Dubai würde ohne Auto einfach nicht funktionieren. Alles ist auf den Privatwagen ausgelegt und die Bewohner dieser verrückten Stadt und ihrer Nachbaremirate wären ohne ihre Autos vermutlich total aufgeschmissen und wüssten nicht wohin mit sich selbst.
Seit ich vor anderthalb Wochen hier ankam habe ich ein Auto auf Dubais Straßen gesehen, dass in Deutschland einem „zum-18.-Geburtstag-das-erste-Auto“ entspricht (also älter mit ein paar Macken, nicht mehr ganz frisch). Sowas gibt es hier einfach nicht. Alle fahren in relativ neuen Autos herum, davon die meisten wüstentauglich. Wobei ich bezweifle, dass die Mehrheit der Fahrer dieser Autos auch wirklich damit in die Wüste fahren, denn dafür muss man einen Eintrag im Führerschein haben und eine entsprechende Fahrschule besuchen. Das sogenannte „Dune-Bashing“ werde ich noch ausprobieren und dann berichten, wie das mit dem Wüstebefahren so funktioniert und ob und welche Straßen es im Hinterland gibt.
Dubai ist durchzogen von gigantischen Straßen. Die größte davon ist die Sheikh al Zayed Road, die die meiste Zeit sechsspurig durch das gesamte Emirat führt. Obwohl hier eine Maut bezahlt werden
muss, benutzen die meisten diese „Autobahn“, denn in den kleinen (aber auch nicht wirklich kleinen) Straßen ist immer so viel los, dass da gar kein Durchkommen ist. Auf der Sheikh al Zayed Road
allerdings auch nicht wirklich. Ich habe es heute zum ersten Mal erlebt, dass wir überall die erlaubte Höchstgeschwindigkeit fahren konnten, weil wenig los war – und das war um halb 5
morgens.
Rush Hour in Dubai ist der Horror und ich bin so froh, dass ich meinen internationalen Führerschein daheim gelassen hab und gar nicht erst in Versuchung kommen kann, das mal auszuprobieren.
Wenn ein Autofahrer erstmal in seinem Auto sitzt, kommt er da so schnell nicht mehr raus. Das liegt vor allem an der jahrelangen Erfahrung, dass es im Sommer unendlich heiß wird in Dubai und bei 50 Grad will keiner freiwillig raus. Also aus dem klimatisierten Wohnzimmer direkt ins klimatisierte Auto, direkt ins klimatisierte Parkhaus, direkt ins klimatisierte Einkaufszentrum. Zum Tanken kann man natürlich nicht aussteigen, also fährt man sein Fenster runter, drückt dem Tankwart Geld in die Hand und er betankt dich. Übrigens lustige Anekdote von letzter Woche: Zeina und ich sind mit einer ihrer Freundinnen vom Joggen zurückgefahren, da sagt die Freundin „Oh mist, Tank fast leer. Ach, aber ich hab ja noch 5 Dirhams (ca. 1€), das reicht noch bis daheim“ und sie hat tatsächlich für einen Euro drei Liter Benzin getankt, was dann bis nach Hause gereicht hat, obwohl wir noch nicht mal an der Grenze zu Sharjah waren.
Eine faszinierende Autofahrerangewohnheit ist das Bestellen von Essen beim Lieferservice. Entweder das Essen wird nach Hause geliefert, so zum Beispiel auch wenn Mama Leena zu faul zum Kochen ist und auf dem Heimweg von der Arbeit Wraps für uns bestellt – beim Falafel-Mann im selben Gebäude! Das holen wir dann natürlich nicht selbst ab und sie hat natürlich auch nicht die Zeit, drei Minuten drauf zu warten und es gleich mitzunehmen. Nein, da wird dann der Falafel-Mann mit der Tüte voll Wraps vier Stockwerke höher geschickt und alle sind glücklich.
An meinem ersten Abend hat Hammoudi vom Auto aus beim Falafel-Mann angerufen, damit der uns drei Minuten später die Tüte mit Wraps durchs Fahrerfenster reichen konnte, weil wir ja noch um die Ecke mussten zum Parken. Aber aussteigen und selbst abholen? Nein, das gehört sich ja nicht.
Die Woche waren wir an Zeinas Uni, dann ist die Freundin, die gefahren ist, mit uns vom Campus raus, 10km Richtung nach Hause, dort ist an der Straße ein breiter Streifen festgefahrener Sand mit
vielen vielen wartenden Autos und dahinter eine Reihe kleiner Restaurants und Cafés, aber keins davon mit Platz zum Hinsetzen. Denn aussteigen tut keiner aus seinem Auto. Man hält (ich würde das
nicht mal Parken nennen), gestikuliert dem Café-Inhaber mit allgemein bekannten Zeichen „2 Kaffee, bisschen fettarme Milch, kein Zucker, aber dalli“ und ein paar Minuten später kurbelt man sein
Fenster runter, damit ein „Lieferant“ mit einem kleinen Tablett mit Deckel, was aussieht wie eine Käseglocke oder eine Brottruhe, wo dein Kaffee draufsteht.
