Wenn man immer so viel arbeiten muss, muss natürlich auch mal eine Runde Relaxen sein. An Bord haben wir genug Möglichkeiten im Crew-Bereich, sodass wir uns abends immer in der Crew-Bar treffen oder uns dort ein, zwei Fläschchen Bier holen und damit aufs offene Deck am Heck setzen zum Hafen-Begucken.
Dauernd muss hier irgendwas gefeiert werden. Meine Scout-Crew ist prinzipiell sehr feierfreudig, aber doch noch sehr im Rahmen. Mich hat noch niemand nachts betrunken aus meiner Kabine geklopft, also geht es schon mal gesitteter zu als im Studenten-Haus, in dem ich zuletzt gewohnt habe. Mag allerdings auch dran liegen, dass man hier doch immer einen halben Blick auf seinen Alkohol-Konsum hat, denn es gibt strikte Regeln an Bord. Während der Arbeit gilt natürlich die Null-Promille-Regel, aber auch wenn wir off-duty sind, dürfen wir nur 0,5 haben. Vor nicht allzu langer Zeit ist ein Kollege fristlos gegangen worden, weil er morgens praktisch bewusstlos auf einem der Gänge gefunden wurde. Das Hospital hat ihn unter die Lupe genommen und zurückgerechnet, dass er wohl über 2 Promille gehabt haben muss. Naja…Regeln gibt’s halt und die sind allen hier bekannt, dann kann man sich auch dran halten.
Aber schön ist das schon, abends mit Kollegen und Bier draußen zu sitzen und sich die Nordsee-Luft um die Nase wehen zu lassen (bzw. die Küstenluft der Seine oder der Elbe oder des Maas oder an welchem anderen Fluss wir sonst so liegen). Sonnenuntergang habe ich bisher erst einmal auf offener See gesehen. Das Wetter war ja recht bescheiden die letzten Wochen, aber vergangene Woche hat es dann endlich mal geklappt; als ich zufällig gerade meinen Schalter zumachte und kurz rausschaute, war die Sonne nur noch ein riesiger orangener Ball. Es hat mich ungefähr 20 Minuten gebraucht, dann wirklich ein Foto machen zu können: erstmal runter auf Kabine um die Kamera zu holen. Dann aufs Deck 5 in den Crew-Bereich mit offener Heck-Wand gesprintet, nur um festzustellen, dass die Sonne ziemlich genau an Steuerbord liegt, und um die Ecke kann man von Deck 5 nicht schauen. Also losgespurtet, und dann finde mal ein Nichtraucher auf diesem vermaledeit großen unübersichtlichen Schiff das Crew-Raucherdeck! Bin irgendwo abgebogen und stand plötzlich in einer der kleineren Restaurant-Küchen, aber alles kein Problem, denn da flitzen immer viele weiß-geschürzte Männchen rum und einer konnte mir dann doch den Weg zeigen und grade noch rechtzeitig war ich da für das perfekte Sonnenuntergangs-Bild.
Dann war diese Woche ja Scout-Kollege Lennis letzte Woche. Nach über 200 Tagen an Bord darf er auch endlich in den wohlverdienten Urlaub und so mussten wir natürlich unsere Zeit mit ihm noch
nutzen. Und was schöneres gibt es in meinen Augen hier an Bord eigentlich nicht, egal wie fancy man alles gestaltet: Das schönste war schon immer und wird auch immer bleiben, mit lieben Leuten
und einem kalten Drink in der Hand der Sonne beim Schlafengehen zuzuschauen.
Die meisten lieben Leute hier sind meine Kollegen, mit denen ich jeden Tag hier verbringe. Aber ganz zufällig habe ich auch andere liebe Leute kennengelernt, die nicht aus dem Shore Ops-Team
sind. Zum Beispiel sitzt im Office gegenüber eine Anika, liebevoll die „freundliche RedBo von nebenan“ genannt (RedBo = Redaktion der Bordmedien), die uns immer mit Schokolade versorgt, wenn wir
am Seetag in Bergen von Briefen ertrinken, und die einem förmlich um den Hals fällt, wenn man in England an sie denkt und ihr Cadbury-Schoki mitbringt.
Unsere Biker sind auch ganz nette Jungs und helfen (manchmal) ganz gerne oder tragen zum Chaos wenigstens mit dummen Sprüchen bei. Eine der ersten Lektionen, die ich hier gelernt habe, war:
„Halte dich fern von den drei Bs!“ – Biker, Bar und Brücke. Von der Bar kenne ich noch niemanden, die Brücke ist da wo der Big Boss Boris Becker arbeitet und wo ich hoffentlich irgendwann mal
reinschauen darf. Und die Biker… naja, sind halt Biker. Schwer von sich überzeugt, muskelbepackt, laut, immer gut drauf weil die lieben Scouties ihnen das Briefe-Packen abnehmen, aber auch immer
so dankbar, wenn wir ihnen mal helfen, ihre Fahrräder und E-Bikes vom Schiff auf die Pier zu schieben.
Ein anderes B kenne ich auch an Bord, das ist der Braumeister aus dem Brauhaus. Jens war bei mir beim Sicherheitstraining in Rostock und ist eine Woche nach mir aufgestiegen. Und es ist schon
echt schön, noch jemanden an Bord zu kennen, mit dem man nicht jeden Tag aufeinander hockt, sondern mit dem man einfach mal ganz gemütlich abends rumsitzen und schnacken kann.
