Wenn man bei uns in Deutschland oder anderswo in Europa ein Haus bauen, ein Geschäft aufmachen oder einen Garten anlegen will, kauft man sich ein Grundstück. Klar, muss dabei alles mögliche beachtet und unterschrieben werden, aber wenn einem das Grundstück erstmal gehört, gehört es einem und nichts kann groß passieren. Ganz anders läuft das auf den Cookinseln. Land kann man hier nicht kaufen, genauso wenig wie bebaute Grundstücke.
Hört sich seltsam an, aber so ist es wirklich. Land kann grundsätzlich nicht zum Verkauf stehen, denn alles Land gehört den Einheimischen. Und zwar nicht im Sinne von „dem Staat als Vertretung der Einheimischen“, sondern wirklich den einzelnen Menschen. So ziemlich die gesamte Landfläche der südlichen wie auch der äußeren nördlichen Inselgruppe wird seit jeher innerhalb der Familien weitergegeben. Wenn man Lust hätte, könnte man sich also ein Fleckchen Erde suchen, zum Gericht gehen und solange recherchieren, bis man die Eigentümer dieses Fleckchens höchst wahrscheinlich entlang einer Blutlinie bis ins erste Jahrtausend n.Chr. zurückverfolgen könnte, in dem die Cookinseln von den ersten Maori besiedelt wurden.
Das Land gehört also seit schon-immer den Cook Islands Maori, und für die ist ihr Land heilig und von sehr großem Wert, nicht nur finanziell, sondern besonders ideell. Das Land trägt die Geschichten seiner Besitzer (auf eigenem Land werden ja auch die Familienangehörigen begraben) und Land zu verlieren ist eine schlimme Sache. Natürlich kann man das Land nur an Familienmitglieder verlieren, aber da die Familien hier alle riesig sind, kann das trotzdem sehr zermürbend sein. Tahei hat mir erklärt, wie das funktioniert und es ist alles höchst kompliziert. Das Land wird innerhalb der Familie an die Kinder und Kindeskinder desselben Namens weitergegeben. Natürlich kann der Name sich ändern, das ist dann mit einer Menge Papierkrams verbunden.
Ein Kind kann jedoch das Land seiner Eltern nur erben, wenn die Eltern das vorher schriftlich festgehalten haben. Wenn also ein Kind seine Eltern verliert und ihnen rechtmäßig das Land gehört, sie aber nicht eine Art Testament darüber angelegt haben, was mit dem Land passieren soll, hat das Kind verloren und geht leer aus. Das Land geht in diesem Fall an die am nächsten stehenden Angehörigen. Genauso ist das auch mit Ausländern. Nehmen wir an, ich heirate einen Cook-Maori, der irgendwo ein Grundstück besitzt. Er stirbt und hat das Land vorher nicht offiziell an mich überschrieben – dann habe ich keinen Anspruch mehr auf dieses Land. Selbst wenn ich in dem Haus auf diesem Grundstück lebe, das Land gehört mir nicht mehr.
Kaufen kann man Land also nicht. Stattdessen wir Land verpachtet. Die Pacht jedes beliebigen Stückchens Land kann höchstens 60 Jahre lang laufen, dann muss die Pacht neu aufgelegt werden. Hier nennt sich das „Lease“ und diese Lease wird gekauft, das Land also gepachtet. Ist alles echt schwierig zu erklären, aber ich find's superspannend.
Die Pacht läuft dann folgendermaßen: Herr A besitzt ein Grundstück, was er nicht nutzt, also legt er eine Pacht drauf, verkauft also sozusagen das Recht an der Landnutzung. Ich könnte nun also dieses Land pachten für höchstens 60 Jahre und kann während dieser Zeit auf diesem Land bauen, Tiere züchten, Bäume pflanzen, einen Teich anlegen, ein Geschäft aufmachen, was auch immer ich will. Aber nach 60 Jahren hat Herr A das Recht, das Grundstück wieder platt zu machen und ich hab nix mehr zu sagen. Klingt ja eigentlich ganz logisch.
