Over the Hump

Na, also wenn das nicht mal der beste Tag überhaupt war gestern! Kamele, Kamele, Kamele, arg viel mehr war nicht, aber die sind ja auch so super, dass es locker reicht, den Tag zu was besonderem zu machen.

Endlich...
Endlich...

Es war das allererste, womit ich mich beschäftigt habe, als ich hier ankam: Kamelrennen in Dubai. Obwohl es in meinem Reiseführer erwähnt war, gibt es kaum gescheite Infos dazu zu finden. Die Tourismusbehörde hat keine Infos, der Racing Club sagt ich solle mich an den Camel Racing Club wenden, die antworten weder auf Anrufe noch auf Emails. Einfach hinfahren wollte ich nicht, weil Mama Leena sagte, der Race Track wäre weit weg, da gingen nur Einheimische hin und sie wisse nicht, ob es sicher für mich wäre. Also hat es ganze zwei Wochen  konstanter Recherche in Anspruch genommen, bis ich endlich die Info bekam „Wir können uns hierzu nicht äußern, aber die Regierung hat auf Nachfrage versichert, dass die Sicherheit der Touristen an höchster Stelle steht.“ Fair enough – ich also am Dienstag früh mit Leena morgens nach Dubai, dort in die Metro, dann ins Taxi. Und 70km und 20€ Taxigebühren später wurde ich rausgeworfen am Al Marmoum Race Track.

Startschuss-Warterei
Startschuss-Warterei

Ein gigantisches Gelände, diese Rennbahn, und so weit von allem anderen weg, dass sich kaum je ein Tourist her verirrt und deswegen lieben es die Einheimischen so. Allerdings nur die Kamel-Affinen, und davon gibt es offenbar gar nicht sooo viele hier und es kommen hauptsächlich die Kamelhalter. Morgens bei Sonnenaufgang geht es los, als ich um halb 8 ankam, war schon ordentlich was los. Vom Parkplatz führt eine Fußgängerbrücke über den Start der Rennbahn, wo man von oben den Kamelen beim Losflitzen zuschauen kann, grandios ich sags euch!           

 

Auf der anderen Seite der Brücke ist das Ende der Rennbahn und gegenüber eine kleine Tribüne, auf der vielleicht 200 Leute Platz haben. Als ich kam, saßen da neun. Entlang der gesamten Strecke (ich schätze 5 oder 10km) führt eine Straße. Das Rennen läuft folgendermaßen ab:

Al Marmoum Racetrack - Zieleinlauf links
Al Marmoum Racetrack - Zieleinlauf links

Die Kamelhalter kommen mit ihren Trucks beladen mit 5-8 Kamelen am Race Track an, laden ab und verziehen sich in die „Resting Area“, eine große Sandfläche, wo sie ihre Tiere „satteln“ und aufs Rennen vorbereiten können. Früher wurden Kamele wie Pferde von Jockeys geritten, allerdings sind erwachsene Männer zu schwer, sodass immer höchstens 11-jährige Jungs aus Indien und Thailand eingeflogen wurden, die hier zu Jockeys ausgebildet wurden und dann die Kamele ritten. Vor ein paar Jahren wurde das ganze verboten aus menschenrechtlichen Gründen; etwa zeitgleich wie die Regel, dass Kamele, die jünger als zwei Jahre sind, nicht auf Rennen laufen dürfen.

und ab gehts!
und ab gehts!

Deswegen gibt es inzwischen sogenannte Robot Jockeys, kleine Knubbel, die den Kamelen auf die Höcker gebunden werden und hinten eine Art Peitsche haben, die beim Rennen wippt und den Kamelen auf den Hintern haut. Die Roboter zeichnen außerdem allerhand Informationen auf, z.B. Tempo, Schrittfolge, Schrittgröße, Puls etc.         
In jedem Rennen starten bis zu 12 Kamele, die genauso wie beim Pferderennen in eine Art Box gesperrt werden und sobald sich das Tor öffnet, rasen sie los und sehen dabei unglaublich lustig aus, weil alle Beine in unterschiedliche Richtungen zu fliegen scheinen.

kurz vor dem Ziel
kurz vor dem Ziel

Als normaler Zuschauer sieht man nicht viel vom Rennen, außer den Beginn und das Ziel. Aber die Rennen werden aufgezeichnet und zwar von einigen der Kamelhalter selbst und von einem offiziellen Kameramann. Der sitzt auf einer Plattform auf dem Dach eines SUVs, der den Kamelen auf der Straße neben der Rennbahn folgt. Das Gefilmte wird live auf Bildschirme auf der Zuschauertribüne übertragen, sodass man von dort aus die Kamele beobachten kann. Hier steht auch einer, der permanent Kommentare abgibt, wer jetzt grade wo wen überholt hat.     
Die Kamele rennen etwa 15-20 Minuten später mit einer Geschwindigkeit von bis zu 40km/h ins Ziel – dort natürlich eine Kamera zum Festhalten, wer die Ziellinie zuerst überschreitet – und dann stürmt eine Horde Kamelhalter los um ihre Tiere wieder einzufangen.