Ich wollte aussteigen und ein Foto machen – da haben die aber alle geguckt „Als Frau steigt man doch nicht einfach aus!“ :D
Hammoudi ist ein recht sicherer Fahrer, aber das natürlich gemessen am Emirati-Standard. So oft man draußen Reifen quietschen hört, so selten scheint es wirklich zu knallen. Man sieht kaum Polizei auf den Straßen (dabei würde ich die so gerne mal sehen, weil die angeblich in Maseratis u.ä. rumfahren, damit sie ihre Arbeit mit Stolz und zur Zufriedenheit des Scheichs erfüllen können) und auch nur selten einen Krankenwagen. Als Autofahrer arrangiert man sich und es entsteht ein genervtes und lautes, aber meist (noch) recht humanes Zusammenleben auf Dubais Straßen.
Das wichtigste Mittel eines jeden Autos ist die Bremse…hahahah, nein natürlich nicht! Das wichtigste in einem jeden Auto ist selbstverständlich die Hupe, denn die ist ja auch am meisten im
Einsatz. Auf der Straße hat der Recht, der am schönsten hupen kann – jedenfalls meistens.
Ich wollte euch schon früher berichten, aber es hat doch einige Zeit und ein paar Ausflüge mit verschiedenen Fahrern in verschiedenen Autos gebraucht, bis ich jetzt endlich das Gefühl habe, die
Regeln einigermaßen verstanden zu haben:
- Tuut
Das übliche nicht zu lange und nicht zu kurze Hupen gilt für alles, wo man sich nicht so ganz sicher ist, und was in keine der folgenden Kategorien passt. Besonders beliebt ist es als Ausdruck
des Genervtseins, vor allem wenn es aus unerfindlichen Gründen mal nicht oder zu langsam weitergeht. Bei der Essenslieferung muss man ja dem netten Lieferanten sagen, dass er doch seinen Hintern
mal etwas schneller zum Fahrerfenster bewegen soll. Überaus beliebt scheint das normale Hupen an roten Ampeln zu sein, um den Mitmenschen mitzuteilen „Mann hey, jetzt tut doch mal was, dass die
verdammte Ampel endlich grün wird!“
- Tuuuut
Die Dubaier lieben ihre Sheikh al Zayed Road – auf sechs Spuren gibt es nicht sowas ödes wie bei uns das Rechtsfahrgebot, nein, jeder fährt halt wie er grade lustig ist und wo es ihm am besten
gefällt. Weil blinken meeega uncool ist, verzichten die meisten drauf und dann passiert es halt mal, dass plötzlich einer von rechts kommt, wenn man selbst plötzlich von links kommt. Der der
zuerst merkt, dass der andere ohne Blinken rüberkam, hupt empört – dann vergisst der andere, dass man selbst auch nicht geblinkt hat. Jedes dieser schicken Luxusautos ist standardmäßig mit
Blinker ausgestattet (sogar die Wüstenautos), also eigentlich ist das empörte Hup-Gehabe total überflüssig.
- Tuuuuuuuuut
Nun kommt es ja manchmal zu Situationen, wo man angehupt wird obwohl man das gar nicht verdient hat. Für jedes Hupen gilt: es kann noch übertroffen werden. Und wenn man unberechtigterweise
angehupt wurde (oder das denkt), hupt man mit etwas mehr Nachdruck und mindestens eine viertel Sekunde länger zurück. Nochmal zurückhupen geht allerdings nicht – da kommen dann die Hände zum
Einsatz und es wird solange gestikuliert, bis einer nachgibt oder (was meistens der Fall ist) sich die Situation von alleine auflöst und alle wieder fahren können wie sie lustig sind. Weil die
sich meist sowieso nicht einig werden, wer jetzt grade im Recht und wer im Unrecht ist, ist das Zurückhupen eigentlich total überflüssig.
- Tuuut-tuuut-tuuuuut-tuuuuuuuuut
Das laaanggezogene mehrmals Hupen machen besonders die besonderen Leute in besonders besonderen Autos – oder jedenfalls solche, die denken, sie wären so jemand. Das sind fast immer die Fahrer der
riesigen wüstentauglichen Autos (so Richtung Range Rover und andere Geländewagen) und der richtig schicken flachen Limousinen (Porsche und S-Klasse als Normalo unter denen). Egal wer ihnen im Weg
ist – und es ist IMMER jemand im Weg, wenn so ein Oschi angedüst kommt –, wird erstmal richtig RICHTIG doll angehupt. Message: „Wer denkst du wer du bist – hier komm ich, hau gefälligst
ab!“
Weil es eigentlich eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Sheikh al Zayed Road gibt und jeder recht genau so viel fährt, ist das aufdringliche Tröten eigentlich total überflüssig.
