Liebe Leute, nur damit euch nicht langweilig wird, ging’s mal wieder in den Urlaub. Wobei – ob gegen-den-Wind-Strampeln und aus-Packtaschen-Leben als Urlaub zählt, sei dahingestellt. Jeeedenfalls wurden wir (also Mama, Papa und ich) sehr überraschend eingeladen zur Hochzeit der Tochter von Mamas Freundin. Die findet statt bei Chicago. Weil man per Direktflug von Frankfurt zu dieser Zeit des Jahres nur für sündhaft teures Geld dorthin kommt, haben wir beschlossen, den Stopover in New York auf vier Tage auszuweiten und erst dann zu unseren Freunden zu fliegen.
Es ging also viel zu früh am Sonntagmorgen zum Bahnhof auf den ICE um Viertel nach 4, der natürlich – wie sollte es auch anders sein – gleich mal eine halbe Stunde Verspätung hatte. Grund:
„Verzögerungen im Betriebsablauf.“ Ach. You gotta love the Deutsche Bahn wenn man sowas hört.
Wir wurden aber fürs Warten entschädigt, denn wahrer Grund für die Verspätung war die Überführung einer gigantischen sehr alten und sehr lauten Dampflokomotive mit sehr vielen alten Anhängern.
Ohne Vorwarnung kam das Gespann auf Gleis 2 unseres dreigleisigen Bahnhofs an und stand lang genug um ein Erinnerungsfoto zu machen (was allerdings nicht wirklich gut wurde). Schonmal ein
außergewöhnlicher Start in den Urlaub.
Unser Zug war dann aber doch ein ganz normaler ICE ohne Dampflok, der uns ohne Umsteigen nach Frankfurt brachte. Die Koffer waren schnell eingecheckt und nach Frühstück am Flughafen durften wir unseren riesigen Airbus A380 boarden, der von den Singapore Airlines-Angestellten viel zu sehr geheizt wurde. Wir waren also nach zwei Minuten in Schweiß gebadet und warfen alle überflüssigen Kleidungsschichten ab. Sobald die Motoren allerdings liefen, wurde es so eisig kalt, dass ich die acht Stunden bis New York eingepackt in drei Paar Socken, T-Shirt, Pulli, Fleecejacke und zwei Decken zitternd auf meinem Sitz gekauert verbrachte und drei Tage später die volle Ladung Erkältung an der Backe hatte.
Erst zwei Stunden nach der Landung am John F Kennedy-Flughafen waren wir wirklich angekommen. Ist ja immer so eine Sache mit der Einreise in die USA. Und dabei wollten sie in keinen einzigen
unserer Koffer reinschauen.
Die Amis sind, was die Einreise angeht, schon etwas seltsam drauf. Bevor man zu den Customs (also zum Zoll sozusagen) kommt, wird der Weg von so Ziehbändern in drei geteilt: linke Spur für
US-Bürger, mittlere für Diplomaten und rechte für Besucher. Der Besucher-Weg ist so schmal, dass man nicht zu zwei nebeneinander laufen kann. So geht das dann einen sehr langen Gang runter, bis
man in eine große Halle kommt, wo dann überraschenderweise alle drei Spuren wieder aufgelöst und alle Bürger, Diplomaten und Besucher durcheinander geworfen werden. Hä? Das bringt’s ja total.
Wobei ich die leise Ahnung habe, dass wir als Nicht-Amis bestimmt absichtlich hintereinanderher an der Wand entlang geschickt wurden, damit die uns von hinter ihren verspiegelten Scheiben (hinter
denen ich den ein oder anderen Schreibtisch mit Computer ausmachen konnte) beobachten konnten. Als wären wir alle Schwerverbrecher. Was wir potenziell vermutlich sind.
Im typischen gelben Taxi fuhren wir vom JFK nach Downtown Manhattan und obwohl keine Rush Hour war, kamen wir nur sehr langsam voran und es war so ruckelig, dass wir erleichtert waren, als wir
endlich am Hotel waren.