Zieleinlauf
Zieleinlauf

Kamelrennen sind von jeher wichtiger Bestandteil der arabischen Kultur und es kommen auch heute noch viele Saudis und Qataris mit ihren Tieren, um teilzunehmen. Wie ich ja selbst gemerkt habe, gibt es kaum Informationen zu den Rennen – mehr als Datum und Ort findet man nicht als Tourist auf englischsprachigen Internetseiten und kein Einheimischer scheint einem was dazu sagen zu können. Die Kamelrennen finden immer im Winter statt und weil so wenige Touristen davon wissen, ist es wohl eins der authentischsten Erlebnisse, die man hier haben kann. Wetten kann man nicht auf die Kamele, das ist hier nicht üblich (auch nicht bei Pferderennen), aber die Besitzer der zehn Gewinnerkamele können bis zu 5.000 Dirhams (ca. 1.000€) oder ein geiles Auto gewinnen.

Al Marmoum Track - Resting Area
Al Marmoum Track - Resting Area

In der Resting Area waren soo viele Kamele, und das obwohl immer nur so wenige auf einmal rennen. Aber ich habe gelesen, dass Kamele oft mit Eseln verglichen werden und ziemlich störrisch sein können, sodass ein Kamelhalter immer eine ganze Horde mitbringt und spontan kurz vor dem Rennen entscheidet, welche der Tiere an dem Tag in Bestform sind und rennen sollen.

 

Weil ich nicht wusste, wie ich auf die andere Seite von der Rennbahn komme, habe ich den einzigen anderen Weißen in Sicht gefragt und er meinte, ich solle lieber hier an der Ziellinie bleiben, weil man viel mehr sehen würde. Also hab ich das gemacht und Teo, kroatischer Amerikaner, und ich haben uns super unterhalten und als wir genug geschaut haben, hatten wir schon so viel gequatscht, dass er wusste, dass ich gerne den Kamelmarkt in Al Ain besuchen würde am Samstag. Er fand das spannend und entschloss spontan mit seinem Mietauto hinzufahren. Ich also nichts wie mitgefahren und auf dem Weg haben wir noch den Skydivern über der Wüste zuschaut und ein paar Stops gemacht, um die tolle Wüstenlandschaft mit den orange-roten Dünen anzuschauen, die direkt neben dem Highway liegt. Hier ist irgendwie gar nichts mehr, doch ab und an mal ein kleines Dorf oder eine Beduinensiedlung oder eine Armee-Einrichtung.

Al Ain Oasis
Al Ain Oasis

100km weiter und wir waren in Al Ain. Der Name bedeutet übersetzt „die Quelle“, denn diese viertgrößte Stadt der VAE entstand vor etwa 4.000 Jahren mitten in der Wüste, weil eine Oase hier permanent Wasser hatte. Die ganze Landschaft ist also sehr grün, aber nur ein paar Kilometer weiter ist absolute Wüste.        

 

Mit Teo verging die Fahrt ganz schnell und ich hab damit sogar die Kosten für die Busfahrt gespart, die ich für Samstag geplant hatte. Erster Stop war das Al Ain National Museum, sehr überschaubar und ganz interessant, und direkt dahinter die Al Ain Oasis, ein wunderschöner Park, wo ursprünglich die ganz erste Oase in der Wüste war. Hier sieht man heute noch die Bewässerungskanäle, die angelegt wurden, um Dattelpalmen und Orangenbäume anbauen zu können.

