Endlich am Ende des aus-dem-Rucksack-Lebens angekommen: Kreta! Allerdings war der erste Eindruck nicht wirklich prickelnd – im Bus nach Rethymno war es anderthalb Stunden lang so arg kalt, dass ich am nächsten Morgen gleich mal ne üble Erkältung an der Backe hatte. Na klasse…
Gleich am Abend habe ich Rasmus, den hübschen Dänen, der mit Camilla bei Thomas Cook in Rethymno arbeitet, kennengelernt, der auch noch ihr Nachbar ist und die Woche über öfters mal vorbeikam. Der hat mich am nächsten Tag auch sofort überredet, mit ihm zu Mojo Burgers zu fahren, einem süßen kleinen Hamburger-Lädchen, das die besten Burger der Insel macht und dessen Inhaber darauf besteht, dass man alles aufisst, puh. Nach einer Runde gesund-Schlafen und am-Strand-noch-gesünder-Schlafen war ich auch soweit wieder fit, dass ich mitkonnte ins Arabische Hamam. Weil Camilla und Rasmus hier alle kennen, kriegen sie coole Deals überall und so durften wir in dem megaschicken Hotel mitten in der Altstadt eine Stunde lang für den Preis einer halben ins Dampfbad und mussten uns danach sehr zurückhalten uns nicht immer selbst die Arme zu streicheln, weil wir plötzlich so babyweiche Haut hatten.
Weil Camilla noch einen Tag Urlaub hatte, klaute sie sich Rasmus‘ Auto und zeigte mir „ihre Welt“ in Kreta. Das war richtig schön, weil das Hinterland von Kreta hat ordentlich was zu bieten. Allein die Fahrt war schon zum Abgewöhnen: Eine Spur je Richtung plus ein Seitenstreifen, also ist ja eigentlich ganz klar, dass drei Autos nebeneinander fahren können. Jeder fährt halt wie er grade lustig ist. Wenn man weiß, dass man etwas langsamer ist, fährt man gleich auf dem Seitenstreifen, damit ein schnellerer ohne weiteres überholen kann. Außerdem sind die Autofahrer hier alle so neugierig und können nicht einfach in einer Reihe hintereinander her fahren.
An den Straßen sieht man öfters mal Podeste stehen, auf denen kleine steinerne Kirchen-Modelle gebaut sind, die sehen teilweise genauso hübsch oder sogar noch hübscher aus als die in Originalgröße. Es gibt zwei Sorten von kleinen Straßenrandkirchen: Familien, die jemanden bei einem Autounfall o.ä. verloren haben, stellen eine kleine Kirche auf, darin sind dann Fotos und Blumen, ähnlich wie bei uns ein Kreuz an der Straße. Die andere Art wurde irgendwann mal eingeführt als Menschen angefangen haben so viel Auto zu fahren und dann nicht mehr so viel Zeit und Platz zum Beten hatten. Wenn keine große Kirche in der Nähe war, wurde eben auf einer imaginären Linie an der nächsten Straße eine Mini-Kirche als Abbild dieser Kirche hingestellt, sodass jeder kurz im Vorbeifahren schnell mal eben beten kann. Sachen gibt’s…und für manche ist eine Mini-Kirche nicht genug und dann lässt jeder, der was auf sich hält, eine größere Mini-Kirche bauen als der Vorgänger und so stehen an manchen Straßen mehrere Kirchen nebeneinander.
Camilla brachte mich zuerst nach Vouves, irgendwo im kretischen Hinterland zwischen Hügeln voll mit kleinen weißen Häusern und Olivenplantagen. Hier steht der älteste Olivenbaum der Welt, der auf
etwa dreieinhalbtausend Jahre geschätzt wird. Und der Knaller: Er trägt immer noch Früchte! Der Olivenbaum ist sozusagen spiralförmig gewachsen und hat einen gigantischen Stamm, in den man
reinschlüpfen kann und dann kann man aus einem Olivenbaum rausgucken ;)
Nicht weit entfernt liegt die Farm von Helenis Familie, wo Camilla öfters mit den nordeuropäischen Touri-Gruppen hinpilgert. Also gab es gleich schon wieder eine kostenlose Führung durch die
Ölpresse mit Erklärungen, wie das alles eigentlich funktioniert, und dann mal wieder Rabatt, diesmal auf frisches Olivenöl, Gewürze und Honig.
