Unser Schiff ist so gigantisch groß, es ist eigentlich eher eine kleine Stadt. Wenn die Prima im Hafen liegt, überragt sie oftmals die anliegenden Hallen und Terminals und fällt so von Landseite aus immer richtig auf (oder passt sich alternativ so perfekt ins umliegende Industriegebiet, dass sie aussieht wie ein zusätzliches Hochhaus).
An Bord haben wir im Moment etwa 3.000 Gäste, davon sehr viele Gold-Mitglieder – die sind schon so oft gefahren und haben so viele Seemeilen gesammelt, dass sie eine spezielle Mitgliedschaft bekommen und ein bisschen wie VIPs sind. Die kennen üblicherweise alle anderen Schiffe wie die eigene Westentasche und beschweren sich entsprechend oft. Wieso gibt’s hier so viel weniger Wegweiser als auf der Diva? Warum kann ich nicht in meinem Lieblingsrestaurant reservieren, obwohl das auf der Sol immer ging? Die Temperatur des Pools ist hier anderthalb Grad kälter als auf der Mar! Gottseidank sieht man nicht auf Anhieb, wer Gold-Status hat, sodass wir an alle Gäste gleich rangehen und alle gleich behandeln.
Bei unserer nächsten Tour ab Samstag werden über 4.000 Gäste in Hamburg an Bord gehen (Gesamtkapazität ist 4.400 in 1.643 Kabinen) und weil Pfingstferien sind, sind ein Viertel davon Kinder. Die
werden richtig gut betreut an Bord: es gibt einen Kids‘ Club mit wunderschönem Spiel- und Malzimmer im Piratenstil, wo den ganzen Tag über Betreuer sind, sodass die Eltern sich auch mal
entspannen können. Allerdings muss immer ein Elternteil an Bord sein, damit auch jemand da ist, wenn mal was passieren sollte. Auf Ausflüge müssen Eltern also ihre Kiddies üblicherweise
mitnehmen.
Nebenan gibt’s auch einen Bereich nur für die Jugendlichen, da ist alles sehr kreativ. Es soll wohl einen Roboter geben, den man umprogrammieren kann, damit er Yogaübungen zeigt und Witze
erzählt. Außerdem kriegen die immer Rätsel auf, wo sie das Schiff für erkunden müssen. Ganz cool: die Selfie-Challenge. Da passiert es dann, dass eine Horde Teenies dich verfolgt und kichernd und
gackernd fragt, ob sie ein Foto mit dir machen können, weil ihnen ausgerechnet das rote Crew-Shirt noch fehlt bei ihrer Sammlung von Selfies mit Crew-Mitgliedern.
Auf der Prima gibt es 18 Bars, 12 Restaurants, 3.000 m2 Spa-Bereich, 8.000 m2 Sonnendeck, mehrere Pools und eine durchsichtige Wasserrutsche, mit der man über das Außendeck
geschleudert wird, einen Friseur, ein Nagel-, ein Fitness- und ein Fernsehstudio, eine Kochschule, eine 500m-Joggingstrecke neben dem Minigolfplatz auf dem Außendeck, einen gläsernen Aufzug an
der Seite des Schiffs und eine kleine gläserne Plattform, auf der man dann 25m oder so über dem Wasser laufen kann.
Damit das alles auch so funktioniert wie es soll, sind wir 900 Crew-Mitglieder an Bord und damit die größte Crew der AIDA-Flotte. Ergibt ja auch Sinn beim größten Schiff der Flotte: 300m lang und
37m breit, können wir zum Beispiel nicht wie die anderen AIDA-Schiffe direkt in Amsterdam anlegen. Nein, wir sind zu lang, also machen wir stattdessen in Rotterdam fest. Auch die 8m Tiefgang
dürften für so manchen Hafen, den AIDA sonst so anläuft, etwas zu viel sein.
