Wie weithin bekannt sein sollte, liebe ich das Reisen ja nun wirklich über alles. Es gibt nichts aufregenderes, als einfach mal abzuhauen und sich irgendwo monatelang alleine durchzuschlagen. Denn alleine ist man ja eigentlich nie auf Reisen.
Ich erinnere mich an letzten Sommer und meinen letzten Tag in Singapur, als mich ein Pakistani im Hostelzimmer aufgegabelt und mit mir den Botanischen Garten erkundet hat. Einfach so. Weil er nett war und ich nett aussah. So einfach ist das. Wir halten immer noch den Kontakt, Facebook macht's möglich. Und das, obwohl wir nur einen Tag gemeinsam unterwegs waren. Gerade bewirbt er sich als Fotograf und ein Bild von mir ist jetzt in seinem Portrait-Portfolio, wow!
Ebenso freue ich mich über den Schweden, den ich während meinen letzten Wochen in Townsville im Hostel kennengelernt hatte und der mir immer noch regelmäßig mailt. Und das, obwohl wir uns immer nur minutenweise gesehen haben, denn immer wenn er gearbeitet hat, hab ich geschlafen und wenn ich gearbeitet habe, war er weg.
Nicht unerwähnt bleiben darf natürlich die JCU-Gäng, ohne die mir so mancher spaßiger Nachmittag flöten gegangen wäre, inklusive Semesterabschluss-Basteln, weihnachtliches Fotoshooting am Strand, versuchtes Nachtbaden und Trip ins Outback für nix und wieder nix. Und das, obwohl ich mit keinem von ihnen einen Unikurs teilte und sowieso kaum an der Uni war.
Erstaunlich, dass es manchmal einfach so passt mit Leuten, mit anderen dann wiederum nicht. Zum Beispiel einer der anderen Hosteljungs, mit dem es aussah, als würde sich eine super Freundschaft entwickeln, der mir zum Geburtstag eine improvisierte Kekstorte mit Kerzen gebaut und mich täglich mit frischen Mangos versorgt hat. Offenbar gibt es wirklich Leute, die einem eine falsche email-Adresse geben, anstatt einfach zu sagen, dass sie kein Interesse an einer Freundschaft haben. Schade irgendwie, dass niemand einfach ehrlich sein kann wenn es um sowas geht. Und schade, dass solche Leute einem das Gefühl geben, man würde sich gut verstehen und sich dann nie wieder melden.
Auf Reisen lernt man viele faszinierende und weniger faszinierende Persönlichkeiten kennen und es ist immer spannend, zu sehen, wie sich so eine Urlaubsfreundschaft entwickelt. Bei den Begleitern meines ersten Australienabenteuers sieht man alle möglichen Facetten. Da gibt es diejenigen, die sich nie melden, aber wenn man sich sieht, ist alles super. Es gibt solche, mit denen man unregelmäßig aber ernsthaft schreibt und plötzlich bekommt man aus heiterem Himmel eine Postkarte von eben jener Person ans andere Ende der Welt. Einfach so. Dann sind da jene, die man nie wirklich erreicht, aber wenn man sich spontan auf zwei Tage trifft, hat man Mordsspaß zusammen. Und solche, die man als wirklich enge Freunde ansieht, obwohl man nur ein paar Wochen so halb gemeinsam unterwegs war und sich in Deutschland nur noch alle paar Monate für ein-zwei Tage (bzw. ein-zwei Kneipentouren) sieht.
Während ich vor mittlerweile gut drei Jahren in Neuseeland war, habe ich einen Amerikaner kennengelernt, mit dem ich ein paar Tage gemeinsam gereist bin. Damals dachte ich, er freut sich, dass ich ihn mitnehmen kann, ich freue mich, nicht allein fahren zu müssen, mehr ist das nicht. Dann haben wir unsere gemeinsame Liebe zum geschriebenen Wort entdeckt und saßen mehrere Abende lang bis spät in der Nacht im Hostel und haben gemeinsam gedichtet. Nachdem ich abgereist war, hatten wir kaum Kontakt. Doch jetzt, drei Jahre nachdem wir uns zum letzten Mal gesehen haben, wohnt er in Köln und hat mich zum Kuchenessen eingeladen, wenn ich mal in der Gegend bin. So kann's kommen.
Wenn man in der Welt unterwegs ist, bekommt das ganze Konzept Freundschaft einen neuen Anstrich. Meist freut man sich einfach, nicht alleine zu sein und denkt nicht größer drüber nach, was daraus werden könnte. Erst später, wenn man ganz woanders ist, oder schon wieder zu Hause, fängt man an, über seine Zeit im Ausland nachzudenken und dann kommen eben diese Gedanken auf – wer wirklich nur eine Reisebekanntschaft war, die man vermutlich nie wieder sehen wird, und wer doch irgendwie mehr ist.
Man kann sich sehr in Menschen irren, wenn man in unbekanntem Umfeld aufeinander trifft und sich „anfreundet“ einfach, weil eben grade niemand anderes da ist. Und wenn man darüber nachdenkt, sind auch die Gedanken darüber nicht weit entfernt, in wem man sich noch so irren kann. Denn jeder der auf Reisen geht, lässt auch etwas zurück – Bekannte, Freunde, Familie. Und dann kommt man oft nicht umhin, zu bemerken, was Leute offenbar wirklich von einem halten.