So ähnlich verhält sich das auch bei den Einheimischen und dann wird’s richtig kompliziert. Denn selbst wenn ein Stück Land an ein bestimmtes Familienmitglied weitergegeben wird, ist das Land trotzdem noch irgendwie nicht ganz ihres. Tahei und ihr Mann zum Beispiel besitzen ein Grundstück in Avarua, das ist Land der Familie, das gehört also wirklich ihnen. Allerdings muss dieser Besitz von der Familie anerkannt werden. Als Tahei dieses Land rechtmäßig von ihren Eltern „geerbt“ hat, wurde die gesamte Familie ins Gericht eingeladen. Wer genau zu der „gesamten Familie“ zählt weiß ich nicht, ich glaube aber, es zählt bis zu den Cousins. Die gesamte Familie muss dann im Gericht anwesend sein und es wird verhandelt, ob Tahei dieses Land wirklich bekommen soll. Wenn es keine triftigen Gründe dagegen gibt, entscheidet die Mehrheit der Familie dann also „ja, Tahei bekommt die Rechte an diesem Grundstück“ und alle sind glücklich.
Als Tahei dann also offiziell die Rechte an ihrem Land in Form eines riesigen Stapels Papier und einer von der Mehrheit der Familie unterschriebenen Landkarte ihres Grundstücks erhalten hatte, hatten sie und ihr Mann sieben Jahre freie Hand, was sie mit dem Land anfangen wollen. Dann jedoch mussten sie sich entscheiden, denn alles Land, was nach sieben Jahren nicht genutzt wird, geht zurück an die Familie und wird dann an ein anderes Familienmitglied abgegeben, dass hoffentlich größeren Nutzen daraus ziehen wird.
Das ist übrigens der Grund dafür, dass hier so viele unvollständige Häuser rumstehen. Man sieht dauernd an der Hauptstraße und auch im Inland überwucherte Grundstücke, auf denen nur ein Fundament steht oder nur kahle Wände ohne Dach und ohne Fenster. Um das Land für insgesamt 60 Jahre sicher zu haben, muss innerhalb der ersten sieben Jahre etwas auf dem Grundstück geschehen. Ob das nun in Form eines angefangenen Hauses ist, das nie fertig gebaut wird, oder in der eines Mangobaums, der nie geerntet wird, ist dabei völlig nebensächlich.
Wenn die 60 Jahre rum sind, wird die Familie wieder zusammengerufen und es wird von neuem darüber entschieden, ob das Land im Sinne guten Wirtschaftens genutzt wird oder nur dumm rumsteht und nix tut. Die meisten Sitzungen im Gericht in Avarua befassen sich mit Familienangelegenheiten und Streitereien, denn in diesen riesigen Familienclans gibt es immer ordentlich Krach. Aber solange man zeigen kann, dass man sein Land in irgendeiner Weise nutzt, ist eigentlich alles ganz klar und verläuft meist ohne Probleme.
Auch das öffentlich genutzte Land gehört irgendwem. Zum Beispiel das Land, auf dem der Flughafen und die Landebahn gebaut sind. Das ist von den Flughafenbetreibern auch nur für 60 Jahre gepachtet, aber es gibt eine spezielle Klausel, dass das Land nicht zurückgefordert wird, solange der Flughafen in Betrieb ist oder so. Wär ja auch arg suboptimal, wenn der Flughafen alle 60 Jahre verlegt werden müsste, weil irgendjemand plötzlich beschließt, er will sein Land zurück um einen Mangobaum zu pflanzen, der nie geerntet wird. Natürlich bekommen die Landbesitzer natürlich auch eine ordentlich hohe Pachtzahlung für solche Sachen. Tahei und ihre Geschwister wurden zum Beispiel vor einiger Zeit auf eine der äußeren Insel geladen um sich dort ihr Land anzuschauen. Dort befindet sich auch ein Teil des Flughafengeländes auf dem Land und der Betreiber hätte nichts dagegen tun können, wenn Tahei gesagt hätte, sie möchte das Land zurück. Aber weil sie ja freundliche Leute sind, haben sie einfach ihre sündhaft hohen Pachtzahlungen verlangt und alle sind zufrieden.