Irgendwie piepst in New York alles. Der Hotelaufzug war besonders nervig. Mit einem Klingeling sagt er auf dem Gang an, wenn er ankommt. Mit einem
stetigen Piiiep lässt er einen wissen, dass die Tür blockiert ist. Klar, wenn man grade am Einsteigen ist. Bei jedem Stockwerk, an dem man vorbeikommt,
gibt’s ein Pling und wenn man dort ist, wo man hinwill, ein Dingding.
Auf dem Zimmer angekommen ging das Piepsen grad so weiter. Alle paar Minuten gab’s ein fieses kurzes Piepen. Der Anruf beim Concierge ergab die Info „Es kommt gleich wer mit Rauchmelder-Ersatzbatterie“. 20 Minuten später kamen zwei nette Männer, die vorteilshaft groß waren, um ohne Stuhl an den Rauchmelder zu kommen, drückten drauf rum, bis es ganz fürchterlich piepte. Gerade als einer der beiden sagen „There, you’re all set!“ fing das Piepen wieder an, nur noch fürchterlicher. Dann waren sie verzweifelt, nahmen gleich den ganzen Rauchmelder mit und waren nie wieder gesehen.
Jeden Sonntag ist in der 8th Avenue die Straße für mehrere Kilometer komplett gesperrt für einen Straßenmarkt. Das Bild einer für Autos gesperrten Straße mitten in NYC war aber eigentlich beeindruckender als der Markt an sich. Es gab zwar leckere Smoothies, aber eigentlich haben sich alle Stände nach ein paar Metern wiederholt. Essen gab es hauptsächlich Crêpe, Hotdogs und Gyros; Smoothie-Stände gab es mehr, als eine normale Blase damit umgehen könnte; und dann eben noch das übliche Geraffel an Taschen, Gemälden, Gürteln, batteriebetriebenen Leucht-Hemden und hin und wieder ein Stand voll mit feinen Perserteppichen, die allerdings auf dem bloßen Straßenbelag aufgestapelt waren.
Insgesamt war das also nicht so cool wie die Märkte in Aussie oder in der Südsee und wir haben uns sehr bald aufgemacht, den „Spaziergang Nummer 3“ unseres New York-Reiseführers zu spazieren. Zunächst ging es also zum Times Square und zum Broadway, wobei der Broadway eine gigantisch lange Straße ist, die (hab mal gegoogelt) in einem Örtchen namens Sleepy Hollow im Staate New York beginnt. Voll cool, weiß aber nicht ob der gleichnamige Film in irgendeinem Zusammenhang steht. Der Broadway ist insgesamt also von Start bis Ende an der Südspitze Manhattans etwa 50 Kilometer lang, wovon aber nur gut 20 auf Manhattan liegen und die Insel von Nord nach Süd ziemlich mittendrin zerschneidet. So wirklich bekannt ist vom Broadway aber nur der Teil (der Broadway Theatre District), wo an die 40 verschiedene große Theater stehen. Als Broadway-Theater gilt ein Theater übrigens erst, wenn sein größter Saal Platz für mindestens 500 Besucher hat. Das braucht man auch, denn irgendwo müssen die mehr als 10.000 Musical-Geher ja jedes Jahr untergebracht werden.
Im Theatre District ist es überall sehr hell und riesige Leuchtschilder zeigen an, wo man grade ist und welches Musical gespielt wird. Die meisten Theater haben große Eingangstüren und drüber
eine Decke über und über mit warmen Glühbirnen behängt, so wie man das aus den Filmen kennt. Auch drinnen sehen viele der Säle irgendwie antik aus, als wären sie nur stilecht renoviert worden,
total cool.
Der Times Square ist gleich um die Ecke, aber wir sind gleich wieder gegangen, weil es eigentlich nur voll und laut und hektisch war. Die riesigen Werbetafeln, Bildschirme, Leuchtanzeigen, etc.
kommen nur nachts richtig zur Geltung und tagsüber ist es einigermaßen schrecklich zwischen all den Touristen. Aber man trifft auch lustige Gestalten, zum Beispiel eine menschliche
Freiheitsstatue, die jedem, der wollte, ihre Fackel in die Hand drückte. Diverse Sesamstraßenbewohner liefen durch die Gegend und eine nackte Frau, die von Kopf bis Fuß bemalt war, stand einfach
rum und machte Werbung. Natürlich achtet niemand drauf, für was sie Werbung macht, wenn die gute Frau da nur mit winzigem Slip bekleidet rumsteht.
