So, heut wird mal wieder ein bisschen gelästert. Man lernt doch immer wieder neue faszinierende Eigenarten einer Kultur kennen, wenn man länger darin lebt. Grundsätzlich gilt ja immer „No worries, mate“ – egal, was du tust, tu es gelassen und mach‘ bloß keinen Stress!
Heute war ich beim Zahnarzt, das war vielleicht was! Im Wartezimmer lief erst eine Kochshow (wie mies, wenn man dann grade nix essen darf oder so), dann eine Sendung über einen Mann, der seinen
Hunden beigebracht hat, Auto zu fahren. Mein Buch und eine gemütliche Runde Lesen während dem Warten konnte ich also vergessen, weil das ganze Wartezimmer alle paar Sekunden in brüllendes
Gelächter ausgebrochen ist. Aber ist ja schön, wenn es den Leuten beim Zahnarzt so gut geht. Als neuer Patient musste ich so einen Wisch ausfüllen mit meinen Daten. Ganz flapsig wurde da gefragt
„Ladies! Are you pregnant?“ und auf die Frage, wie man auf die Praxis aufmerksam geworden ist, gibt es die Antwortmöglichkeit „Tooth Fairy Visit“. Was zur Hölle?!
Wenn man einen Termin nicht rechtzeitig absagt und sie deine Bankdaten schon haben, musst du eine Gebühr zahlen! Und du kannst angeben, dass du gerne per Mail oder SMS über neueste Angebote und
Specials in der Praxis informiert werden willst, ein Zahnarzt-Werbungs-Newsletter sozusagen. Sachen gibt’s...
Im Behandlungszimmer war alles wie man es kennt, aber der Arzt kam rein und hat sich in wunderbar indischem Akzent vorgestellt als „Vikram. But you can call me Vik! And this is Ruby.“ Praxishelferin Ruby grinst mich an und drückt mir eine Sonnenbrille in die Hand. Ich schaue sie fragend an und
sie erklärt, das Licht über dem Stuhl sei doch so hell. Hahah! :D
Nach der Behandlung (mir war ein Draht gerissen) sagt Vik, eigentlich würde das jetzt so an die 150 Dollar kosten, aber das wäre ja total lächerlich für das bisschen Arbeit. Deswegen macht ers
mir zum halben Preis. Oookaaay?! Leider fand die Rezeptionistin das nicht so super und so musste ich dann doch den vollen Preis blechen. Damit ich von der Versicherung was zurückbekomme, hat Vik
mir freundlicherweise einen Brief dazugeschrieben, was er gemacht hat und so. Als ich daheim den Umschlag öffne, fällt mir ein kleiner quadratischer quietschorangener Zettel entgegen wo
handschriftlich draufsteht, was er behandelt hat. Die spinnen doch alle…
Ganz unpassend zur „No Worries“-Einstellung scheint es in Australien den Nachmittagskaffee wie wir ihn meist am Wochenende in Verbindung mit Keksen oder Kuchen und einer kleinen Auszeit vom Tag
kennen, nicht zu geben. An der Uni macht die Art Mensa (wo es aber nur sündhaft teures Essen gibt) ziemlich zeitig zu, die zwei hübscheren Cafés auf dem Campus schließen um 16 Uhr. Offiziell. Um
15 Uhr fangen die an mit Aufräumen. Als ich einmal um zehn vor vier einen Takeaway-Chai holen wollte, war die Kaffeemaschine schon saubergemacht und ausgeschaltet.
Sogar der kleine mobile Coffee Shop an der Bibliothek macht um Punkt 16 Uhr alle Klappen zu. Das hat besonders diejenigen meiner Gäng gestört, die stunden- und tagelang dort saßen und gelernt
haben während ich mich auf meinen zwei Tagen Uni die Woche ausgeruht habe.
Tobi und Andi haben außerdem erzählt, dass sie am Queen’s Birthday (Feiertag hier) gemütlich am Strand Kaffee trinken wollten – aber Fehlanzeige: alles geschlossen! Auch unter der Woche hat kein
Café nach 16 Uhr noch offen, wer Kaffee braucht, muss zu Mäckes oder Subway gehen.
Ich versteh das überhaupt nicht. Es ist mittags so heiß, dass man doch nicht auch noch was heißes trinken will! Und wenn es um vier oder fünf dann etwas weniger schlimm ist, bekommt man nirgends
ein Stück Kuchen!
Mittags geht man hier nur raus wenn es sein muss – aber man sieht erstaunlich viele in Stiefeln und langen Ärmeln (dazu später mehr). Einer aus dem Hostel, der schon lange hier ist, ist schon
ganz aussie drauf. Mit dem war ich in der Stadt, normalerweise ein Weg von sieben Minuten. Mit ihm habe ich 20 gebraucht, weil „wenn man zu schnell läuft, erhöht sich die Körpertemperatur zu
stark“. Ich bin aber trotzdem der Ansicht, dass schnelle sieben Minuten in der Hitze und langsame 20 Minuten in der Hitze ziemlich aufs Selbe rauslaufen würden.