Was den Flughafen in Rarotonga betrifft: als Rarotonga zum internationalen Flughafen ausgebaut wurde, musste die Landebahn natürlich lang und breit genug sein, um die Air New Zealand-Flotte mit ihren Riesenfliegern empfangen zu können. Eigentlich sollte die Landebahn dazu in Richtung Avarua verlängert werden. Da ist heute eine kleine Schotterstraße, die die Haupt- mit der Inlandsstraße verbindet und dann eine große Fläche mit nicht wirklich irgendetwas drauf. Weil der Besitzer beschlossen hat, er habe schon zu viel seines Landes für den Flughafen geopfert, konnte die Landebahn also nicht in diese Richtung ausgebaut werden und es musste extra eine Art Plattform am anderen Ende aufgeschüttet werden, wo jetzt die Landebahn praktisch halb über dem Meer hängt. Dadurch müssen bei starken Fluten und Sturm sehr viel früher Flüge eingestellt werden, als das üblich ist, weil mit ein bisschen höheren Wellen in der Lagune sofort die Landebahn überflutet ist :D
Weil es hier öfters im Jahr zu außergewöhnlich hohem Tidenhub kommt, wurde die Straße, die um die Landebahnverlängerung verläuft, von außen durch eine Mauer verstärkt und Wellenbrecher an der einen nicht so sehr geschützten Stelle, helfen auch. So eine Flut nennt sich hier „King Tide“, das gibt es nur hier im Pazifikraum. Man kann das nicht immer vorhersagen, aber es fängt halt einfach irgendwann an, einen größeren Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser zu geben und dann kann man davon ausgehen, dass es ein paar Tage andauert. Hier ist das ja extrem, denn man merkt durch das vorgelagerte Riff normalerweise keinen großen Unterschied. Da die Wellen am Riff hängenbleiben, ist das Wasser in der Lagune meist klar und recht still oder wenn, dann nur vom Wind etwas gekräuselt. Eine solche King Tide gab es hier letztes Wochenende. Ich war echt froh, dass ich meinen zweiten Tauchausflug von letztem Wochenende auf kommendes verschoben hatte, denn bei so einem Wellengang kann es im halb-offenen Meer außerhalb des Riffs richtig fies werden.
Ich war diese Woche ja viel mit dem Auto auf der Insel unterwegs und am Montag bin ich zufällig für ein Interview in Titikaveka gewesen, das liegt ziemlich genau im Süden Rarotongas und ist der einzige Ort der Insel, wo die Straße wirklich ganz direkt am Wasser entlangführt (hat den Grund, dass genau an diesem Fleck das Haus des Vertreters der Queen ist, und die Queen braucht natürlich einen privaten direkten Strandzugang wenn sie mal zu Besuch ist). Jedenfalls war da die Straße plötzlich voller Sand und Grünzeugs und ich hatte mich schon gewundert. Dann kam ich um die Ecke und hab die krassen Wellen gesehen. Selbst in der Lagune ging ordentlich die Post ab. Die Hotels im Süden mussten ihre Strände sperren, da es für die Gäste zu gefährlich wäre. In der Lagune ist ja meist nicht nur Sandboden sondern es gibt einige große Steine und besonders die Korallen können einen sehr verletzen.
Das war jedenfalls höchst imposant und ich stand eine Weile einfach nur da und schaute den Wellen zu – in echt natürlich viel beeindruckender als auf den Fotos. Die King Tide hielt mehrere Tage an und erst gestern (Donnerstag) hatte sich das Meer wieder einigermaßen beruhigt. Ich habe nicht rausgefunden, ob das irgendwie ähnlich wie eine Springflut ist, das Wort gibt es jedenfalls nur im Englischen und hauptsächlich im Pazifikraum. Anfang der Woche war das Wasser dann echt nicht sehr schön. Es war immer noch klarer als das normale saubere Wasser in der Nordsee, aber wenn man den Vergleich zu vorher kennt, war es unverkennbar – der ganze Sand vom Boden wurde durch die Wellen in der Lagune aufgewirbelt und das Wasser wirkte irgendwie pastellig hellblau. War auch recht hübsch, aber eben doch nicht so schön wie sonst immer.
Am Wochenende soll aber alles wieder beim alten sein, die Straßen wurden die ganze Woche über saubergemacht und die Mini-Schauer hin und wieder helfen ja auch. So geht es also morgen endlich zum Braunwerden an den Strand und Sonntag zum zweiten Mal tauchen.
Weil ihr aber ja alles (jedenfalls diejenigen, von denen ich es mitbekomme) immer so interessiert seid an „richtigen“ Infos über das echte Cook'sche Leben, wollte ich euch die spannenden Seiten des Eigentumsrechts hier nicht vorenthalten.
Ich wünsche ein frohes Pfingstwochenende mit tollem Radfahrer-freundlichem Wetter und sende euch ganz liebe Grüße!
Kommentar schreiben