Total toll aber am Times Square: der M&M-Laden! Ganze drei Stockwerke voll mit M&Ms und diversen andern Zeugs – offenbar haben M&Ms weltweit sehr viele Fans, die ihre Babys in
M&M-Stramplern einkleidern und aus M&M-Tassen trinken, während sie mit M&M-Taschen bepackt ihrem M&M-bemützten Mann hinterherrennen.
Sogar ein riesiger M&M-Mann (ist das dann einfach ein M?) lief rum und ich durfte ihn umarmen! :D Die sehr großzügige Angestellte versorgte uns mit Probier-M&Ms und wir fanden
erstaunlicherweise besonderen Geschmack an M&Ms mit Pretzel-Center, also kleine Kugeln aus Knabberbrezelteig mit Salz und allem und dann die M&M-Hülle rum, höchst interessant, muss ich
schon sagen…
Ausgestattet mit zwei großen Tüten M&Ms also weiter, die 5th Avenue runter. Auf den Straßenschildern steht dann übrigens nur „5 Av“, irgendwie verwirrend. Aber an sich kommt man ganz gut
zurecht, wenn man erstmal das System verstanden hat und nicht (wie Papa und ich) immer in die falsche Richtung läuft, aber überzeugt ist, es wäre die richtige. Die Nord-Süd-Straßen in ganz
Manhattan sind Avenues. Im Norden der Insel (also Harlem und die Gegend) haben die Namen von Menschen oder Städten, aber südlich vom Central Park, wo wir fast immer waren, geht’s nummeriert
weiter: vom Ostufer her die 1st Avenue, dann bis Westen zur 11th. Der Broadway, der das ganze quer durchläuft, ist keine wirkliche Hilfe wenn’s um die Orientierung geht, und ist immer sehr
plötzlich da, wenn man ihn grade gar nicht erwartet.
Die Ost-West-Straßen sind dementsprechend keine Avenues, sondern Streets, die weitesgehend nummeriert sind. Alles was als „Lower Manhattan“ gilt, hat normale Straßennamen, alles was nördlicher
liegt hat Nummern. Also 1st Street als südlichste und 19th Street als nördlichste. Ziemlich verrückt irgendwie. Die Straße, die die nummerierten von den benamten Straßen trennt, ist die Houston
Street. Der coole Stadtteil SoHo ist daher eigentlich SOuth of HOuston, und es gibt ebenso (was ich vorher gar nicht wusste) ein NoHo, nämlich NOrth of HOuston. Sachen gibt’s…
Die 5th Avenue ist jedenfalls DIE Einkaufsstraße, wo man die ganzen schicken Läden von berühmten Designern findet – die Läden sahen aber immer irgendwie leer aus, mit nur ein paar
Security-Männern und sehr wenig Ware ausgestellt, da haben wir uns nirgends reingetraut. Außerdem waren wir ja hoffnungslos underdressed…
Direkt an der 5th steht ein eigentlich sehr unspektakulärer Wolkenkratzer, der zwar ein bisschen stufig gebaut ist, aber nicht annähernd an die neueren komplett gläsernen und hübsch geschwungenen
und raffinierten Hochhäuser Manhattans rankommt. Aber hin muss man trotzdem, denn es ist schließlich das Rockefeller Center. Da, wo im Winter der riesige Weihnachtsbaum steht und da, wo die im
Film immer superromantisch auf der Eisbahn Schlittschuhlaufen und sich auf die Nase legen. Das Rockefeller Center ist eigentlich ein ganzer Komplex aus mehreren Gebäuden, aber der eine Turm ist
offen für Besucher, die NYC mal von oben begucken wollen.