Die Aussies laufen ja eigentlich eh nicht. Egal wo hin und wie lange. Wenn ich nachts von der Arbeit heimlaufe, werde ich von jedem, der mir entgegenkommt gegrüßt. In Deutschland fänd ichs
gruselig und würde machen, dass ich wegkomme; hier bleib ich dann öfters mal stehen und quatsche kurz mit einem Wildfremden, wie denn mein Tag war und was er heute so getrieben hat.
Das ist was, da muss man sich erstmal dran gewöhnen, genauso wie auch an die Regeln des Anstands, die hier gelten. Niesen ist beispielsweise gar nicht gern gesehen. Selbst wenn ein Nieser nur als Piepsen oder winziges „Tschu“ rauskommt, entschuldigt man sich. Naseputzen genauso, obwohl das ja Sachen sind, die man nicht so beeinflussen kann. Wenn man allerdings drauf verzichtet, sich die Nase zu schnäuzen, ist es total in Ordnung, den Schlodder geräuschvoll raufzuziehen. Kein Problem, schließlich kommt ja nix ungewolltes in die Nähe deiner Mitmenschen. Gleiches gilt fürs Rülpsen. Je lauter desto besser scheint hier manchmal the-way-to-do-it.
Gähnen ist auch sowas, was man nicht öffentlich macht – außer man zieht es dann so lange hin bis es fast schon lächerlich ist und alle es lustig finden. Wenn das dann klingt wie ein
„Wuuuaaaaaaaaöööuuuuuh“, gefolgt von einem „Shit“ – dann ist alles super.
In der Arbeit habe ich ein echtes Problem zur Zeit. Ich bin permanent müde von der Hitze und der Sonne, nicht so sehr, dass ich schlafen könnte, aber ich bin eben so schlapp immer. Jason (der
Chefkoch) hat ein gutes Auge dafür, wenn ich gähnen muss, selbst wenn sich dann nur leicht meine Nase kräuselt. Das kann er gar nicht ab und beschwert sich immer.
Ich würde ja selbst was sagen, aber ich glaube, ich würde gefeuert werden, wenn ich sagen würd, dass es auch nicht grade ein hübscher Anblick (und schon gar nicht appetitlich) ist, wenn er, der
Koch in der offenen (!) Küche, beim Zubereiten nach jedem Handgriff Finger und Löffel abschleckt.
Eine Sache, die mir wirklich auf den Senkel geht, ist, dass die alle irgendwie kein Englisch können. Was Grammatik angeht ist man ja von den Amis einiges gewöhnt, aber hier werden grammatikalische Regeln einfach neu erfunden. So stand gestern im Restaurant an der Wand „Our Christmas Party is been held this Sunday“. Uaah! Die schreiben eben, wie sie reden. Und gesprochen hört sich „being“ eben an wie „been“. Koch Max hat letzt in seinem Facebook-Status „eifersüchtig“ als „gelus“ statt „jealous“ geschrieben. Klingt gleich, wird schon stimmen. Ist ja auch wurscht, wenn es alle verstehen. Ob man etwas mit e oder i schreibt, können die Aussies nicht so unterscheiden. „escape“ und „welcome“ habe ich also auch schon öfters wo mit i gelesen. Der Arbeitsplan (richtig wäre: roster) heißt bei uns „roaster“ (to roast = rösten/braten).
Ich schätze, das, was Menschen im Alltag lesen, hat einen großen Einfluss darauf, wie sie schreiben. Namen sind neuerdings bei bestimmt der Hälfte aller Produkte hier irgendwelche wirren Zusammenführungen von Wörtern, die eigentlich nix miteinander zu tun haben, aber für genau dieses eine Produkt eben doch passen: die Fähre nach Magnetic Island heißt FantaSea, eine Kette von Bottle Shops heißt Cellarbrations. Das -z am Ende ist auch total im Trend. Es gibt einen Juwelier namens Diamandz. Grade fällt mir nur ein weiteres Beispiel ein, das ist ein Café, das hat beanz im Namen. Alles, was auf -er endet, kann nach Wunsch auch auf -a enden. Als Substantiv zum Beispiel „campa“, Verb „wonda“ und gesteigertes Adjektiv sowieso alles (z.B. „cheapa“).
Alle Wörter, die gleich klingen, kann man hier frei durcheinander ersetzen. Bei den Whitsunday-Segeltrips bietet sich zum Beispiel Sail und Sale für hübsche Wortspielereien an. Die Wörter to, two und too sind austauschbar: Café Inn2Coffee oder Klamottenshop you2. Das Wort „Café“ an sich kann man ja auf sooo viele verschiedene Arten schreiben, dass es immer noch gleich klingt, das ist faszinierend. Mit den Strichen haben die Deutschen ja auch Probleme, also sieht man meist „Caf’e“, „Cafe‘“ oder „Cáfe“. „Coffee“ kann man statt „Café“ auch nehmen, versteht ja jeder. Oder was ganz bescheuertes, was ich heute früh gesehen habe: „Kafeh“!
