Alleluia!

Da ich nächste und übernächste Woche am Sonntag tauchen gehen werde, war letzte Woche der letzte freie Sonntag, den ich hier habe und ich wollte ja unbedingt noch einen Gottesdienst hier sehen. Ich bin nicht sonderlich religiös, doch hatte ich schon öfters das Gefühl, dass ich nur so ungern in die Kirche gehe, weil mir nicht gefällt, was die Kirche mit dem Glauben macht.

Dass also ein gewisser wichtiger Mann mir in Oster- und Weihnachtsansprachen sagt, ich solle teilen und gegen die Ungerechtigkeit auf der Welt kämpfen, während er mit seinen seidenen Gewändern in einem goldenen Sessel sitzt und an allen anderen Tagen des Jahres so abgeschirmt ist von der Welt, dass er vermutlich kaum je die Ungerechtigkeit auf der Welt wirklich mit eigenen Augen gesehen hat.

St Joseph's Cathedral
St Joseph's Cathedral

Und an sich ist die Kirche doch eine gute Erfindung, als ein Ort wo man seinen Glauben praktizieren kann. Daher dachte ich, ich schaue mir mal an, wie das in einer Kirche abläuft, die nicht mit Marmor, Samt und Gold ausgestattet ist, sondern so einfach wie möglich mit Stein und Holz.

Kurze Geschichte zur Kirche auf den Cookinseln: Im Jahr 1821 kamen Missionare der London Missionary Society (LMS) erstmals auf die Inseln. Bereits 1828 wurde die erste Kirche der Cooks auf Aitutaki gebaut, da die Bevölkerung hier die erste war, die vollständig zum Christentum konvertiert wurde. 1852 wurde die „Kirche der Cookinseln“ als Cook Islands LMS Church gegründet und danach etliche weitere Kirchen auf den Inseln gebaut; heute sind es insgesamt 26 Kirchen auf den 15 Inseln. Seit 1968 heißt die Kirche mit allen zughörigen Gotteshäusern Cook Island Christian Church, kurz CICC, der heute mehr als die Hälfte aller Cookinsulaner angehören. Ich habe gelesen, dass es sogar solche Kirchen in Neuseeland und Australien gibt, zum Beispiel auch in Townsville...

Die Pfarrer sind alle Einheimische, die an der großen theologischen Schule ausgebildet werden, die hat einen superschönen Garten und ein riesiges Gelände hier in Avarua. Die Avarua Church ist dort auch, doch weil ich spät dran war, blieb ich weiter vorne an der Straße zum Gottesdienst in der St. Joseph's Cathedral. Die ist katholisch und daher nicht direkt Teil der CICC. Wenn ihr jetzt an die großen europäischen Kathedralen denkt, liegt ihr falsch, denn St. Joseph's ist ganz süß und klein und recht modern. Das Gebäude ist höchstens anderthalb Stockwerke hoch, achteckig und dreiviertel der Wände sind mit gläsernen Schiebetüren versehen. Drinnen sind Holzbänke auf einen sehr einfachen Altar ausgerichtet.

Für den Anlass hatte ich mir extra geschlossene Schuhe (das erste Mal seit knapp zwei Monaten) und mein längstes Kleid angezogen (was aber immer noch über den Knien aufhört und keine Ärmel hat) und mir einen Pareo mitgenommen, um die Schultern zu bedecken – ist man ja so gewöhnt von den großen Kirchen. Hätte ich alles gar nicht gebraucht – es saßen diverse Leute barfuß da, etwa ein Viertel der Frauen hatte bloße Schultern, viele waren in kurzen Hosen oder arg kurzen Kleidern da und nicht viele hatten einen Hut auf. Die leichte Brise, die durch die offenen Wände zieht, war aber echt schön.

theologische Schule
theologische Schule

Ich hätte wohl doch noch ein bisschen weiterfahren sollten zur CICC, denn in der Kathedrale findet der offizielle Sonntagsgottesdienst auf Maori statt. Aber ich saß schon drinnen, als ich es merkte, und dann dachte ich, ist ja vielleicht auch mal ganz spannend. Und einigermaßen versteht man ja eh, worum es geht, bzw. kann beobachten und entscheiden, was man tut. Wenn alle nach vorne gehen, gibt es offenbar die Kommunion; wenn alle aufstehen, sollte man das besser auch tun; wenn der Pfarrer sich an den Kopf tippt, kann man fast sicher sein, dass danach der Sohn und der heilige Geist geehrt werden; wenn alle sich wieder hinsetzen, sollte man nicht als einziger stehen bleiben.

