrium voll saß mit mehreren hundert Menschen. Da hatte man immer irgendwo hinzuschauen, jeder wusste, dass du das live machst und Fehler und Verhaspler normal sind, und die Stunde auf der Bühne ging rum wie nix. Aber dann Scout-TV – fürchterlich. Mit diesem seltsamen Draht-Dings ums Ohr, wo das Mikro dran hängt, und bei dem immer entweder die Brille schief sitzt oder das Mikro mit der Zeit Schlagseite bekommt.

 

in Frankreich wird man öfters mal nass bei der Abwicklung
in Frankreich wird man öfters mal nass bei der Abwicklung

Mittlerweile ist das ganze ein bisschen angenehmer geworden, ich sage auch nicht mehr ganz so oft meine typischen Sprüche, wenn ich nicht mehr weiß, was ich sagen soll („Das ist eine ganz tolle Sache“, „das ist eine ganze entspannte Sache“, „das ist eine wirklich beeindruckende Sache“, …) und wirke nicht mehr ganz so sehr wie ein Roboter, der an seinem Hals ein Scharnier hat, dass nur von links nach rechts läuft (ich sag’s euch: dieses blöde Mikrofon ist wirklich lästig!). Scout-TV ist ein neues Konzept, was erst mit der Prima eingeführt wurde und wir haben das immer zu zweit gemacht. Die ersten Male mit Isabel waren anstrengend, obwohl ich sie so gerne mag, mit den älteren Mitarbeitern, die das schon ein paar Verträge lang auf der Bühne machen, war es lockerer, die haben mich immer schön an die Hand genommen und gerettet, wenn ich nicht mehr weiter wusste. Dann mit Dennis hat es auch Spaß gemacht, weil der immer „Das ist so herrlich!“ gesagt hat und man immer tierisch Lust auf die Ausflüge bekommen hat, die wir vorgestellt haben.

 

mit Philipp im Scout-TV
mit Philipp im Scout-TV

 

Aber so insgesamt war das Konzept ein bisschen ausgelutscht und wirkte eher wie die Verkaufssendungen auf QVC oder ein absichtlich schlecht geskriptetes Theaterstück, egal wie viel Spaß es gemacht hat. Uns wurde gesagt „Nix gegen euch, aber ihr seid langweilig“, und das Konzept wurde geändert. Der zweite Scout wurde ausgetauscht mit einem Offizier, der uns „dumme Fragen“ stellen sollte (eben so wie wir am Schalter auch dumme Fragen bekommen). Doof nur, dass die Offiziere Martina und Flo waren – und wenn unsere Chefs die Ausflüge nicht kennen, wirkt das doch etwas seltsam. Also eine Proberunde mit Isabel und Flo für England und Frankreich, und Martina und mir für Belgien und Holland, und dann habe ich festgestellt, dass es mir tierisch schwer fällt, so zu tun als kennt Martina unsere Ausflüge nicht. Unser EntMan (Entertainment Manager) Philipp dann also gleich „Na, dann machen wir beide das einfach mal zusammen!“ und so stand ich am Sonntag dann mit der Ober-Rampensau vor der Kamera.

 

gestalked bei der Ausflugsabwicklung
gestalked bei der Ausflugsabwicklung

 

Unser Fernsehstudio ist auf Deck 15 mit tollem Blick über den Hafen und einem Vorhang zum Beachclub, wo sich die Gäste sonnen. Mit Philipp musste natürlich gleich der Vorhang aufgemacht werden, damit man uns live im Studio zugucken konnte…naja. Wurde aber am Schalter schon gelobt von einer süßen alten Dame „Also, Sie haben das am schönsten von allen erzählt im Fernsehen“ – und das, wo ich neben dem Profi stand!
Außerdem komme ich jetzt jede Woche im Reisefilm, nachdem ich zwei Wochen lang vor und während diversen Ausflügen von Marc vom TV-Team verfolgt wurde, wie von einem verrückten Stalker. Im Reisefilm ist auch Martina, die erzählt von ihrer Arbeit und wie sie uns Scouts einarbeitet, und dann muss natürlich auch ein Scout aus seiner Sicht erzählen und alle meinten, ich würde das gut machen, also durfte ich ran. Ich fands lustig – besonders, immer eine Begleitung auf den Ausflügen zu haben zum Schnacken in den Freizeit-Päuschen. Eine japanische Familie dachte wohl, ich wäre berühmt und hat auffällig unauffällig sich so neben mich platziert, dass der Onkel von der anderen Seite des Platzes ein Foto von ihnen mit mir schießen konnte.

 

 

Sonnenuntergang über der Nordsee
Sonnenuntergang über der Nordsee

Und dann habe ich Blödsinn über Till Eulenspiegel erzählt, der laut unseren Infos aus Damme in Belgien kommt. Und das ist so ziemlich das interessanteste, was es über den Ausflug dorthin zu erzählen gibt. Nach meinem Fernsehauftritt mit Philipp bekam ich dann aber glatt einen handschriftlichen (!) Brief von Gast Manfred aus Kabine 11137, der mich aufklärte, dass Till eigentlich aus Mölln sei, und er müsse es wissen, denn er ist Möllner, Ehrengaukler und Mitglieder der Till-Eulenspiegel-Gilde. Oh mann! Na, wenigstens hatte ich in der langweiligen Schalter-Schicht was zu tun und konnte ihm einen handschriftlichen Brief zurückschreiben. Manche Gäste sind halt doch echt nett.

 

 

Blöd nur, dass das mit Philipp so eine coole Sendung wurde, dass ich jetzt wohl nicht aus der TV-Pflicht rauskomme für ein paar Wochen…

 

 

 

 

 


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