Wahrscheinlich ist das bei den Produktbeschreibungen nicht anders als bei den Namen und deswegen können die Aussies mit Größenangaben offenbar nix anfangen. Schuhe müssen generell eine Nummer zu groß oder zu klein sein um sexy zu sein. Und möglichst höher als sie lang sind. Bei Klamotten gilt das nicht. Röcke und Kleider immer kürzer als man es überhaupt für möglich halten würde und oben am besten auch zu knapp. Zu groß gibt’s hier nicht. Wenn locker, dann richtig – und dann sinds gleich knöchellange Röcke und Tops, die so weit sind, dass drunter doch wieder was enges muss. Sehr im Trend (gerade auch bei jüngeren Mädels): Röcke wie „damals“, unglaublich kurz aber mit Bund überm Bauchnabel und dazu ein Kleidungsstück (ich weiß gar nicht, wie ichs nennen soll) mit Ärmeln, die seitlich über die Oberarme laufen, und nur minimal länger als ein Bustier oder so. So ist also der Bauch frei, aber eigentlich ist es nicht der Bauch sondern der untere Rippenbogen, der frei ist. Hab gegoogelt und offenbar ist das grade bei den Stars der letzte Schrei. Naja, wem’s gefällt…
Obwohl die Aussies nicht gerne irgendwo hinlaufen (außer es ist im Abenteuerurlaub in Neuseeland) tun sie so, als wären sie total gesundheitsbewusst. (Ich glaube, ich hatte schon erwähnt, dass Oz momentan das fetteste Land der Welt ist?) Besonders viele Spendenaktionen gibt es für die Bekämpfung von und Aufklärung über Brustkrebs. Die pinke Schleife sieht man dauernd irgendwo, es gibt pinke Wasserflaschen zu kaufen, wovon dann ein Teil des Erlöses zur Breast Cancer Association oder so geht. In den großen Supermärkten gibt es außerdem immer an den Kassen Schokoriegel für einen guten Zweck.
Obwohl die Aussies nicht gerne irgendwo hinlaufen (außer es ist im Abenteuerurlaub in Neuseeland) tun sie so, als wären sie total gesundheitsbewusst. (Ich glaube, ich hatte schon erwähnt, dass Oz momentan das fetteste Land der Welt ist?) Besonders viele Spendenaktionen gibt es für die Bekämpfung von und Aufklärung über Brustkrebs. Die pinke Schleife sieht man dauernd irgendwo, es gibt pinke Wasserflaschen zu kaufen, wovon dann ein Teil des Erlöses zur Breast Cancer Association oder so geht. In den großen Supermärkten gibt es außerdem immer an den Kassen Schokoriegel für einen guten Zweck.
Wann genau welcher Awareness-Day stattfindet, weiß ich nicht, aber gestern wurde uns erklärt, was es mit dem Movember auf sich hat, der jedes Jahr im November zelebriert wird. An jeder Ecke sieht
man Poster, Graffitis oder Flyer, die einen schwarzen Schnurbart zeigen, es gibt T-Shirts und Waschlappentattoos und Biergläser und irgendwie alles mit diesem dubiosen Schnurbart drauf und
Plakate mit Menschen drauf haben öfters einen davon über die Gesichter geklebt. Manchmal auch variiert, aber meist ist es derselbe, den man überall sieht. Schnurbart ist auf Englisch „moustache“,
daher das M am November. Der Schnurbart ist Zeichen und awareness raiser für „Men’s Health“, worum genau es geht, habe ich noch nicht rausgefunden, aber hat wohl was damit zu tun, dass man
regelmäßig zur Vorsorge soll oder so.
Wenn man bedenkt, dass es in Deutschland dann eine oder zwei große TV-Gala-Veranstaltungen gibt und gut ist, ist das hier wirklich allgegenwärtig und die Leute machen auch alle mit. Ob die Männer
sich dadurch wirklich öfters untersuchen lassen sei dahingestellt.
So Leute, ich hau mal wieder ab. Heute ist mein freier Tag und ich habe noch ganz viele Lebensmittel zu verkochen.
Ach und übrigens: Happy Nikolaus und so! Gäbe es kein Facebook und viele viele Leute, die dazu was posten, hätte ich es bei der Hitze doch glatt vergessen! In meinen Schuhen, die noch draußen
standen, war heute früh auch keine Schokolade. Bin aber ehrlich gesagt ziemlich froh drüber, das wäre dann doch ne ziemliche Sauerei geworden…
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