Das Rockefeller Center hat 70 Stockwerke und ist über 250 Meter hoch, das ist schon ‘ne ganze Menge, wenn man mal drüber nachdenkt. Vor allem, weil es schon 1933 gebaut wurde. Die Aussichtsplattform nennt sich „Top of the Rock“ und da wollten wir rauf. Blöd nur, dass Papa immer sein Schweizer Taschenmesser und Mama immer ihre winzige Pflasterschere in ihren Taschen haben. Wer kann denn auch ahnen, dass Singapore Airlines sogar 6cm-lange Klingen im Flieger erlaubt, aber wir damit nicht aufs Rockefeller raufkönnen? Es gab unverständlicherweise auch keine Möglichkeit, beides irgendwo bei den Security-Leuten zu deponieren und nein, Schließfächer gab es auch keine. Unverschämte Frau beim Durchleuchten sagte nur „Entweder Sie gehen getrennt rauf und einer bleibt unten mit den scharfen Gegenständen“ (ist ja auch scheiße – wir sind schließlich im Familienurlaub!) „oder Sie schmeißen es weg.“ (Na klar…weil man ja auch mit einem treuen und teuren Schweizer Messer nix besseres zu tun hat…)
Also Karten fürs Aussichtsdeck zurückgegeben und weitergetigert. Die Radio City Music Hall liegt direkt um die Ecke vom Rockefeller Center und ist auch ziemlich unspektakulär. Zwar blinken
überall Lichter mit dem Namen und so, aber man sieht dem Gebäude ganz und gar nicht von außen an, dass es sich drinnen um das größte Indoor-Theater der Welt handelt. Es passen über 6.000 Leute da
rein!
Rein sind wir aber nicht, sondern weiter zum Central Park und zur Upper East Side. Das ist da, wo die Mädels und Jungs der Serie Gossip Girl leben und obwohl die Häuser von außen meist nicht sehr
hübsch sind, kann man gigantische Appartments und Penthouses erahnen. So Leute wie im Fernsehen haben wir nur ein paar gesehen – die meisten laufen in der Stadt relativ normal rum –, aber einige
sehen aus, als wohnen sie da irgendwo ganz oben mit unverbautem Blick auf den Central Park. Je näher man an den Park kommt, desto größer werden die Hunde, denn in dem Gewusel der City haben alle
nur so Winzhunde oder Riesenratten, die sich beim dichten Verkehr schnell auf den Arm heben lassen.
Der Central Park ist ganz hübsch mit vielen Wegen und mehreren Teichen, aber ich war ein bisschen enttäuscht. Ich hatte mir gedacht, er wäre wie der Hyde Park, wo man um eine Hecke geht und
sofort keinen Pieps mehr von der Straße außenrum hört. Im Central Park hört man irgendwie immer noch den ganzen Stadtlärm, nur etwas gedämpfter, und muss weiter rein um wirklich ein bisschen Ruhe
zu finden. Aber immerhin.
Zurück durch die Stadt ging es vorbei am Trump World Tower, dem höchsten reinen Wohngebäude der westlichen Hemisphäre. Der Blick aus 260m Höhe muss schon ziemlich geil sein als
Wohnzimmeraussicht. Drin waren wir nur im Trump Tower (ohne den World-Zusatz) und fühlten uns ziemlich erschlagen vom komplett marmornen Foyer, wo irgendwie alles goldglänzend und herausgeputzt
aussieht. Kein Wunder, der Auftraggeber der Türme, Donald Trump, ist einer der reichsten Menschen der Welt.
Durch Zufall kamen wir an einem kleinen Betonpark vorbei, wo mitten in Manhattan ein Stück der Berliner Mauer steht. Wieso, weiß ich auch nicht, aber ist schon spannend, was man in New York so
alles findet, wenn man die Augen offen hält.
Abends waren wir vom vielen Laufen so platt, dass wir erstmal beim Mexikaner um die Ecke vom Hotel zusammenbrachen und ich mich erinnerte, wie schön es doch ist, in Deutschland als Kellnerin nicht dauernd sagen müssen „Hi, I’m Tanja, I will be your waitress tonight.“
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