Durch unsere Ausflüge kommen wir auch immer mit anderen Abteilungen in Berührung. Weil wir den Galeristen helfen bei ihren Kunstauktionen im Theatrium (ja, sowas gibt es wirklich…wieso auch immer man auf Kreuzfahrt muss, um Kunst ersteigern zu können…), hilft uns Romina aus der Galerie bei den Ausflugs-Abwicklungen wenn wir mal knapp aufgestellt sind. Genauso eine Beziehung haben wir auch zu den Reiseberatern, das sind Annika und Julia, die verkaufen und beraten über die nächsten Reisen, weil erstaunlich viele Gäste schon an Bord die nächste Kreuzfahrt buchen. Die helfen gerne bei den Abwicklungen und dürfen ganz manchmal auch mit auf Ausflug als Hilfsscout, und dafür helfen wir ihnen beim Packen ihrer Briefe und Pralinen und Ansteckern – denn wer schon öfters AIDA gefahren ist, ist was besonderes und bekommt noch Extra-Goodies auf Kabine geliefert.
Auf manche Ausflüge gehen Kollegen aus dem Foto- oder dem TV-Team mit. Denn die Gäste können ja Fotos von sich machen lassen und dann an Bord kaufen als Urlaubserinnerung, und es gibt einen Film, der am Ende der Reise gezeigt und verkauft wird mit den schönsten Momenten der Reise. Jerm aus dem TV-Team war letzt mit in Blankenberge und weil er noch Zeit hatte und ich einen Shuttle zu betreuen, der alle 20 Minuten kam, leistete er mir ein bisschen Gesellschaft an der Bushaltestelle. In England war dann Anna mit ihrer Kamera dabei und ich durfte ihr minutenlang in die Linse erzählen, was ein Scout denn eigentlich so macht und wieso wir auf Ausflug mitgehen und überhaupt. War also offenbar Freitag abend im Fernsehen auf der großen Leinwand – aber war natürlich beschäftigt mit Briefepacken und später bei der Wiederholung dann mit Lennis-Abschied-Betrinken. Anna hat aber versprochen, dass ich den Film bekomme, dann kann ich ja mal ein Foto machen von mir in Aktion :D
Die Foto-Leute sehe ich an jedem Hafentag, denn dann stehen sie immer schon bereit auf der Pier und fangen die Gäste direkt hinter der Gangway ab. Chris und Eva sind öfters mal auf Ausflug dabei und immer für einen Plausch gut, Matthias steht auf der Pier immer im Matrosen-Outfit und Nico ist mein Kabinennachbar, alle sehr freundliche Zeitgenossen. Da sie jedes Mal auch ein Foto von mir machen, wie ich vorneweg laufe mit einer Horde Verrückter hinter mir, die alle als erste am Bus sein wollen, kriege ich da vielleicht auch mal eins von, wie ich voll abgehetzt mit zerzausten Haaren, Walkie in der einen und Guiding-Schild in der anderen Hand die Pier entlanghechte.
Bei all den lieben Leuten ist natürlich immer was los hier. Vor allem wenn wir auch noch „von oben“ (also vom Hauptquartier in Rostock) vorgegeben bekommen, dass wir jetzt feiern müssen.
Letzte Woche war 20. Geburtstag von AIDA und da ging auf allen Schiffen die Post ab. Überall war Party und es wurden Torten gebacken in Form von AIDA-Schiffen und so. Und zur großen Überraschung
aller Besatzungsmitglieder gingen wir morgens zur ersten Abwicklung Richtung Gangway, traten aufs Deck und sahen die halbe Terminalhalle in Le Havre verkleidet in einem 100 Quadratmeter großen
Banner zum Geburtstag mit Lob für die Crew. Solche Banner wurden über Nacht in jedem Hafen aufgehängt, in dem ein AIDA-Schiff am Geburtstag anlegte.
Wenn gefeiert wird, werden also keine Kosten und Mühen gescheut. Die erste Crew-Party steht mir noch bevor, die soll wohl auch die Woche noch bald kommen. Auf den älteren Schiffen gab es immer
Motto-Partys, die hier aber nicht geplant waren. Jetzt wollen sie natürlich doch alle, aber wir Neulinge wussten davon natürlich nix, also bin ich völlig gar nicht ausgestattet für
Black-and-White-Party und Matrosen-Party und was es sonst noch alles gibt. Naja…kann ich dann auch nicht ändern.
Die Tage gab es ein cooles Event namens „Crew meets Band“, wo musikalisch begabte Mitarbeiter auf die Bühne im Beachclub dürfen und mit Unterstützung der Band ihr Lieblingslied singen können.
Ganz oft beim Briefeverteilen am Abend trifft man die Housekeeper auf den Gängen und alle trällern so vor sich hin, und teilweise auch richtig gut. Mit Jens bin ich da hin und das war richtig
toll. Einige der Phillis können richtig gut singen und die Passagiere sind voll abgegangen, als sie Köche und Putzfrauen zwischen den Profis auf der Bühne sahen.
Dann war gleich zwei Abende drauf der erste Offiziers-Shantychor, wo alle Streifenhörnchen auf die Brauhaus-Bühne mussten zum Schunkel- und Seemannslieder-Trällern. Habe ich leider verpasst – wer
legt sowas auch auf den Rotterdam-Abend, wo wir Abschiedbetrinken mussten mit Lenni?
Wenn das alles dann regelmäßig kommen soll, wird also immer was los sein und jetzt sind wir so ein kleines Team (nur noch zu sechst bei den Scouties), dass wir sowieso enger zusammenhalten und viel Quality Time miteinander verbringen müssen, bevor wir in zwei Wochen den nächsten neuen Scout in der Truppe begrüßen dürfen.
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