- T’t
Das beliebteste Hupen scheint mir das ganz kurze Antippen der Hupe zu sein, sodass man es eigentlich nicht mal Hupen nennen müsste. Bevor man merkt, dass gehupt wird, ist es auch schon wieder
vorbei. Die Taxifahrer lieben diese Art des Hupens und zwar mehrmals in der Minute wenn sie gerade keinen Fahrgast haben. Dann düsen sie durch die Stadt auf der Suche nach einem neuen Opfer und
ich habe den leisen Verdacht, dass auch deshalb die Sheikh al Zayed Road immer so voll ist – neben Pendlern, Shoppingwütigen, Ausflüglern und besetzten Taxis fahren mindestens so viele von denen
leer rum. Wann immer ein Taxifahrer an der Straße jemanden stehen, laufen oder sitzen sieht, der auch nur im entferntesten aussieht wie ein Tourist ohne eigenes Auto, wird kurz gehupt. Grund:
irgendwie muss der vermeintliche Tourist ja merken, dass seine exklusive Chance auf ein Taxi grade vorbeikommt. Weil es aber allein in Dubai mehr als 9.000 registrierte Taxen gibt, kommt an den
großen Straßen gut mal mehr als ein Taxi pro Sekunde vorbei. Also wird man eigentlich dauernd angehupt und sobald man aufschaut, schauen sie ganz interessiert.
Jeder Tourist weiß, dass er an allen der gut befahrenen Straßen höchstens ein paar Minuten warten muss, um ein Taxi herwinken zu können, also ist das kurze Hupen total überflüssig.
- Doppeltes T’t
Auch sehr beliebt ist das doppelte Mini-Hupen. Steht man beispielsweise als Fußgänger an einer Ampel und ein Autofahrer weiß, dass diese Ampel eeewig dauert, dann checkt er seinen Rückspiegel und
wenn alles frei ist tutet er zweimal kurz, um dir zu sagen „Alles frei, lauf! Ich überfahr dich nicht“. Finde ich persönlich sehr freundlich, aber wenn alles hinter ihm frei ist, läuft man meist
eh hinter ihm bei Rot über die Straße. Also eigentlich ist das doppelte kurze Hupen total überflüssig.
- Dreifaches T’t
Die Original- und Wahl-Emiratis sind ein sehr freundliches Volk, das Bedanken bei einer guten Tat gehört also genauso zum Straßenalltag wie das Hupen, bzw. gehört genauso zu den Hup-Regeln wie
der Rest des Straßenalltags. Wild gestikulierend wird z.B. auf einem Parkplatz ausgemacht „Fährst du weg? Krieg ich deinen Platz?“ und wenn der dann wegfährt, wird dreifach die Hupe angetippt als
Zeichen der tiefen Verbundenheit dieser wohltätigen Aktion. Denn nichts ist schlimmer als einen Parkplatz in Dubai zu finden (außer morgens um halb 5, da ist das gesamte Parkhaus der Dubai Mall
wie ausgestorben). Ebenso wird dreifach get’tet, wenn der Fremde einem eine Lücke lässt, wenn man auf die Sheikh al Zayed Road einbiegt, oder wenn er doch noch rechtzeitig gebremst hat obwohl man
grade Scheiße gebaut hat, oder weil er einfach zeigen will, dass er ein netter Mensch ist. Ich bin ja ein Fan von der guten alten Lichthupe (hauptsächlich weil die mich nicht aus dem Tiefschlaf
reißen kann) oder einem netten Handzeichen, also ist das dreifache T’ten eigentlich total überflüssig.
Aber natürlich würde das alles ohne Bremsen nicht funktionieren. Wenn gebremst wird, dann richtig. Das gemütliche Abbremsen wie ich es von daheim kenne, gibt es hier nicht. Entweder man ist fähig, so plötzlich und spontan auf die Bremse zu treten und erstaunlicherweise immer noch rechtzeitig vor der Stoßstange des Vordermannes zum Stehen zu kommen, oder man fährt erst gar nicht los.
Ich bin heute mit einem Taxifahrer gefahren, ich hab mir danach sein Kennzeichen notiert und werd ihn melden. Er hat die ganze Zeit so richtig laut gegähnt mit Mund auf und Augen zu und Arme in die Luft – beim Fahren. Während zehn Minuten Fahrt hat er 34 mal gehupt und ist so halsbrecherisch gefahren, dass ich froh war, ausnahmsweise vorne zu sitzen, wo ich noch eine kleine Chance auf einen Airbag hatte. Aber vermutlich hatte ich bisher einfach immer richtig viel Glück mit meinen Taxifahrern.
Manchmal denke ich, die wollen alle nur beweisen, wie toll sie ihre Vollbremsung drauf haben und wie schön sie Lärm machen können. Auf dem Campus wollten wir zu dritt über die Straße, standen am Rand, kommt ein Riesengefährt angebrettert, kommt mit quietschenden Reifen und starkem Gummigeruch zum Stehen und winkt uns ganz lässig rüber. Hinter ihm die Straße bis zum Horizont leer. Naja, wenigstens hat er’s nett gemeint…
Und erstaunlicherweise passiert nie etwas und die ganzen Inder treffen sich Abend für Abend an den gefährlichen Dreiecken zwischen Straßenauffahrten ohne Leitplanken (weil die hell erleuchtet sind) zum Cricket spielen. Smog und Stress und Lärm machen Dubai neben dem ganzen Luxus eben auch aus. Aber solange jeder mit dem Arrangement zufrieden ist, kann man sich ja eigentlich nicht beschweren…
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