So gibt es natürlich die engere Verwandtschaft, die immer auf dem neuesten Stand sein wollen, ob es einem gut geht, wo man ist, was man macht. Für einen Blogger sind das die Menschen, von denen man weiß, dass sie spätestens am nächsten Tag den letzten Eintrag verschlungen und die neuesten Fotos bestaunt haben werden. Von ihnen bekommt man direkte Rückmeldung zu dem, was sie gelesen haben, meist in Form von Emails oder eigenen Fotos, wie es daheim so zugeht. Man weiß, dass sie daheim sind und da sein werden, wenn man wieder heimkommt.
Fast wie die Verwandtschaft gibt es ein paar Freunde, die auch jeden Blog verfolgen, die sich Sorgen machen und immer die Bestätigung brauchen, dass es einem gut geht. Sie informieren einen (jedenfalls manchmal) über den neuesten Klatsch, wer mit wem und wer nicht mehr und fragen bei jeder Gelegenheit, ob man denn auch bald wieder heimkommt. Das sind die Freunde, von denen man weiß, dass sie sich tierisch freuen werden, einen wieder zu sehen, einen ausfragen und alles erzählt kriegen wollen.
Natürlich hat nicht jeder die Zeit, jeden einzelnen Blog und jedes noch so kleine Foto anzugucken. Diese Leute gliedern sich oftmals in ziemlich eindeutige zwei Gruppen. Die erste Gruppe besteht aus denen, die kaum zum Lesen kommen, aber sich immer Mühe geben, sich auf ein Skype-Gespräch zu treffen oder auch einfach mal eine lange Mail schreiben. Das reicht ihnen und das reicht mir. Sie haben ihr eigenes Leben und das verstehe ich natürlich. Trotzdem weiß man, dass sie an einen denken, auch wenn sie in Verbindung mit 12 Stunden Zeitunterschied nicht immer Zeit für einen haben.
Die zweite Gruppe der Freunde, die keine Zeit haben, besteht aus den Leuten, die wirklich keine Zeit haben. Oder das zumindest behaupten. Sie lesen keinen Blog, schauen sich kein Foto an, antworten auf keine Mail, auf keine Nachricht. Wenn man ein paar Monate weg war, ist es, als hätte man nie existiert. Da gibt es zum Beispiel die aus dem Nachbarhaus, die zu Beginn meines Studiums plötzlich mit Wein vor meiner Tür standen – sie hatten mich nie gesehen, hatten aber Lust auf Gesellschaft. Man saß zusammen und es entwickelte sich eine tolle Nachbarschaft. Wenn eben diese Leute nicht zu der Abschiedsfete kommen, die man meint schmeißen zu müssen, bevor man für so lange Zeit abhaut, ist das in Ordnung. Wenn sie sich mit den Worten entschuldigen, sie wären eingeschlafen, kann ich damit leben. Wenn dann jedoch seit dem Tag an dem man fliegt kein Piep mehr von diesen Menschen kommt, dann hat sich der Begriff „Freundschaft“ für mich erledigt. Bei manchen ist das ok, doch es gibt auch solche, die sich nie melden nachdem man sich seit der fünften Klasse kennt, die immer ein guter Freund waren und plötzlich einfach nicht mehr da sind.
Ein bisschen ähnlich ist mit den Leuten, die mal richtig gute Freunde waren, die aber einfach keine Lust zum Lesen haben. Das verstehe ich auch vollkommen und ich will niemanden daran hindern, selbst zu entscheiden, ob er seinen Nachmittag damit verbringt, jemandem beim Schwärmen vom Paradies zuzuhören. Doch wenn diese sogenannten „Freunde“ nicht mal mehr wissen, dass ich überhaupt weg bin, nicht mal anrufen und merken, dass meine Nummer nicht mehr funktioniert und nicht mal nachfragen, dann fragt man sich manchmal schon, ob man ihnen wirklich noch in irgendeiner Weise wichtig ist. Sowas passiert, wenn man plötzlich Nachrichten bekommt, in denen man gefragt wird, ob man nicht nächste Woche Lust auf Kino hat. Na klar hätte ich Lust – steig in den nächsten Flieger und in 29 Stunden bin ich bei dir? Nein danke...
Neben den ganzen Freunden und Verwandten und Ex-Freundschaften gibt es immer Menschen, mit denen man irgendwie Kontakt hat, aber die eigentlich Freunde von Freunden oder Freunde der Eltern o.ä. sind. Und ich muss ganz ehrlich sagen, über ihre Nachrichten freue ich mich immer besonders – wenn man so viel schreibt und knipst wie ich, ist es manchmal sehr bedrückend zu sehen, dass niemand liest, was ich von mir gebe. Natürlich weiß ich von einigen, dass sie lesen - „Beweise“ dafür bekomme ich fast nie. Aber diese um-die-Ecke-Bekannten freuen sich über jeden Eintrag, schreiben ellenlange Nachrichten, stellen Fragen über Fragen und loben meine Fotos. Da bekommt man als Schreiberling das Gefühl, wirklich etwas zu schaffen und nicht einfach nur Tagebuch zu schreiben. Mit diesen Bekanntschaften verbindet einen sonst oft nichts anderes und man wüsste gar nicht über was man schreiben könnte.
Ja, das Reisen kann mit Freundschaften so einiges anstellen. Manchmal ist es traurig beim Zerfall zuzusehen und nichts tun zu können, aber ich merke doch, wieso ich das Reisen trotz allem so liebe: Wenn man heimkommt und sieht, wer einen noch kennt oder kennen will, dann weiß man, wer wirklich ein Freund ist.
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