Die 900-Mann-starke Crew muss natürlich genauso wie die Passagiere versorgt werden und die richtige AIDA-Stadt findet man erst im Crew-Bereich. Hier gibt’s keine orangenen Chiller-Sessel und
flauschigen Teppich und indirekte Beleuchtung; hier ist alles einheits-hellgelb ohne Schnickschnack und mit hellen Lampen. Die Wege sind unglaublich lang von einem Ende des Schiffes zum anderen
und zwischen den Decks hin und her. Es gibt 17 Decks (Deck 1 bis Deck 18, denn Deck 13 gibt es nicht), Crew-Bereiche gibt es praktisch auf jedem Deck. Crew-Kabinen sind auf Decks 0, 1, 2 und 3.
Ich bin froh, auf Deck 2 meine Kabine zu haben, denn wir kriegen nur ganz leicht das Vibrieren der Maschine unter uns mit und die Luft auf den Gängen ist ganz gut. Je weiter runter man kommt,
desto stickiger und lauter wird es wohl.
Jeder Gang mit Crew-Kabinen hat einen Namen zur besseren Orientierung (haha…Orientierung, dass ich nicht lache). Theresa und ich wohnen in Hamburg und da wohnt auch der Rest der Shore Operations
Crew, also sind Scouts ,TM Linda und die Activities Manager Nachbarn und wenn wir uns mal verabreden zum Essen oder für die Crew Bar sind die Absprachen ganz flott gemacht.
Alles, was so richtig wichtig ist für die Crew, findet sich auf der „Hauptstraße“, ein breiter Gang, der von ganz vorne (Treppenhaus 1) bis ganz hinten (Treppenhaus 19) durchs Schiff führt (die Passagiere haben übrigens nur 3 Treppenhäuser und dürfen nur im Notfall über die Crew-Treppen). Die Hauptstraße wird in jedem Schiff nach dem Ort der Werft benannt, wo das Schiff gebaut wurde, bei den älteren Schiffen heißt sie also Papenburg Road, bei uns Nagasaki Road.
Über die Nagasaki Road laufe ich überall hin, wo ich jemals auf dem Schiff hin muss. Von hier aus geht es in die Crew Mess, die Kantine. Die ist sehr viel schöner als das Einheits-Hellgelb und
hier ist jeder gern weil jeder gerne isst. Das Essen ist richtig gut und wird unter strengen Regeln gekocht, damit wir alle ausgewogen essen (ich hier viel ausgewogener als wohl jemals zuvor),
denn wir haben ja nicht wirklich eine Möglichkeit, uns selbst zu versorgen. Es ist streng verboten, offenes Essen auf Kabinski zu haben. Schoki und Gummibärchen und sowas gehen, aber bei wem Obst
oder offenes Brot usw. gefunden wird, der kriegt Ärger.
Einmal alle Jubeljahre gibt es gebackenen Camembert in der Messe und alle freuen sich wie blöd. Wir hatten das Glück, dass es in unserer ersten Woche schon einen Camembert-Tag gab.
Gekocht wird in der Main Galley (Galley = seemännisch für Küche), auch auf Deck 3 an der Nagasaki Road. Fleisch kommt vom Fleischer nebenan und Brot aus der Bäckerei gegenüber. Eine kalte Küche gibt es auch. In der Main Galley kommt alles zusammen und alles wird gekocht und vorbereitet. Die Main Galley beliefert die meisten Restaurants auf dem Schiff, außer die Spezialitäten-Restaurants, die teilweise sogar tagsüber an Land gehen um auf den lokalen Märkten frisch einzukaufen. Wir bekommen also sehr ähnliches Essen wie die Gäste oben in den Büffet-Restaurants, nur eben nicht ganz so liebevoll angerichtet.