Dann hat Camilla mir noch was echt cooles gezeigt; mitten in den kargen Hügeln liegt ein großer See namens Kournas mit Süßwasser, von dem niemand weiß, wie es da hinkommt. Hier strömen diverse kretische Familien am Wochenende hin zum Baden, Planschen, Bötchenfahren, in-der-Sonne-Liegen – echt schön hier, aber so eine unglaubliche Hitze im Landesinneren, dass wir recht schnell wieder aufbrachen und zwar nach Giorgiopoli. Ein kleines Örtchen mit einer riesigen Baustelle, einem Streifen Straße, einem Streifen Gehweg, einem Streifen Strand (alles etwa einspurig gleich breit) und dann Meer. An sich sah es nicht sonderlich besonders aus, aber es gibt eine winzige Kirche (gefühlt nur minimal größer als die Straßenrand-, die auf einer Steininsel gebaut wurde, zu der man nur über einen steinernen Steg hinlaufen kann, der ab und an mal vom Wasser überspült wird. Obwohl es am Strand so voll war, waren wir fast allein in der Kirche, auf allen Seiten Wasser, absolute Stille, herrlich.
Weil Camilla trotz kastanienbrauner Bräune sich irgendwie immer noch nicht braun genug fühlt, hat sie den Rest der Woche neben der Arbeit hauptsächlich am Strand verbracht und ich konnte machen, was ich wollte. Also ging es natürlich erstmal mit Camillas rostigem platten Fahrrad die Strandpromenade kilomeeeterweit entlang bis in die Altstadt von Rethymno. Die „Fortezza“ war der erste Stop, die alte venezianische Festung, die die ganze Altstadt überblickt. Sehr interessant ist die Architektur im Innenhof: die Außenmauern sind typisch 13. Jahrhundert-europäisch, dann kamen aber dreihundert Jahre später die Ottomanen und haben eine typisch abendländische Moschee reingeknallt.
In der Innenstadt sieht man von den Venezianern allerdings noch mehr als von den Ottomanen; den uralten Rimondi-Brunnen zum Beispiel, der die Wasserversorgung der gesamten Stadt damals
gewährleistet hat, und die ganze Altstadt ist so gar nicht orientalisch geprägt. Vielleicht denkt man das aber auch nur, weil überall in den Gässchen nur Deutsche rumrennen.
Den ganzen Tag verbrachte ich ganz gemütlich in Rethymno und bekam dann auch einen wunderschönen Sonnenuntergang über dem venezianischen Hafen zu sehen und mit perfektem Timing auch das Auslaufen
des großen hölzernen Piratenschiffs aus den alten Hafenmauern.
Damit ich das Tauchen nicht ganz verlerne, ging es an meinem letzten Tag in Griechenland ins Wasser. Und weil Rethymno zum Tauchen windbedingt auf der falschen Seite Kretas liegt, mussten wir erstmal eine Stunde mit einem Kleinbus ans andere Ende gekarrt werden an einen Ort namens Plakia. Den Ort haben wir allerdings nie gesehen, entweder ist er einfach so klein oder liegt doch irgendwo anders. Obwohl ich den Tauchgang eigentlich gleich um 9 hatte machen wollen, hat es eeewig gedauert, die über 70 (!) Anwesenden alle in ihre Gruppen einzuteilen, denn es gab Leute zum Probetauchen, Leute beim Tauchkurs, Leute zum einfach-so-tauchen und natürlich eine Horde Schnorchler. Wenigstens hab ich für den ganzen Spaß nur die 20€ für das Ausleihen des Equipments gezahlt, weil Camilla mal wieder jemanden kannte, der jemanden kannte, der da arbeitete und mich umsonst zum Tauchen gebracht hat, weil er dachte, ich würde mit Camilla bei Thomas Cook arbeiten. Auch nicht schlecht.