Kirche in Titikaveka
Kirche in Titikaveka

Auch die Wörter sind teilweise sehr ähnlich zu denen, die wir im Deutschen verwenden. Als die Missionare auf die Cookinseln kamen, gab es die ganzen kirchlichen Begriffe natürlich nicht im Maori-Wortschatz, deswegen wurden sie oftmals einfach übernommen und in die Maori-Schreibweise umgeändert. Jeri und Tahei haben mir die Tage das Alphabet erklärt: es gibt die fünf Vokale A, E, I, O und U, die genauso ausgesprochen werden wie im Deutschen. Also ist A wirklich A und nicht Äi wie im Englischen. Im „Hoch-Cook-Maori“, also dem reinen Maori, das auf Rarotonga gesprochen wird, gibt es acht Konsonanten: Ng (gesprochen wie bei Klang), K, M, N, P, R, T und V. So ergeben sich also 40 verschiedene Silben, aus denen die gesamte Sprache zusammengesetzt wird. Auf den äußeren Inseln gibt es teilweise starke Dialekte, und so haben zum Beispiel die Leute auf Puka Puka und Penrhyn auch F, H, S und W in ihrer Sprache. Tahei ist also kein original Rarotonga'scher Name.

Bei vielen modernen oder eben speziellen Wörtern, wie den kirchlichen, merkt man deutlich, dass sie fast genauso klingen wie die englische oder lateinische Entsprechung und nur anders geschrieben werden.

In der Kirche ist mir sofort ein großes Banner über dem Altar aufgefallen, auf dem war Jesus zu sehen und aufgestickt war „Alleluia“ – ganz klar die Maori-Transkription von Hallelujah, denn H und J gibt es ja nicht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass jedes Cook-Maori-Wort auf einen Vokal endet, ich habe noch nie ein anderes gesehen. Maria heißt also auf Maori immer noch Maria, denn die Buchstaben sind alle da und jede Silbe endet auf einen Vokal.

Jesus Christus hingegen hat das alles nicht und heißt deshalb Iesu Krito. Die Apostel sind Apostoro und der Priester ist Piriti. Das Wort für „Kirche“ ist in Maori Ekalesia – fast wie im Spanischen „iglesia“ oder im Französischen „église“.

 

Der Gottesdienst war komplett auf Maori aber recht kurz (ich war ja auch zu spät gekommen...). Statt einer Orgel gab es einen einzelnen Ukulele-Spieler, statt einem Chor gab es dutzende von stimmlich sehr begabten Inselbewohnern, die begeistert die „Imene“ (auf den anderen Inseln Himene = Hymne) mitgesungen haben. Die Texte zum Singen wurden an die Wand projiziert und es gab eine sehr laute Mumma, die sozusagen vorgesungen hat, also immer eine Silbe vor den anderen, damit jeder wusste, wie er zu singen hatte. Es war gar nicht so wie man das sonst so kennt, dass jeder erstmal seine richtige Stimmlage finden muss und dann so leise wir möglich vor sich hin nuschelt. Nein, alle haben richtig laut gesungen und es hat sich angehört wie ein ausgebildeter Chor. Mit verschiedenen Tonlagen und Betonungen, super schön zuzuhören. Bei einigen der Lieder gab es eine Männer- und eine Frauenstimme und das hat so toll geklungen und auch immer perfekt geklappt! Auf der Projektion stand dann ein V an der Zeile für die Vaine (die Frauen auf Maori) und ein T für Tane (die Männer).

Friedhof in Titikaveka
Friedhof in Titikaveka

Die Lieder waren nicht unbedingt sehr fröhlich, nicht so krass wie das bei den Gospelsängern manchmal ist, wo dann alle aufstehen, rumwackeln und klatschen. Aber so unendlich tragisch wie die deutschen waren sie bei weitem auch nicht. Mir haben die Lieder insgesamt sehr gut gefallen. Wer mal reinlauschen will, wie das so in etwa geklungen hat, schaue hier: http://youtu.be/nqRdSgllGfQ (beim Gottesdienst) oder http://youtu.be/zBXfmUFGp60 (Laien-Chor, aber klingt sehr wie am Sonntag in der Kirche) oder http://youtu.be/QIyK7c_Az8g (wer selbst singen will).

Zwischendurch sind irgendwann alle aufgestanden und haben sich gegenseitig auf die Wangen geküsst. Doch selbst hier ist mir aufgefallen, dass ich doch irgendwie ein Außenseiter bin. Da, wo man in Deutschland seinen Kirchennachbarn die Hand gibt, wird hier eigentlich geküsst. Aber zu mir kam niemand. Viele meiner Interviewpartner letzte Woche haben mir gesagt, dass das, was die Cookinseln so besonders macht (verglichen mit anderen Inselreisezielen), sind die unglaublich freundlichen Menschen. Freundlich sind sie schon, aber in meinen Augen nicht so offen und interessiert, wie es angeblich von vielen Touristen oft dargestellt wird.

 

So, das war's für heute. Ich hoffe ihr habt was gelernt! Noch was lustiges für den Weg: Amen auf Maori ist Amene!! :D


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