Bevor man in die Messe geht, muss man seine Hände waschen. Wer das nicht tut, wird böse angeschaut und muss mit gesenktem Kopf nochmal auf die Nagasaki um sich sauberzumachen. Es gibt keine feste Sitzordnung in der Messe, aber die Drei-Gestreiften sitzen fast ausschließlich im hintersten Bereich, der etwas abgeschottet ist vom hektischen Treiben. Das verstehe ich, aber was mich sehr irritiert hat zu Beginn, ist die krasse Aufteilung zwischen Europäern und Asiaten. Wir haben sehr viele Philipinos an Bord, die vor allem in der Küche und im Housekeeping arbeiten, und man geht lieber alleine essen, als sich im ersten Messe-Bereich zu den Philies zu setzen. Keine Ahnung, wie das kommt, aber uns wurde gleich zu Beginn gesagt, dass wir nicht zu freundlich auf dem Gang lächeln sollen, weil die Philies das dann gleich als Einladung nehmen, sich deinen Namen merken, deine Kabinennummer rausfinden und dich dann stalken. Keine Ahnung, ob das wirklich so ist. Den Security-Phili finde ich jedenfalls überaus nett, denn jedesmall wenn ich von Land komme, brüllt er schon von weitem mit ausgebreiteten Armen „Tanjaaaaa!!“, weil er mich inzwischen schon kennt, wenn ich an Landtagen im Schnitt dreimal raus und rein gehe.
Auf der Nagasaki Road ist das Büro der Personalabteilung und die Büros der Service-Abteilungen. Wir haben auch eins mit 2 Schreibtischen, an denen wir uns zu acht drängeln, wenn keiner was zu tun hat und alle noch Stunden auf ihrem Arbeitskonto brauchen und Briefe falten wollen. Unsere Kollegen vom Activities Management haben auf der Nagasaki ihr Fahrradlager und ihre Werkstatt, die Golfer haben auch einen Locker, aber leider haben wir grade keinen an Bord, genauso auch keine Taucher (wer will schon in der Nordsee tauchen?).
Einer der ersten Gänge jedes Crewmitglieds ist der Weg zu Treppenhaus 10, denn dort sitzt unten der Tailor in seiner Schneiderei. Hier bekommt die gesamte Crew ihre Uniform, Bettwäsche und Handtücher. Der Tailor begutachtet dich von oben bis unten, gibt dir Klamotten zum Anprobieren und wenn alles passt, lässt du dich „verheiraten“, so heißt es wenn deine Klamotten auf dich registriert werden. Es gibt in jedem Kleidungsstück einen Chip, der eindeutig auf deinen Namen läuft, sodass das System weiß, welche Größe deine Jacken, Blusen, Hosen usw. haben müssen. Um die Ecke vom Tailor gibt es eine Klappe in der Wand, da wirft man einzeln seine dreckigen oder verschwitzten Kleidungsstücke rein, die werden drinnen so lange rumgewirbelt, bis das Lesegerät den Chip erkennt und dann ist im System registriert, dass dir ein neues Kleidungsstück zusteht. Dann geht man nach nebenan zu einem Schlitz in der Wand, hält seine Bordkarte vor und kann auf dem Bildschirm auswählen, welche sauberen Kleidungsstücke man haben will. Da jedem nur eine bestimmte Anzahl Klamotten zusteht, gibt es dann z.B. an einem Tag mal nur eine rote Bluse abzuholen, dann kann man durch den Schlitz das riesige Band sehen, an dem die Bügel entlangrattern, bis mal eine rote Bluse in deiner Größe vorbeikommt und bums, hast du wieder eine neue Bluse.
Leider ist das System noch nicht ganz ausgereift (auf den älteren Schiffen bekam man seine saubere Wäsche wohl an die Kabinentür geliefert), deswegen warte ich jetzt seit 4 Tagen auf meine
Sweatjacke, die ich dringend für Ausflüge brauche. Aber der Tailor und seine Assistenten sind superfreundlich und jetzt habe ich eine Ersatzjacke bekommen.
Ja, so ist das hier. Alles geht vollautomatisch, aber eben doch nur halb. Zur Zeit streiken diverse Drucker übers ganze Schiff verteilt, aber wir sind eben noch ein neues Schiff und alles wird
sich mit der Zeit einpendeln (vielleicht auch das Pendeln meines Magens, dass mir an Seetagen doch ein bisschen zu schaffen macht...
Kommentar schreiben