Bis es dann endlich ins Wasser ging, war es schon fast 13 Uhr und der Tauchgang an sich sehr enttäuschend dafür, dass das der tollste kretische Tauchspot sein soll. Man muss erstmal sehr lang in die Bucht rauspaddeln, denn das Ufer liegt zurückgezogen in einer Art Schlucht, superschön, aber eben irgendwie anstrengend schon bevor man überhaupt unten ist. Auf dem Meeresboden steht ein VW-Bus geparkt, das wäre ja mal was richtig cooles, aber leider darf man nicht runtertauchen aus Sicherheitsgründen. Toll…
Weil ich aber eh nicht wirklich viel zu sehen bekam, außer einer langen steilen Wand, wo so gar nichts zu leben schien, war es auch nicht ganz tragisch, dass ich zum ersten Mal überhaupt in meiner Tauchkarriere einen Krampf in der linken Wade hatte als wir auf dem Weg nach oben waren. Unter Wasser zu schreien ist übrigens seltsam, aber jetzt weiß ich wenigstens, dass man mich hört, auch wenn man mir grade den Rücken zukehrt. Der Tauch-Guide hat mir dann noch unter Wasser die Wade massiert, dann gings wieder und wir stiegen weiter auf. Zwei Meter unter der Oberfläche: Krampf in der rechten Wade! Es sollte also offenbar nicht nochmal sein, also blieb ich den Rest des Nachmittages schnorchelnd in der Schlucht und schaute mir die Umgebung an, war auch irgendwie spannender als unter Wasser…
Die Fahrt zurück war auch spannender mit einer grandiosen kargen Felslandschaft mit einem riesigen Canyon, der der Legende nach durch die wütenden Blitze von Zeus ins Land geschlagen wurde, und ganz vielen kleinen weißen Punkten auf den Gipfeln, überall wo eine kleine Kirche stand. Camilla war vor ein paar Wochen mal da oben wandern und sie hatten irgendwann kein Wasser mehr und waren am Verhungern weil sie die Zeit falsch eingeschätzt hatten, da kamen sie zum Gipfel und da stand die kleine Kirche und auf einem Tisch im Inneren stand eine frische Flasche Wasser und ein Teller mit Keksen. Da wäre sie doch glatt religiös geworden… Später sind sie dann nochmal hin und haben Kekse und Wasser wieder aufgefüllt für den nächsten Verirrten.
Dann war auch schon mein letzter Tag da, ich verabschiedete mich mit hausgemachtem Kaiserschmarrn von Camilla und Rasmus und Rethymno und brach auf zurück nach Heraklion. Auch da gibt es einen venezianischen Hafen und eine Altstadt, aber für meinen Geschmack war alles ein bisschen hektisch, also bin ich die Hafenmauer entlanggewandert bis zum allerhintersten Ende und lies mir den Wind in die Haare pusten. Leider konnte ich ihn nicht mitnehmen zurück, weil es schon richtig übel heiß war, als ich dann hochfuhr zu Knossos, der richtig richtig alten Anlage aus dem 4. Jahrtausend v.Chr. Der Palast darauf wurde zwar erst später gebaut, aber ist auch richtig richtig alt. Erstaunlicherweise wurde diese Palastruine aber erst 1878 entdeckt. Im Jahr 1900 hat ein Forscher das ganze Areal gekauft und hat angefangen, dort zu buddeln.
Heute kann man von Knossos die Außenmauern sehen und ganz viele Korridore und Durchgänge und Treppen und Rampen und sogar die Thronkammer steht noch. An einigen der Wände wurden tolle Malereien und Fresken gefunden, die aber sofort bei der Freilegung anfingen, zu verblassen. Also wurde alles genau festgehalten und die Wandmalereien wurden rekonstruiert und sind heute wieder farbig und komplett zu bestaunen. Die Forscher konnten viel von Knossos lernen, z.B. hatten auf den Fresken die Männer alle seltsame Armbänder um. Danach wurde dann mal recherchiert und es wurde rausgefunden, dass damals jeder Bürger der Stadt ein Armband zur Identifizierung tragen musste, das war so wie die Ausweispflicht heute. Das war alles richtig interessant und ein passender Abschluss meines ersten Urlaubs in Griechenland.
Bevor es dann endgültig zum Flughafen ging, hatte ich noch genau 20 Minuten und ließ mich von Camilla per SMS überreden, jetzt noch ganz dringend zum Fish Spa zu gehen, also ließ ich mir die Füße von Dutzenden klitzekleinen Fischchen anknabbern – aber nächstes Mal mach ich das nicht allein, es ist doch ein bisschen peinlich wenn man anfängt einfach so loszukichern…
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