Souq al Jamal Kinderstube (3 Tage alt)
Souq al Jamal Kinderstube (3 Tage alt)

Den Souq al Jamal (Kamel-Markt) haben wir auch ganz flott gefunden und waren total überwältigt. Ich hatte einen normalen Straßenmarkt mit kleinen Zelten und Kamelen drin erwartet, aber mit so einem riesigen Gelände hatten wir nicht gerechnet. In Reihen stehen hier fest gemauerte Stallanlagen mit Gitterzäunen außen rum, jede beschriftet mit dem Namen des Verkäufers. Ein Teil des Marktes ist voll mit Ziegen, ein anderer mit Schafen und der größte Teil komplett voll mit sooo vielen Kamelen! Ein netter Inder hat uns herumgeführt und uns die frisch geborenen Kamelchen gezeigt und die ganz kleinen ein paar Tage alten. So eins kriegt man bereits für 5.000 Dirhams (ca. 1.000€), das ist gar nicht so teuer wie ich erwartet hatte. Die erwachsenen Tiere, die fürs Rennen ausgebildet werden können, wechseln für durchschnittlich 30.000 Dirhams (ca. 6.000€) die Besitzer. Das ist auch verhältnismäßig günstig, denn Rennkamele sind richtig wertvoll; wenn sie erstmal gut ausgebildet sind können sie mehrere Millionen Euro kosten. Für sie gibt es außerhalb der Städte riesige Anlagen, wo sie abgeschottet von der Außenwelt wie in einem Wellness-Spa leben mit grünen Wiesen und Pool und sehr abwechslungsreichem Essen mit speziellen Getreidemischungen und allem drum und dran.

typische Verhandlungen können Stunden dauern
typische Verhandlungen können Stunden dauern

Ich war richtig froh, dass ich Teo dabei hatte, denn hier hätte ich mich alleine unwohl gefühlt und auf jeden Fall unsicherer als auf dem Race Track. So waren wir aber zu zweit und nichts konnte wirklich passieren. Dem netten Inder gaben wir 20 Dirhams Trinkgeld für seine Zeit und ich durfte sogar in einen der Ställe und einer Kamelmama die Oberlippe streicheln und dem Baby Hallo sagen.

 

Auf dem Heimweg von Al Ain sind wir noch eben am Oman vorbeigefahren, die Grenze liegt direkt an der Stadt. Rüber sind wir nicht, denn das ist nicht erlaubt. Wobei ich fast glaube, wenn ich nett gefragt hätte, ob ich einen Fuß über die Grenze setzen darf, nur um sagen zu können dass ich da war, hätte mir das niemand verweigert.

Exit 59 Souq al Jamal
Exit 59 Souq al Jamal

Zurück auf dem Dubai-Al Ain Highway kamen wir zur Ausfahrt mit der Nummer 59. Da war uns auf der Hinfahrt eine Ansammlung bunter Hütten und geschäftigen Treibens aufgefallen, also sind wir rausgefahren und siehe da: ein weiterer nicht-urbaner Kamelmarkt. Hier keine festen Anlagen, sondern festgefahrene Sandpisten hoch und runter mitten in der Wüste. Die Zäune waren mehr schlecht als recht aufgebaut worden, einige der Kamele waren nicht mal angebunden, sondern dösten hier und da vor sich hin. Hier haben wir auch ein paar Leute gesehen, die wirklich ein Kamel gekauft haben, da wurde dann ewig diskutiert, bis das arme Tierchen endlich unter viel Gegrunze in den Truck geladen wurde. Die machen sehr lustige Geräusche, diese Kamele. Wir konnten nicht ganz verstehen wieso, keines sah aggressiv oder böse aus, aber dann fangen sie an die Backen aufzupusten und die Luft rauszublubbern, herrlich (http://youtu.be/Nn4vJbHOMPo).

Exit 59 Souq al Jamal
Exit 59 Souq al Jamal

Teo ist ein kleiner Abenteurer wie ich und fährt halt einfach drauf los und schaut wo er rauskommt, und so ist er dann noch weiter über die Sandpiste, bis es zu sandig wurde für sein Mietauto. Hinter einer der Dünen sahen wir ein Kamel, was auf dem Boden lag und drei Männer lagen obendrauf. Das war echt seltsam und Teo hat gewendet und wir haben live dabei zugeschaut, wie einer der Männer mit bloßen Händen und unter einer Menge Blut ein Baby-Kamel auf die Welt brachte. Faszinierend und mit Sicherheit sind die nicht ausgebildet sowas zu tun.

 

Zurück ging es mit einer kleinen Runde Verfahren und wir waren fast schon im nächsten Emirat Fujeirah, bis wir doch noch die richtige Abzweigung fanden und Teo mich zurück nach Sharjah fuhr. Also wenn das kein erfolgreicher Tag war, weiß ich auch nicht. Wir hatten so viel Spaß und so viele Kamele hatten wir beide nicht erwartet zu sehen. Ach, der Backpacker-Lifestyle ist doch was feines…


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